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Währenddessen… (KW 2)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Christian: Neulich hatte ich den schönsten Traum. Ich hörte darin einen Podcast mit einem Sprecher-Duo, bei dem sich ständig einer verhaspelte oder Blackouts hatte, die dann der andere mit Mühe überbrücken musste. Irgendwie schien das aber nicht zu stören, weil keiner erwartete, dass es perfekt sein musste. Die Haltung musste stimmen.

Warum dieser Traum so schön war? Weil er meine Selbstzweifel verarbeitet, die ich wegen meines Beitrags zur großen Yay-Comics-Gastbeitragsgala hatte, in der ich einen Siebenminüter über C.S. Lewis und Philipp Pullman einsprach. Das ist es, wozu man Träume braucht: Sie greifen Bedenken und Sorgen auf und drehen sie solange in deinem Kopf, bis sie sich gut in die Gesamtbiografie integrieren. Es macht Klick wie bei einem Legostein, und siehe da, auf einmal ist das was stört, gar nicht mehr so groß.

Jedenfalls noch einmal danke an die Kollegen von Yay-Comics, dass ich mitmachen durfte. Es war mir eine große Ehre, mich in dem für mich so fremdem Medium ausprobieren zu dürfen. Klare Empfehlung, sich mal die schönen Podcasts von Yay-Comics anzuhören. Was ich über Philipp Pullmans His Dark Materials erzähle, war ursprünglich als Beitrag für unser Währenddessen gedacht – und ja, auch ein Comicbezug ist drin.

Yay-Comics – Die große Gastbeitragsgala!

P.S.: Auch Kollege Stefan Svik ist dabei und erzählt über seine Erfahrungen bei einem Zeichenlehrgang mit Flix.

 

 

Niklas: Vor zwei Jahren wurde ein gewisser Mann in einem gewissen Staatenbund in eine gewisse Position gewählt. Dementsprechend deprimiert, war ich für den Rest des Tages bedient und lenkte mich mit dem Rollenspiel Tyranny von Obsidian Entertainment ab. Passenderweise ging es darum, den Handlanger des bösen Herrschers Kyros zu spielen, der kurz davor steht, den ganzen Kontinent zu unterwerfen. Nach dem Kauf des umfangreichen Download-Content Bastard’s Wound hatte ich mal wieder Lust auf eine kleine Partie und war bereit, in das antike und sehr düstere Szenario des Spiels zurückzukehren. Tyranny orientiert sich an Spielen wie Baldur‘s Gate 1 und 2 und die Obsidian-Serie Pillars of Eternity (Währenddessen-Beitrag). Als Anführer einer Gruppe von vier Leuten prügle ich mich also mit Menschen und Monstern um die Vorherrschaft von vier Reichen. Da ich ein Anhänger Kyros bin, stehe ich so gut wie sicher auf der Siegerseite.

Wenn es nicht zwei kleine Probleme gäbe:

  • eine nervtötende Gruppe von Rebellen leistet immer noch Widerstand.
  • die beiden Heerführer, die sich um den Aufstand kümmern sollen, bekämpfen sich lieber gegenseitig und es ist kein Ende in Sicht.

Mithilfe eines Spruches, der jeden im Tal töten wird, sollte die Rebellion nicht in wenigen Tagen zerschlagen werden, sollen sie zur Zusammenarbeit gezwungen werden. Leider betrifft das auch mich. Schöner Mist. Also bleibt es an meiner Figur, für Ordnung zu sorgen, wo sich der Rest der Welt doch als inkompetent erweist. Nichts und niemand wird mich aufhalten. (Schade, dass es im echten Leben nicht so einfach ist.)

Tyrannys große Themen sind Macht und die Dekonstruktion des charismatischen Anführers in vielen Fantasygeschichten. Zwar führen mindestens drei Halbgötter die Truppen des gesichtslosen Herrschers an, aber die werten Herren setzen sich aus einem militaristischen Rassisten, einem schizophrenen Wahnsinnigen und dem paragraphengeilen Avatar des imperialen Gesetzes zusammen. Jeder einzelne von ihnen erliegt den eigenen Beschränkungen, was bei Wesen mit totaler Macht katastrophale Folgen hat. Die alten Strukturen erweisen sich also als korrupt, die beste Lösung wäre also eine organisierte Rebellion aller Unterdrückten, richtig? – Falsch!

Zumindest am Anfang! Denn die unterworfenen Königreiche haben ihre eigenen Vorurteile und Privilegien, die sie nicht bereit sind, aufzugeben. Bedenkt man, dass alle Parteien aus gewaltbereiten Kriegerstaaten bestehen, wird die Idee des vereinten Imperiums schon wieder schmackhaft. Das ist auch die Falle, in die man im Verlauf der Handlung immer zu treten droht: Es ist so einfach, einem der Kriegsherren zu folgen, um die imperiale Ordnung in den umkänpften Landen zu etablieren. Es ist einfach, Kyros weiterhin zu folgen, da seine (oder ihre) Macht erdrückend ist und das Reich so kurz vor dem Sieg steht. Es ist einfach, aufzugeben und die Rebellionen kaltblütig abzuschlachten, da meine Spielfigur zwar unglaublich mächtig werden kann, aber letztendlich auch nur ein Kriegsherr von vielen ist. Und meine Feinde haben die größeren und besser ausgerüsteten Armeen.

Tyranny überlässt es mir, ob ich den einfachen oder den harten Weg wähle, ob ich den bekannten Übeln zur Macht verhelfe oder ob ich den Mut habe, mich gegen etablierte Systeme zu stellen. Dabei werde ich es auch nie allen anderen recht machen können und trotzdem werden eine Menge Menschen wegen der Konsequenzen meiner Entscheidungen leiden. Aber das werden sie sowieso. Am Ende ist es einfach, selbst zum Tyrannen zu werden, wenn man die schnellste Lösung für sein Problem sucht.

Diese philosophischen Fragen sind es, die für mich den größten Reiz von Tyranny ausmachen und die Entscheidungen um meine Wahl des richtigen Herrschers (ich) sind das Hauptthema der meisten Dialoge. Viele Nebenaufgaben gibt es nicht, Tyranny konzentriert sich größtenteils auf seine Handlung, die kurz aber knackig ausfällt. Nicht eine Quest ist verschwendet und es wird darauf geachtet, mir viele Möglichkeiten zu geben, entweder mit List oder Gewalt mich meiner Feinde zu entledigen. Mit vier möglichen Pfaden ist der Wiederspielwert auch gesichert, vor allem da jede Partei trotz fragwürdiger Ideologien komplex und interessant ist.

Das gilt auch für meine sechs Begleiter, eine reizende Schweinebande aus Mördern und Oppurtunisten, die mir trotzdem irgendwie ans Herz gewachsen ist. Denn leider erweist sich die psychopathische Berserkerin als wirklich gute Freundin, sobald sie einen ins Herz geschlossen hat und mein Heiler mag zwar ein Feigling und Verräter sein, aber seine Gründe sind nachvollziehbar und er selbst ist mir loyal, sobald er mir vertraut. Vielleicht mache ich es mir auch da zu einfach, wenn ich anfange, eine Menschenfresserin und einen rassistischen Elitekrieger als Freunde meiner Figur zu sehen, obwohl ich sie aus moralischer Sicht alle entsorgen müsste. Aber das würde den Schwierigkeitsgrad nur unnötig erschweren. Außerdem brauche ich Leute, denen ich beim Aufbau meines Regimes vertrauen kann. Da drückt man bei kleinen Charakterfehlern noch ein Auge zu. Es ist einfacher so.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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