Vergesst Preacher, Invisibles, 100 Bullets oder Fables. Die wirklich visionären Titel des legendären Vertigo-Imprints von DC Comics kommen aus der zweiten Reihe. Damals, 1992 bis 1994, als der britische Autor Jamie Delano die Reihe Animal Man prägte, mag es noch so ausgesehen haben, als erzähle Delano uns von einem rückwärtsgewandten Hippie-Traum. Aber Delano und sein kongenialer Zeichner Steve Pugh lieferten visionäre Bilder und Themen, die in der Rückschau wie eine Vorwegnahme dessen wirken, was uns heute tagtäglich beschäftigt. Dabei haben die Figuren nicht mal Smartphones.
Viele denken, erwähnt man die Figur Animal Man, in erster Linie an Grant Morrisons stilprägenden Run von 1988 bis 1990, in welchem der Held ein Meta-Abenteuer zu bestehen hatte, das ihm bewusst werden ließ, dass er nur eine Comicfigur ist, die keinen Einfluss auf ihre Geschicke hat. Zwei Jahre später, als Jamie Delano die Reihe mit der Nummer 51 übernahm, war diese Erkenntnis längst wieder kassiert und Animal Man der ganz gewöhnliche Superheld von der B-Liste. Von der glücklichen Baker-Familie, die während Morrisons Run und auch bei anderen Autoren stets der sichere Heimathafen war, sollte nach Jamie Delanos Tour de Force jedoch nichts mehr übrig bleiben.
Uncle Dudley’s Poison
Und nun zum Inhalt: Die Baker-Familie zeigt schon zu Beginn der Handlung Tendenzen einer Zerrüttung, denn der pubertierende Sohn Cliff hat die Familie verlassen, um bei seinem Onkel Dudley, einem Filmemacher und passioniertem Jäger, zu leben. Der jedoch korrumpiert den Jungen von Anfang an. Dudley überzeugt Cliff davon, dass einzig der Tod auf der Welt Wert und Bestand hat. Er senkt systematisch die Hemmschwelle des Jungen, Tiere grausam zu töten und lehrt ihn, keine Empathie gegenüber gequälten Tieren zu empfinden. Zusätzlich versorgt er den Jungen auch mit krassen Horrorfilmen und Büchsenbier – erst später wird Cliff erfahren, dass Onkel Dudley auch ein Serienkiller ist und mindestens einen Snuff-Movie gedreht hat.
Zwar gelingt es Buddy Baker, Cliff aus den Fängen dieses Todeskings zu befreien (Animal Man #51 bis 56, „Flesh and Blood“), doch bleibt der Junge von den Erlebnissen nicht unberührt. Fortan ist er der verrohte Gegenpol im Clan der Bakers, die sich allesamt längst für ein tierfreundliches, veganes Dasein entschieden haben – abgesehen von Buddys Schwiegermutter Mary, die als echte Bäuerin in Tieren vor allem den Nutzwert sieht und in deren Augen Buddy Baker, Superheld hin oder her, ein Spinner ist.
Ellen, Buddys Frau, leidet an ihrer Familie. Zwar liebt sie ihren Buddy, doch entfremdet sie sich zunehmend. Die Entfremdung nimmt ihren Anfang, als Buddy stirbt. Er wird von Onkel Dudley bereits im ersten Heft mit voller Absicht überfahren. Die tiefe Trauer um den Geliebten bekommt einen Riss, als Buddy, der als Superheld auch nach dem Tod noch in der Lage ist, mit dem allumspannenden Life-Web in Verbindung zu treten, versucht, sich in seinen verunstalteten Körper zurückzukämpfen. Als Zombie in der Leichenhalle gelingt es ihm jedoch lediglich, seine Frau noch zusätzlich zu traumatisieren, hilfreich sind seine Versuche, sich ins Leben zurückzukämpfen, dagegen nicht. Daher nutzt er seinen Zugang zum Life-Web, von dem sich der Mensch längst entfremdet hat, um sich auf einer aberwitzigen Reise durch die Nahrungskette in immer höheren Lebensformen zu materialisieren, bis er letztlich als monströser Naturgott zurückkehrt. In dieser Form erst ist es ihm möglich, Cliff von Dudley zu befreien. Später gelingt es Buddy auch, seine menschliche Gestalt wieder zurückzugewinnen (auf die magisch-pseudowissenschaftlichen Ausführungen sei hier verzichtet) und dennoch hat sich danach etwas im Gefüge der Familie verschoben: Ellen kennt nun die Monstrosität unter der Fassade ihres schönen, blonden Ehemanns, und bald ist sie auch von ihrer Tochter Maxine entfremdet, die dank noch nicht ausgereifter Superkraft etwas verhaltensauffällig ist. Auch die schlimmen Erfahrungen ihres Sohnes, der nun voll zu pubertieren beginnt, nagen an ihr. Ellen fängt nun auch das Rauchen an. Man braucht schließlich ein Ventil. Trotzdem bemüht man sich um Normalität.
„Defy to belong here“
Als Ellen für ein paar Tage nach New York geht, um sich mit Leuten aus ihrem Kinderbuchverlag zu treffen, macht Buddy Baker während dieser Zeit die Erfahrung, dass man leichter einen Sack Flöhe hütet als seine beiden ganz speziellen Troublemaker. Maxine befreit mal eben die Tiere aus einem Zoogeschäft, Cliff hilft ihr dabei. Schlimme Dinge hingegen widerfahren Ellen Baker in der großen Stadt: Mike, der Partner ihrer Feundin Juliet, wird sexuell übergriffig, als Juliet die beiden, wohl wissend, was passieren könnte, alleine in ihrem Appartment lässt. Zwar weiß Ellen sich zu helfen, doch verstrickt sie sich nun in einem ganz eigenen Dschungel, in dem Männer sich nehmen, was sie wollen und Frauen hilflos dabei zusehen. Ohne Unterkunft in einer schlechten Gegend trifft sie auf ihrer Suche nach Hilfe auf korrupte Polizisten, die in Prostitution verstrickt sind und kein Interesse daran haben, Freund und Helfer zu sein. In diesem Dschungel toxischer Männlichkeit findet sie Rettung bei den „Sisters of No Mercy“, einer Gruppierung radikalfeministischer Lesben. Dort lernt sie Sarah kennen, eine Anwältin, einst unehrenhaft aus der Army entlassen wegen „moralisch abwegigem“ Verhalten. In späteren Heften wird Ellen mit Sarah eine Beziehung eingehen, zwar ohne sexuelle Intimitäten, aber dennoch innig.
Dann ist da Myra, eine gesuchte Mörderin, die ihrem Mann, der sie 15 Jahre lang misshandelt hatte, die Kehle durchgeschnitten hat, sowie Selene, Myras afro-amerikanische Liebhaberin. Die Gruppe ist der Terrorgruppe „Jennifer“ aus der Fernsehserie Dietland (AMC, 2018, dt. auf Amazon Prime) nicht unähnlich. (Die Mitglieder von „Jennifer“ griffen auf ihrem Krieg gegen toxische Männlichkeit und Pornografie zu wahrhaft drastischen Mitteln). Gemeinsam mit der transsexuellen Honey – in Animal Man #59 heißt es, dass sie in einer gerechteren Welt ein Star hätte sein müssen – schreiten die Sisters zur Attacke gegen Mike, Ellens Angreifer, über dessen Verbindungen zu Unterwelt, Polizei und Politik wir inzwischen längst Bescheid wissen. Dieser wird – heimlich – durch Drogen gefügig gemacht und dann dabei gefilmt, wie er die eindeutig als transgender erkennbare Honey an sich gewähren lässt und Geschlechtsverkehr mit ihr hat. Erpressung bleibt als einziges Mittel, sich vor der Rache solcher Typen sicher zu sein.
Es ist interessant, dass Jamie Delano diese New-York-Story just mit dem ersten Heft beginnt, welches unter dem neu geschaffenen Vertigo-Imprint erscheint. Denn obwohl bereits die Story um Uncle Dudley an ältere Leser adressiert war, zeigt sich erst mit Ellens New-York-Abenteuer das Potenzial einer Serie, deren Bezug zu ihren Mainstreamwurzeln völlig gekappt wurden. Delano nimmt das Motto „Vertigo“ (deutsch: „Schwindel“) durchaus wörtlich und zieht der Serie den Boden unter den Füßen weg. Die Polizei ist fortan kein Freund und Helfer mehr, die Familie kein sicherer Hafen, Frauen definitiv keine „Damsels in Distress“, und das Gesetz schützt nicht vor Willkür, sondern dient zum Machterhalt. Die einzige Möglichkeit, anständig zu bleiben ist fortan, nicht mehr mit dem System verstrickt zu sein. Die „Sisters of No Mercy“ beziehen gerade daraus ihre Integrität. Die Baker-Familie wird von nun an ebenfalls nach außerhalb streben und sich vom gesellschaftlichen Mainstream zunehmend abwenden.
Point of no Return
Wir sind jetzt bei Animal Man #60, und noch hat Ellen ihre Familie nicht verlassen. Das wird erst in einem späteren Heft passieren passieren, nachdem sie ihre Tochter sehenden Auges hat sterben lassen, die Spitze des Eisbergs in einer Reihe desaströser Entwicklungen. Aber der Reihe nach.
Zunächst einmal ist Ellen ziemlich stolz auf sich, dass sie ihre Probleme ohne ihren Buddy lösen konnte und dass sie so interessante Freunde gefunden hat. Sie erzählt ihrer Mutter Mary auf eine Art und Weise davon, als wäre es ihr Coming-Out. Die Mutter ist konsterniert, aber auch lebensklug genug, zu akzeptieren, dass Ellen ihr eigenes Leben lebt, den Rest erledigt die alltägliche Routine. Aber zuerst machen die Bakers noch einen gemeinsamen Strandurlaub – gibt es ein größeres Familienklischee? Getrübt von Plastikmüll und Industrieabfällen sowie der Tatsache, dass die Bakers eben nie ein ganz normales Leben auf die Reihe kriegen, mündet auch dieser Trip schleichend in einen Albtraum, als die Tiere der Gegend sich urplötzlich gegen die Menschen richten. Zwar hat auch Buddy Baker die Gabe, das Life-Web und die Tierwelt zu beeinflussen, aber in diesem Fall ist die alleinerziehende Annie verantwortlich, die mit ihrer Tochter Lucy in einem Trailer wohnt. Mehr kann sie sich nicht leisten, seit ihr Ehemann im Knast sitzt. Der hat ein Attentat auf das örtliche Kraftwerk verübt, das die Gegend verseucht. Die Tochter leidet wegen der Verseuchung an Blutkrebs. Annies Wut ist grenzenlos und triggert das Life-Web. Als es den Bakers dennoch gelingt, Annies Wut zu besänftigen, entlädt sich die aufgestaute Spannung in einem Tsunami und löst sich schließlich in Wohlgefallen auf. Aber die Natur hat die Muskeln spielen lassen und uns daran erinnert, dass ein Menschenleben der Natur nichts wert ist – und ohne Menschen wäre alles besser.
Annie und Lucy siedeln sich an der Baker-Farm an, später stoßen auch Myra und Selene von den „Sisters of No Mercy“ dazu, so dass das Baker-Anwesen in der ganzen Umgebung als Ort von Freaks gesehen wird, den man besser meidet. Die Baker-Kinder bekommen nun ebenfalls Probleme, da sie von den Mitschülern nicht akzeptiert werden. Als Ellen von der Schulleiterin zu einem Gespräch gebeten wird, eskaliert die Situation. Ellen fühlt sich persönlich angegriffen und nimmt die Kinder von der Schule. „Kommt, Kids. Holt eure Drogen und Waffen aus den Schließfächern. Wir sind raus hier.“ Cliff findet die Sprüche seiner Mutter sehr lässig, aber der Katzenjammer kommt bald, denn schon am Abend erzählt Ellen Buddy, dass sie inzwischen fürchtet, den Point-of-no-return überschritten zu haben. Aber die Bakers geben sich selbst untereinander die Kraft, ihren Weg unbeirrt weiterzugehen.
The Future, buried
Nun beginnt eine seltsame Phase in der Entwicklung der Bakers. Die kleine Maxine Baker, die einen unheimlichen Einfluss auf Tiere hat, sendet einen Ruf an alle Zootiere der Umgebung aus, dass sie sich ansiedeln mögen an der Arche der Bakers, wo sich so sehr um das Wohl der Tiere gesorgt wird. Die Tiere, groß und klein, folgen dem Ruf gerne. Dann kommt die Polizei, verstärkt durch eine Spezialeinheit, dem „Department of Biologically Enhanced Criminality and Eco-Subversion“. Die Leiterin der Operation, Ray Dillinger, lässt die Situation schnell zum Kleinkrieg eskalieren. Sämtliche Tiere werden erschossen, Maxine wird beim allumfassenden Chaos von Hunden in ein Erdloch gehetzt. Buddy Baker gelingt es zwar, sein Kind zu retten, doch ist Maxine danach nicht mehr das fröhliche Kind ,sondern nurmehr ein Schatten ihrer selbst. Sie redet nicht mehr, kann nicht mehr alleine essen und macht sich schmutzig. Der Zustand des Kindes führt die Bakers an den Rand der Verzweiflung.
Der Hass auf die Polizei, die ihnen diese Situation eingebrockt hat, wird einige Tage später etwas abgemildert, da gerade der örtliche Sheriff, der bei der Tierjagd nur beteiligt war, weil er musste, sich als zutiefst freundlicher Mensch erweist. Als Cliff einen Fahrradunfall hat, ist es dieser Sheriff, der die Mauer der Bakers durchbrechen kann. Seine bodenständige Art, seine Freundlichkeit und sein tiefer christlicher Glaube sind so grundlegend, dass selbst die antiautoritären, atheistischen Bakers in ihrer grundsätzlichen Ablehnung der amerikanischen Gesellschaft vorübergehend entwaffnet sind. Buddy lernt – durchaus widerwillig – dass dessen bodenständige Spiritualität seiner Pan-Spiritualität sehr nahe ist.
Nun wird es etwas kitschig: Evelyn, die Frau des Polizisten, kann durch Handauflegen heilen. Doch obwohl sie Cliffs gebrochenes Bein schnell richten kann und auch Lucy von ihrer Leukämie befreit, hat sie keine Chance, zu Maxine durchzudringen. Es scheint, als wäre an dem Mädchen nichts Menschliches mehr. Diese Information ist wichtig, um nachvollziehen zu können, weshalb Ellen Baker ihr Kind von nun an abstößt. Oder vielmehr: Es ist ein Zugeständnis an den Leser. Eine Mutter, die ihr Kind sterben lässt, wäre wohl selbst für einen Vertigo-Comic zuviel gewesen. Nun aber bekommen wir als Leser eine kleinen Strohhalm, an den wir uns klammern können. Es war nicht nur eine Wahnvorstellung der Mutter, dass das Kind „nicht ihr Kind“ sei und „kein Mensch“. Dennoch ist die Vorstellung beklemmend genug: Als Maxine Baker mitten in der Nacht in einen Schneesturm taumelt, sieht Ellen ihr zu und schreitet nicht ein. Später eilen Buddy Baker und Cliff in den Sturm und finden das tote Kind. Vögel haben ihr bereits die Augen ausgepickt.
Erst schiere Verzweiflung, dann Trauerarbeit und Begräbnis. Obwohl Buddy versucht, seiner Frau gegenüber verständnisvoll zu bleiben, zieht nun Ellen die Konsequenz. Sie kann mit dem, was sie getan hat, nicht länger Teil der Familie sein und schließt sich den „Sisters“ in New York an.
Bei aller Getragenheit, in der diese Geschichte erzählt wird (Animal Man #67 bis 70), vergisst man fast völlig, dass es eine zweite Ebene der Erzählung gibt, welche die Geschehnisse deutlich abmildert. Tatsächlich handelt es sich bei dem gestorbenen Mädchen nämlich um einen Doppelgänger, während die echte Maxine von einem sprechenden Hasen verführt wurde, in ein Märchenland mitzukommen. Maxine hat nach bester kindlicher Manier unter Anleitung des Hasen einen Doppelgänger zurückgelassen, damit die Eltern sich keine Sorgen machen. Sie konnte ja nicht ahnen, was sie damit anrichtet.
Der Grund für diese märchenhafte Volte, die so gar nicht zur düsteren Haupterzählung passt, findet sich in der alles überlagernden Dimension der Leser und Comicproduzenten in der „wahren“ Welt. Ein knappes Jahr, nachdem Vertigo-Comics 1993 erstmals vom Stapel ging, sollte ein serienumspannendes Crossover namens „The Children’s Crusade“ maximales Interesse bei den Lesern wecken. Auch Jamie Delano war, glaubt man den Bekundungen des Herausgebers Lou Stathis, für diese Maßnahme. Tatsächlich hat er die Verwirrungen, die dieses Crossover in seiner Animal-Man-Erzählung erzeugt, mit maximaler Kreativität in seinen Haupt-Erzählstrang mit eingeflochten. Für „The Children’s Crusade“ war es notwendig, dass Maxine für die Dauer von ein zwei Heften in eine Parallelwelt verschwindet, in der sich alle Kinder des Vertigoverses zu einem gemeinsamen Abenteuer treffen. Das hat Delano auf die Idee der Maxine-Doppelgängerin gebracht. Mit dieser Doppelgängerin, die so wirkte, als wäre sie das reanimierte Kind aus Stephen Kings Friedhof der Kuscheltiere, konnte Delano seine Comicfamilie in ein existenzielles Elend stürzen, das im Mainstream-Comic nahezu ohne Beispiel war, während der Leser sich bei der Lektüre dennoch in einer gewissen Sicherheit wiegen konnte, dass alles vielleicht noch gut werden könnte. Und doch fühlt man in jedem Panel mit den Bakers und kann nachvollziehen, warum Buddy sich, fast krank vor Wut und Trauer, in den Arm beißt. Zum Ende von Animal Man #70 kommt aber dann die gnädige Auflösung: Maxine kehrt aus „Free Country“, dem Kinderland, zurück und weiß gar nicht, was alle haben. Zu diesem Zeitpunkt jedoch ist Ellen längst bei den „Sisters“ und Buddy hat sich bereits in ein schreckliches Monster mit Adlerkopf verwandelt, um das Ende der Zivilisation einzuläuten. Die Familie ist – erst mal – futsch.
„We’re not gonna take it!“
Als geflügelter Dämon, der nicht nur bibelgläubigen Amerikanern sofort das Blut in den Adern gefrieren lässt, schreitet der Animal Man zum letzten Akt seiner Mission. Er ruft die Vögel, die Ratten und anderes Getier in Washington D.C. zusammen, um einen Schlussstrich zu ziehen. Dann jedoch erhält er einen Anruf, dass Maxine noch lebt, und auf einmal sieht Buddy doch noch Hoffnung für die Menschheit. Und dann beginnt der Medienzirkus.
Das Monster und das Mädchen starten einen Kult, die „Life Power Church of Maxine“ und werden zum Magnet für Jugendliche und Dropouts. Der Kult geht auf Tournee durch Amerika, eine Band ist auch dabei, und sorgt für einigen Wirbel, doch obwohl in dieser Zeit das Life-Web in die Träume der Menschen ausstrahlt und die Massen bewegt, ist unklar, was das Ziel der Reise sein soll. Und auch reaktionäre Kräfte wetzen die Messer. Ein besorgter Vater folgt dem Trail mit einem Gewehr, um seinen Sohn zurückzuholen, der im Rausch der Bewegung Fernseher und Auto zerstört hat, und auch Ray Dillinger, die man bereits vom „Department of Biologically Enhanced Criminality and Eco-Subversion“ kennt, hat noch einmal einen großen Auftritt. Sie hat den Auftrag, die Bewegung zu infiltrieren und einen Anschlag auf Buddy zu verüben.
Die letzten Animal-Man-Hefte von Jamie Delano bieten noch einmal großes Storytelling, da Delano endlich auch Figuren außerhalb der Baker-Blase sprechen lässt. Ray Dillinger entwickelt sich in dieser Phase zur interessantesten Figur und heimlichen Heldin der Erzählung. Als die Bewegung zunehmend den Bezug zur Realität verliert und nicht in der Lage ist, eine tragfähige Vision zu entwickeln, ist sie es, die mit ihren Selbstzweifeln den Human Touch in die Serie zurückbringt. Hier sehe ich auch die große Qualität in Jamie Delanos Erzählansatz. Einerseits orientieren sich seine Geschichten größtenteils an progressiven Figuren und Themen, andererseits ist er aber auch in der Lage, die menschliche Fehlbarkeit zu thematisieren und die Abgründe sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bewegung herauszuarbeiten.
Jamie Delano hat für einen Erzähler das beste Menschenbild, das man sich als Leser nur wünschen kann. Es geht davon aus, dass nichts, was ein Mensch erreicht, objektiv gesehen, einen Wert von Dauer hat. Und doch ist der Mensch das einzige Wesen, das die abstrakten Größen „Sinn“ und „Bedeutung“ überhaupt benötigt und ohne diese nicht existieren kann. Geht man in die Köpfe jedes beliebigen Menschen hinein, so ergeben sich unendlich viele Varianten von Sinn und Bedeutung. Jamie Delano ist beispielhaft in der Lage, diese subjektiven Vorstellungen zu aktivieren, gegebenenfalls aber auch aus diesen herauszutreten und die sinnlose Außenwelt hervorzuheben. Am Ende ist es am Leser, den Sinn zu suchen und nicht an der Perspektivlosigkeit festzuhalten. Anregungen liefert Delano genug.
Das macht ihn zu keinem besseren Erzähler als beispielsweise Alan Moore, der in seinen großen abgeschlossenen Werken ebenfalls oft multiperspektivisch arbeitet. Was ich an Delanos Arbeiten an Heftserien aber sehr schätze, ist sein unstetes Improvisationstalent. Weder bei seinem Hellblazer, noch bei seinem Animal Man war, als es losging, bereits ein klar definierter Schluss vorgesehen. Delano tastet sich durch die Welt, die ihm zur Verfügung steht, arbeitet kreativ Vorgaben ein, die ihm von außen nahegelegt werden und gelangt damit an Orte, die ihn selbst überrascht haben könnten. Delanos Geschichten sind wahrlich wild.