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Elfquest 1 & 2

„We are stardust“ sang Joni Mitchell 1969, „and we’ve got to get ourselves back to the garden“. Man kann diesen Text durchaus programmatisch für die Serie Elfquest sehen, selbst wenn Wendy und Richard Pini keine Hippies waren. Aber Elfquest entstand nur knapp 10 Jahre nach dem Woodstock-Festival, eine Sozialisation im Amerika der bewegten 1960er Jahren hat demnach nachweislich stattgefunden und der Geist von ’69 lag immer noch in der Luft. Dazu passt, dass Elfquest eine Independent-Produktion war und somit in Opposition zu den etablierten amerikanischen Comicriesen DC und Marvel stand – die damals freilich bei weitem noch nicht so riesig waren wie heutzutage.

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Alle Bilder © Wendy und Richard Pini, Popcom

Die Elfquest-Saga beginnt tatsächlich mit einer recht kosmischen Origin-Story. Auf der Suche nach einer Welt, in der sie leben können, landen die Vorfahren der Elfen mit einem prächtigen Palast auf der Erde. Eine erste Kontaktaufnahme mit den primitiven Menschen, die durch die Ankunft der Fremdlinge vom Himmel tief verstört sind, scheitert. Es fließt erstes Blut, es gibt erste Tote, Grund genug für eine Erbfeindschaft, die bis in die Gegenwart der Erzählung hineinragt.

Es ist ein mythischer Anfang, aber gerade diese Verschränkung von Mythos und erzählter Gegenwart verleiht der Elfenwelt von Anfang an eine große Tiefe. Dazu kommt die Gabe der Pinis zur präzisen und differenzierten Charakterisierung, die vor allem deswegen erstaunt, weil das Leben der Elfen direkt dem Hippie-Traum von einer idealen Volksgemeinschaft entspringt, die in Einklang mit der Natur lebt. Wendy und Richard Pinis Elfen sind nicht durch Zivilisation korrumpiert, sie verstehen die Sprache ihrer selbstgewählten Seelenverwandten, den Wölfen, sie können sich wortlos durch Gedankenübertragung verständigen und sie haben unterschiedlich ausgeprägte Talente, die sie perfekt zum Wohl der Kommune einsetzen können. Da gibt es Elfen, die magische Heilkräfte besitzen genauso wie Elfen, die das Wachstum von Pflanzen durch Gedankenkraft beschleunigen können. Dazu gesellt sich ein naturnaher Ahnenkult und freie Liebe. Eskapismus pur.

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Aber diese sympathischen Elfen haben auch Ecken und Kanten. Sie tun alles, um ihren Clan vor der feindlichen Außenwelt zu schützen – und sie können grausam sein. Zu Beginn der Handlung werden sie durch eine von Menschen verursachte Brandkatastrophe aus ihrem Wald zur Flucht gezwungen, was sie auf eine Odyssee in die Wüste führt. Als die Elfen dort ein weiteres Elfenvolk finden, ist der erste, dem Überlebenswillen geschuldete Impuls des Anführers Schnitter, diese fremden Elfen zu überfallen und sich das zum Überleben Nötige auf diese Weise zu sichern. Aber trotz dieses schlechten Einstands werden sich die beiden Elfenvölker bald näher kommen und Schnitter bei den neuen Nachbarn seine große Liebe finden.

Es ist die große Stärke der Erzählung, dass diese Elfen noch viel zu lernen haben. Beispielsweise, dass ihre Lebensweise nicht die einzig richtige ist und dass nicht alle Menschen böse sind. Als Schnitter und seine Elfen fünf Jahre nach der großen Katastrophe zum ersten Mal wieder Menschen treffen, kommt es zu einer dramatischen Szene. Jeder der Elfen würde, ohne auch nur mit der Wimper zucken, die menschliche Flüchtlingsfamilie samt den Kindern töten, um ihr Volk zu schützen. Aber die Menschen wissen etwas, was den Elfen nützlich ist, und so lassen diese zunächst die Menschen erzählen. Doch je mehr jene erzählen, desto mehr müssen die Elfen erkennen, dass auch der Mensch Gründe für sein Verhalten hat.

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Elfquest handelt in erster Linie von diesem langen Lernprozess der Elfen und von deren Suche nach anderen Elfenvölkern. Mehr und mehr verwischen dabei die Grenzen zwischen Gut und Böse. Selbst wenn es sich bei Elfquest  um waschechte High Fantasy handelt, mit Kriegern, Trollen, Zauberern und Heilern, und selbst wenn es zahlreiche typische Fantasy-Topoi gibt, die bemüht werden, so ist Elfquest doch eine der lebendigsten und realistischsten Fantasy-Reihen, die man sich wünschen kann. Zwar sind die Elfen durchaus idealisierte Figuren und Wunschprojektionen, aber sobald man ihre Wünsche, Sehnsüchte und Fehler genauer kennt, schrumpft ihr Nimbus schnell auf eine Größe, die zur Identifikation einlädt.

Dieser Sinn für das Menschliche ist es, was Elfquest auszeichnet, und er ist auch der Grund, warum es von den Pinis in den 70ern im Independent-Verlag herausgegeben wurde. Der Mainstream war schlichtweg noch nicht so weit, dass er mit epischen Erzählungen dieser Qualität hätte sinnvoll umgehen können.

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Die vorliegende Ausgabe von Popcom ist eine gute Gelegenheit, die Kernsaga zu einem günstigen Preis zu erwerben. Andreas C. Knigge hat dazu eine Neuübersetzung abgeliefert, die sich gut liest und dankenswerterweise die Figurennamen der gelungenen älteren deutschen Übersetzung beibehält. Der Schriftsatz unterscheidet sich deutlich vom Handlettering des Originals, ist aber dennoch gefällig. Das Schwarzweiß habe ich zunächst kritisch gesehen, da die vertraute Farbgebung früherer Auflagen sehr zur Charakterisierung von Orten beigetragen hat. So dominierte Blau in den Kapiteln, die im Blauen Berg spielen, Grün war Signalfarbe für den verbotenen Hain, mit Gelb waren Rückblenden hinterlegt, ocker waren die Szenen, die im Wüstenort Sorgenend spielen und weiß die Episoden bei den Schneeelfen. Diese schöne Verstärkung der Atmosphäre geht leider verloren. Außerdem ist die Bildgröße und damit auch die Schrift etwas klein geraten.

Wendy Pini selbst sagt aber, sie ziehe die Schwarzweiß-Version vor, da man die ursprüngliche Zeichnung besser sehe. In der Tat kommen viele Schraffuren erst in der Schwarzweiß-Fassung zu ihrem Recht und manche Bildkompositionen lassen sich erst im Schwarzweißen richtig würdigen, so dass jede der existierenden Fassungen ihren eigenen Reiz hat. Selbst wenn ich persönlich die Farbversion vorziehe, bleibt Elfquest auch in der Schwarzweiß-Fassung eines der besten Fantasy-Epen unserer Zeit.

Eine der besten amerikanischen Fantasy-Erzählungen. Vielschichtig und wegweisend.

Elfquest 1 und 2
Popcom, 2015
Text: Wendy und Richard Pini
Zeichnungen: Wendy Pini
Übersetzung: Andreas C. Knigge
348 Seiten (Band 1), 424 Seiten (Band 2), schwarz-weiß
Hardcover
Preis: je 22 Euro
ISBN: 978-3842011809 (Band 1), 978-3842011816 (Band 2)
Leseprobe

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