Sieht so aus, als wäre bei Comicplus seit einiger Zeit der goldene Herbst des Verlags angebrochen. Experimente waren beim Verlag Sackmann und Hörndl ja schon immer die Ausnahme, eher gab man sich als bodenständige, verlässlichere Variante des Carlsen-Verlags, wie er in den 1980er Jahren aufgestellt war, bevor dort die Zeit der Unruhe und der Experimente losging. In den letzten Jahren haben die Verleger den Output an Neuzugängen in ihrem Programm spürbar gedrosselt, stattdessen setzt man auf hochwertige und repräsentative Zweitauswertungen bewährter Serien in Form von Gesamtausgaben. Dennoch gibt es nach wie vor auch Neuerscheinungen, siehe das vorliegende Unterwegs. Daniel Ceppis Serie ist in Teilen schon in den bereits erwähnten 80er Jahren bei Carlsen erschienen, nun soll bei Comicplus erstmals die komplette Reihe erscheinen.
Die Serie Unterwegs wirkt in Teilen wie ein Gruß aus einer unwiderbringlich verlorenen Zeit, als Afghanistan noch ein Sehnsuchtsort der Jugend war und Europa noch Grenzen und Landeswährungen hatte. Aber auch die Menschen tickten noch anders. Sie lebten anders, hatten andere Träume, Wünsche, Wertvorstellungen. 1968 liegt noch nicht weit zurück, Internet und Globalisierung dagegen sind Ideen, die man sich in ihrer Tragweite noch nicht vorstellen konnte.
Stephane, Daniel Ceppis Held der Serie, träumt vom Reisen ohne Schranken. Da es aber an Startkapital fehlt, lässt er sich von seinem Kumpel Yves zum Überfall auf einen Juwelier überreden. Aber Yves ist kein guter Freund. Als das Ding der beiden schief läuft, brennt Yves mit der Beute durch, während Stephanes Gesicht allein auf den Fahndungsfotos landet. Stephane muss fliehen. Nun hat er seine Reise, aber unter unbequemen Umständen und ohne Geld.
Eigentlich ist Stephane ein grundsympathischer, ehrlicher Typ. Er ist ein typischer Jedermann, nahezu ohne Ecken und Kanten, nett und gutmütig, und eben deswegen – wie Tim bei Hergé – die ideale Identifikationsfigur. Warum so ein braver Typ einen Juwelier ausraubt? In Stephanes romantischem Wertesystem ist Reisen eben ein Menschenrecht – und wenn dazu die Mittel fehlen, so ist das ein Systemfehler und der Überfall nur eine Korrekturmaßnahme, mit der sich der Mensch dessen bemächtigt, was ihm ohnehin zusteht. Ist ja nicht so, dass der Juwelier nicht versichert wäre. Es trifft ja – so könnte die verquere Rechtfertigung lauten – nur die gesichtslose Geldmaschine.
Im weiteren Verlauf der Story erweist sich das Finanzielle zunehmend als Chimäre. Stephane tingelt von Ort zu Ort. Für das bisschen Knete, das man benötigt, wird ehrlich gearbeitet, beispielsweise auf einer Berghütte, ansonsten lebt man den Traum der frühen Backpacker. Das große Geld hingegen bleibt im weiteren Verlauf der Reihe negativ belegt. Bereits an seinem ersten Rückzugort in den Bergen trifft Stephane die Kassiererin des Juweliers wieder. Statt Stephane aber anzuzeigen, beginnt die ihn sogleich zu erpressen, da auch sie gerne vom Verbrechen profitieren möchte. Und kaum gelingt es Stephane, sich aus dieser hässlichen Episode zu befreien, gerät er in der Türkei in eine Entführungs- und Korruptionsaffäre sowie einen Umweltskandal. Er lernt die hässliche Seite der Gier kennen.
Aber Daniel Ceppi ist kein Moralapostel und auch das Hippie-Ideal der 70er verklärt er nicht. Man fühlt nahezu auf jeder Seite, dass Ceppi die Situationen, die er seine Figuren durchleben lässt, von eigenen Reiseerfahrungen her kennt. Natürlich wird das Hohelied der Individualreise an vielen Stellen angestimmt und der ungebunde Reisende mit all seinen Ressourcen gefeiert, gleichzeitig schimmert aber in Ceppis Welt der Grenzposten, der Schlepper, der Schieber, der Schmuggler, der Diebe, der Kiffer, der Gangster und der Spione durchaus schon der Wahnsinn kommender Jahrzehnte durch. Er ist nur noch nicht an der Oberfläche angekommen.
Unterwegs kann man durchaus als Zeitdokument der 70er Jahre einordnen und ist gleichzeitig eine unterhaltsame, in weiten Teilen auch mitreißende Reiseerzählung. Der Verlag selbst bewirbt die Serie ja als frühes Beispiel der Comicreportage, auch wenn er sich dabei vor allem auf die noch zu erscheinenden Teile bezieht. Ob dieser Anspruch noch vollends eingelöst werden wird, bleibt abzuwarten, aber auch in der vorliegenden Form der Abenteuererzählung mit lediglich dokumentarischem Charakter wirkt Unterwegs sehr authentisch und lebendig.
Erfreulich, diesen klassischen Reisecomic noch einmal kennenlernen zu dürfen. Ceppi erzählt authentisch, realistisch und spannend.
Comicplus, 2015
Text und Zeichnungen: Daniel Ceppi
Übersetzung: Eckart Sackmann
168 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 34,00 Euro
ISBN: 978-3894742829