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Währenddessen… (KW 17)

Christian hat sich o.k. von Michael Verhoeven angesehen.

(C) Film Museum München. Im Bild: Hartmut Becker, Eva Mattes und Friedrich von Thun

Christian: Michael Verhoevens o.k. war lange eine Art heiliger Gral des deutschen Films, ein verbotenes Meisterwerk im Giftschrank, das lange Zeit nur Filmspezialisten vorenthalten war. 2020 ist der Film als 117. Veröffentlichung der Edition Filmmuseum der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht worden. Schön, dass Regisseur Michael Verhoeven das noch miterleben durfte. Er starb letzte Woche am 22. April im Alter von 85 Jahren.

o.k. lief 1970 als Beitrag zur Berlinale, wurde aber aufgrund der vermeintlich antiamerikanischen Botschaft vom damaligen Jury-Präsidenten George Stevens abgelehnt, der den Film „hate-filled“, „cheaply-made“ und als „no material for a festival selection“ empfand. Die Zensur des Films entstand allerdings aus einer Gemengelage von peinlich berührten Jury-Mitgliedern und dem Druck auf sämtliche Festivalteilnehmer, sich dazu positionieren zu müssen. Der folgende Eiertanz wurde von vielen Seiten unsouverän geführt und führte schließlich zum Abbruch der Berlinale. Danach floppte o.k. in der Kinoauswertung und verschwand lange in der Versenkung. 1989 hat Brian de Palma die Story des Films, die von der Vergewaltigung und Ermordung eines vienamesischen Mädchens durch vier amerikanische Soldaten handelt, neu verfilmt (als Casualties of War, dt. Die Verdammten des Krieges), diesmal in „authentischem“ Setting, nicht der Brechtschen Verfremdung, in der Verhoeven die Story mit tatsächlich billigen Mitteln im bayerischen Hinterland runtergekurbelt hat.

Sehe ich den Film heute, so kann ich nachvollziehen, dass es ein enormes Politikum war, wenn 25 Jahre nach der Befreiung Deutschlands den Amerikanern in dieser Form die Leviten gelesen wurden. Aber diese Kritik hat sich abgenutzt und ist nicht länger der zentrale Kern des Films. Was dagegen immer noch ins Mark fährt, vielleicht heute stärker als früher, ist der Spiegel, den der Film uns Deutschen vorhält, vielmehr der deutschen Sauf-, Kartel- und Kerwakultur, denn die Sprüche, die die fünf deutschen G.I.s im Lauf des Films so abledern, die kennt man von der Wiege her, typische Bundeswehrsprüche, die man entweder als Wehrpflichtiger so erlebt hat oder so ähnlich im Sportverein oder ähnlichem erzählt bekommen hat. Typen, die es lustig finden, auf dem Spind zu sitzen und erst dann da runter dürfen, wenn das letzte Bier alle ist, die den Spind eines Kameraden „würfeln“, also mal eben um 180° umdrehen, wenn der Kamerad nicht so spurt, wie er sollte, und die beim Maßbandsaufen im hohen Strahl in die Dusche reiern, weil das mit dem Alkohol so lustig ist.

Der Film o.k. handelt von einem kleinen Trupp, in dem jeder irgendwie gerne auf jedem rum hackt, wo aber jeder auch eine Chance sucht (und findet), sich dann doch zu profilieren. Da gibt’s den bauerschlauen Simpel, der den einzigen Preußen (Saupreiß) auf dem Kiker hat, weil der so seltsam spricht, und alle mobben artig mit, weil das so schön zusammenschweißt, aber dann spielt man – alle Differenzen beiseitegefegt – miteinander Karten und hackt jetzt unisono auf dem einzigen rum, der kein Schafkopf spielt, sondern lieber ein Buch liest. Später gehen wiederum alle auf den bayerischen Simpel los, weil der so einen seltsamen Kommunistenschnauzer trägt – und überalledem steht der Sarge, der manchmal kumpelhaft tut, aber unhinterfragte Weisungsbefugnis bis hin zur Willkür hat. Die Dialoge bestehen aus ewigen Frotzeleien, Belehrungen und pedantischem Abfragen von Soldaten-Lehrsätzen.

Als sie das von Eva Mattes gespielte fahrradfahrende Mädchen stellen, schikanieren sie sie zunächst mit Fangfragen, aus denen sie nicht rausfindet und beißen sich gerade deswegen an ihr fest, weil keiner sich die Blöße geben will, zu lasch zu sein. Also fragen sie das Mädchen, Mao, nach den Eltern, danach, wie oft sie zur Kirche geht, was sie zuletzt gebeichtet hat und weiten so stetig den Spielraum aus, der die Grenzüberschreitung leichter und lässlicher wirken lässt. Auf die Frage, was sie gesucht hat, witzelt der erste „hast Eier gesucht“ und der zweite „die kannst bei uns a suchen“ – und so landen wir schnell bei standardisiert-durchsexualisierten Verhaltensweisen, die in diesem Fall in die Vergewaltigung münden (Sarge: „Geh zier di net so, machsd es bloß schlimmer“), dann zur Massenvergewaltigung (der Simpel: „Ez hobd ihr, ez mechert i a drüber.“) und am Ende Mord, als der Sarge die Verantwortung übernimmt und das Mädchen ersticht (im Punisher-Comic „Born“ macht sowas Frank Castle – nur damit mal klar ist, was teils im Mainstream-Comic abgeht).

Das Perfide: die G.I.s reden die ganze Zeit wie die Kerwabuam vom Land und sind ähnlich vom Habitus. Alte Bierzelt-Gassenhauer kommen fast zwangsläufig in Erinnerung gebracht – Donaustrand, mei Vater is Metzger, trullala, Zwetschgen sind koa Pflaumen – und man fragt sich, gibt’s denn gar keine schönen Lieder? Als Kartenspiel ist Schafkopf mit der Hundsgefickten und der Eichel das Spiel der Wahl, dazu tausend Codes, die nur der Eingeweihte versteht, und schon bald ist klar: diese Kultur ist immer doppelbödig. Entsprechend wird der Skandal gegen Endes des Films dann auch aufgearbeitet, als der einizige Aufrichtige der Gruppe – leider etwas anmaßend von Michael Verhoeven selbst gespielt – bei der Wehraufsicht Beschwerde einleitet. Dort interpretiert der diensthabende Captain (Gustl Bayerhammer) das Geschehene als aus dem Ruder gelaufen, gibt aber den väterlichen Rat, die Sache nicht weiter zu verfolgen. Schließlich sei Krieg, außerdem seien die Täter mit ihrem schlechten Gewissen sowieso gestraft genug.

Aber der Spiegel, der uns biertrinkenden Wirshausbayern vorgesetzt wird, wo doch die Täter in exakt dem Duktus sprechen, den wir von klein auf kennen, der trifft ins Mark. Michael Verhoeven hat mitnichten nur den Amerikanern ans Bein gepinkelt. Das war ein Rundumschlag. Der hat gesessen.

 

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