In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so über den neuen Star Wars-Film gedacht hat.
Christian: Hallo, liebe Comicgate-Kollegen. Wie steht ihr eigentlich zum derzeitigen Star Wars-Hype? Nervt euch das, oder könnt ihr das Wegblenden und euch völlig unvoreingenommen auf den neuen Film freuen? Also ich persönlich sehe das zwiespältig. Einerseits finde ich es ziemlich öde, jetzt schon Sturmtruppen in jeder Cornflakes-Schachtel ertragen zu müssen, andererseits hat uns der Hype aber immerhin ein tolles Philosophie-Sonderheft beschert, das wirklich originell und lesenswert ist.
Stefan: Lieber Christian. Schön sind übrigens auch die 10 Gründe für Star Wars von Dietmar Dath im aktuellen Rolling Stone. Als Kleinanleger würde ich jetzt vermutlich Disney-Aktien kaufen, denn sowohl der Neustart der Comics als auch “Das Erwachen der Macht” werden in den kommenden Jahren mächtig viel Geld einbringen. Künstlerisch hatte George Lucas bereits mit Episode III begonnen, was Star Trek-Erneuerer J. J. Abrams nun fortgesetzt hat: CGI reduzieren und mehr echte Menschen und echte Kulissen. Dazu reicht bereits der Vergleich der komplett digitalen Clone Trooper aus Episode II mit den menschlichen Darstellern als Clone Trooper aus Episode III. Obwohl es manche Produkte von Disney gibt, die für sterile Massenunterhaltung stehen – bei Star Wars haben sie bisher nichts vergurkt. Egal, wie man zum Krieg der Sterne steht, es spricht doch Bände, dass es ein Thema ist, welches für einen Themenschwerpunkt taugt – kalt lässt es also Wenige. Star Wars ist die Fussball-WM oder der neue Bond für Nerds. Ich finde das gut! Darauf ein Eis für alle.
Benjamin: Dem Hype um Trailer, Filmplakate, Merchandising (und obendrauf noch die gerelaunchte Comicschiene unter dem Marvel-Dach) kann man sich wohl nur schwer entziehen. Bedauerlicher finde ich allerdings, dass man durch die ganzen Informationsfetzen, Charakterbeschreibungen und Ausschnitten sich die Filmhandlung schon ziemlich konkret zusammenreimen kann. Das führt bei mir zumindest schon seit einiger Zeit zu einer gewissen Übersättigung, da ich dadurch keine großen Überraschungen mehr erwarte. Oder soll einen das geheim gehaltene Schicksal von Luke Skywalker beim Ansehen von Episode 7 noch irgendwie vom Hocker hauen?
Christian: Es ist schon seit Jahren so, dass die Fans von Star Wars die besseren Star Wars-Produkte abliefern. Star Wars ist eine großartige Projektionsfläche für eigene Ideen. Die eigentlichen Produzenten wirken dagegen schon seit Jahren unbeholfen mit dem großen Erbe. Das fiel mir erst diese Woche auf, als ich ein Interview mit Star Wars-Chefin Kathleen Kennedy las. Sie scheint sich die ganze Zeit versichern zu wollen, dass sie nicht zu abgehoben ist, sondern immer noch bodenständige ehrliche Filme macht, in denen der Schauspieler im Zentrum steht. Früher wäre Leia von Katherine Hepburn oder Lauren Bacall dargestellt worden, meint sie. Das halte ich für eine ziemlich naive Aussage, denn Star Wars war noch nie ein Star-Vehikel. Seit Star Wars in seinen SF-Themen vermeintlich immer härter zur Sache geht, wird es leider immer noch dünner in seiner Relevanz. Beispiel Klon-Thema: Früher waren die Sturmtruppen echte Menschen, in den Prequels waren sie Klone. Ich vermute da liegt eine gewisse erzählerische Pragmatik dahinter. Klone sind keine “richtigen” Menschen und können daher auch in großer Anzahl von den Helden getötet werden, ohne allzu große ethische Probleme aufzuwerfen. Dazu passt auch die Manipulation der Schießerei zwischen Han Solo und Greedo in der Mos Isley-Bar, die bekannte “Who shot first”-Diskussion. Ursprünglich schoss Han als erster, später wurde der erste Schuss Greedo angedichtet.
Michel: Zuerst sollten wir Disney dafür danken, Star Wars aus den Händen von George Lucas zu befreien. Schon irgendwie traurig, dass niemand Star Wars so wenig versteht, wie sein eigener Schöpfer. Erst wurde die Originaltrilogie durch digitale Upgrades schrittweise entstellt und dann durch eine Prequel-Serie ergänzt, die hauptsächlich als Abenteuerspielplatz für digitalen Budenzauber und für die vermutlich schlechtesten Dialoge der vergangenen 20 Jahre im Gedächtnis bleiben wird. Die aufgeblasene Handlung von Episode I bis III macht nur dann Sinn, wenn man sich gleichzeitig noch durch die verknüpften Games und TV-Serien kämpft – eine Franchise-Sünde, die aufzeigt, dass George Lucas, der Storytelling-Ritter, irgendwann von der dunklen Seite der Macht verführt wurde und zu Darth Marketing pervertierte.
Erwarte ich mir mehr von J.J. Abrams? Irgendwie schon. Immerhin hat er mit Star Trek bereits ein großes Franchise erfolgreich rebootet, dem Original darin gleichzeitig Respekt gezollt und es für eine zukünftige Generation neu erfunden. Zudem scheint mir Abrams lernfähig und hat die offensichtlichen Verfehlungen von Into Darkness auch öffentlich reflektiert. Ich bin da also mal vorsichtig optimistisch. Dass es Disney versäumt hat, pünktlich zum Start von The Force Awakens die Originalfassungen von Episode IV bis VI in einem schnieken HD-Remaster unter das Volk zu werfen, macht mich zwar ein bisschen traurig, aber so hab ich letztens in den sauren Apfel gebissen und mit auch die noch fehlende Limited-Edition-DVD von Die Rückkehr der Jedi-Ritter für knapp 40€ gegönnt. Der neue Film kann kommen!
Ach, und was die aktuelle Promo-Welle angeht: Kann ich mit leben, und finde es eher erstaunlich, dass Star Wars es nicht geschafft hat, diese verdammten Minions aus dem Bild der Öffentlichkeit zu verdrängen. Minions … überall Minions …
Daniel: Hatte ich Disneys CEO Bob Iger im Sommer falsch verstanden? “You’re going to see us release, in a very careful way, certain elements of the film as part of a carefully designed marketing plan as we get much closer to the film.” Aus Angst einer Übersättigung wollte man das Merchandise zum Film vorsichtig vermarkten. Von Vorsicht kann seit Force Friday, dem offiziellen Start der Marketing-Kampagne am 4. September 2015, keine Rede mehr sein. Disney Werbemacht hat uns Full Force getroffen. Die Amazon-Beschreibung von einem Star Wars-Puzzle verrät den Nachnamen von Finn und so weiter. Mittlerweile nervt selbst mich – als ein gefleischter Star Wars-Fan – dass jedes Produkt mit dem Sternenkrieg beworben wird. Vor allem muss gefühlt für jedes zweite Produkt der arme Darth Vader herhalten. Hat er nicht schon genug gelitten? Obwohl ich derzeit Star Wars: Battlefront spiele, werde ich mir sicher nicht jedes Spielzeug zulegen:
Benjamin: Aber jetzt mal das Ganze Drumherum beiseite geschoben: Was erwartet ihr euch von der Qualität des Films an sich? Ich persönlich glaube ja, dass viele Fans, die die Prequel-Trilogie verfluchen und jetzt auf die Rückkehr des “wahren” Star Wars-Feelings hoffen, enttäuscht werden könnten. Sicher, die altbekannten Fahrzeugdesigns erkennt man wieder, ebenso die ergrauten Ur-Charaktere. Aber letztere spielen für die Zukunft des Franchise wahrscheinlich nicht die allergrößte Rolle. Und ob Finn, Rey, Kylo und dieser neue Kugel-Droide beim Zuschauer das gleiche Gefühl auslösen wie 1977? Ein guter Film wirds sicherlich, aber es wird wohl tatsächlich wie beim Star Trek-Reboot von Abrams sein: Tolle, moderne Filme mit den selben Figuren und Designs wie damals, aber es fühlt sich doch ziemlich anders an als die klassische Star Trek-TV-Serie. Und so schön es ist, dass bis auf weiteres wohl jedes Jahr ein neuer Star Wars-Streifen ins Kino kommt (inkl. Solofilme) und es bestimmt auch eine oder mehrere Fernsehserien geben wird, so mehr verliert die Marke natürlich das Besondere.
Christian: Solofilme sind jetzt auch schon angekündigt? Ist das zu verstehen wie beim Marvel Cinematic Universe? Da sehe ich schon, wie in den nächsten Jahrzehnten darüber gestritten werden wird, was nun kanonisch ist und was nicht. Als spannend empfinde ich höchstens noch die Beschäftigung mit den frühen Comics und Romanen, als die Ausrichtung der Serie noch völlig unklar war und bei der Figurengestaltung noch völlig frei fabuliert werden konnte (siehe den frühen Jabba aus der ersten Adaption von 1977). Inzwischen ist alles so im Konsens und in haarsträubenden Entwicklungen festgezurrt. (Midi-Chlorianer im Blut, durch die man den Anteil der Macht nachweisen kann – geht’s noch? Da ist mir Jar-Jar Binks noch lieber.) Aber in einem muss ich Stefan recht geben: Star Wars gibt einfach immer einen Gesprächsstoff her. Die ursprüngliche Saga ist da schon sehr anregend. Aber wo soll die Saga noch hingehen? Wenn die Reihe sich ernst nehmen würde, dann wäre jetzt mal Schluss mit Sternenkrieg und es wär endlich mal Friede im Universum. Da erkennt man doch, dass die Reihe nur eine Hülse ist. Und damit bin ich erst mal weg. Ich muss jetzt endlich mal nachlesen, ob Martin Heidegger ein Sith-Lord war (Steht im Philo-Mag).
Benjamin: Mit Solofilme meinte ich die Anthologie-Filme, im kommenden Jahr Rogue One, danach dann der mit dem jungen Han Solo. Und im Gespräch waren auch mögliche Filme mit/über Yoda und dem Fanliebling Boba Fett. Außerdem hat man bei Disney zuletzt Interesse bekundet, möglicherweise eine Reihe TV-Serien im Stile der Marvel-Vorbilder bei Netflix zu lancieren. Insofern, ja, das Ganze wird über Jahre hinweg dauerhaft den Markt dominieren, analog bzw. parallel zum Marvel Cinematic-Universum. Man freut sich einerseits auf die Fülle an Stories, aber ist auch fast erschlagend. Nebenbei hab ich nie so ganz verstanden, warum Jar Jar so viel schlimmer als die Ewoks sein soll.
Alexander: Ich stimme Benjamin im Großen und Ganzen zu. Vermutlich wird die neue Trilogie „ordentlich“ werden, aber es ist meines Erachtens unmöglich ein so kultumwabertes Produkt wie die Originale noch in irgendeiner Art und Weise zu erreichen. Positiv überrascht bin ich von dem was man von Rey gesehen hat. Sollte es tatsächlich eine gute und überzeugende Frauenfigur geben? Und das gerade nach J.J.s eher wenig geschicktem Umgang mit dem Thema bei Star Trek? Einerseits wird mir die Werbung auch zu viel, andererseits kann ich mich gegen den verkitschten Charme (und Williams einmalige Musik) nicht wehren. Schon seit Monaten klötzel ich wieder mit kindlicher Freude Lego-Star Wars-Modelle zusammen und auch Star Wars Battlefront gefällt mir als eingängige Unterhaltung, die aber ohne die Franchise-Lizenz auch nur ein weiterer beliebiger Shooter wäre. Vermutlich wird Star Wars ein ewiges Generationending bleiben. Alle 10-20 Jahre gibt es was frisches und die Diskussionen über Kanon und Non-Kanon werden immer stärker. Ich denke man sollte es entspannt sehen und einfach hoffen dass auch für den persönlichen Geschmack etwas dabei ist. Hey Han-Solo-Solofilm, ich hätte hier noch n Platz in der Sammlung frei.
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