Ein bisschen schwer einzuordnen ist es, das Comic-Debüt des Frankfurter Zeichners Moritz von Wolzogen. Der Zwerchfell Verlag ordnet es formal dem Young Adult-Genre zu, was sicherlich kein Fehler ist. Und doch bleiben nach dem Lesen von Totality – Fliegende Schatten viele Fragen offen.
Da wäre z.B. der Hintergrund der sich bereits im Titel ankündigenden totalitären Welt – in diesem Fall sogar in Deutschland verortet. Offenbar hat von Wolzogen eine futuristische Version seiner Heimatstadt gebastelt, die sich jedoch nur in Kleinigkeiten von unserer Realität unterscheidet. Lediglich verstreute Informationsfetzen bekommt man stellenweise hingeworfen, aus der man die gesellschaftsdurchdringenden Machenschaften eines nicht näher beschriebenen Regimes herauslesen kann.
Im Großen und Ganzen geht in der dargestellten Alltagswelt aber alles seinen normalen Gang. Auch für die drei Freunde Alex, genannt „Storch“, Merle und Simon, die zusammen die Schule besuchen. Was niemand ahnt: Die drei besitzen außergewöhnliche Fähigkeiten. Merle ist ein Technik-Genie, Simon absorbiert Energie aus Verletzungen und Alex erzeugt Hologramme, sobald er genug Wut in sich aufgestaut hat. Prompt kommt es auf dem Schulhof zu einem Streit, in Folge dessen Storch sich so weit provozieren lässt, dass vor den Augen aller ein holografisches Monster aus ihm herausplatzt. Das erregt in der Folge augenscheinlich Aufmerksamkeit von höherer Stelle, denn kurz danach tauchen bei Storch zuhause zwei Polizisten auf, die seine Fähigkeit unter die Lupe nehmen möchten.
Die Einführung der drei jugendlichen Figuren und die Vorstellung ihrer Kräfte ist gewissermaßen der klassische (Young Adult-)Erzählpart in von Wolzogens Werk. Und wenn man so will, ist die Obrigkeit, die totalitäte Bedrohung im Hintergrund, langfristig ihr Widersacher. Einen mindestens ebenso großen Anteil an Totality haben allerdings weniger stringente Sequenzen, finstere Träume und unheilvolle Vorahnungen. Über allem schwebt nämlich eine baldige Sonnenfinsternis, die – so erweckt es den Anschein – eine größere Rolle für das weitere Schicksal der Menschen spielt. So richtig klar wird auch nach den letzten Seiten des Comicbandes nicht, was es damit konkret auf sich hat. Vieles bleibt fragmentarisch erzählt und undurchschaubar. Gerade die Traumszenen, in denen Storch, Merle und Simon sich beispielsweise über viele Seite wortlos und actionreich als in Superwesen verwandelte Kämpfer durch eine Fantasiewelt springen und schlagen, sind hoch surreal und bedürfen einer ausgeprägten Deutung durch den Leser.
Das Zusammenspiel zwischen diesen Ebenen in Totality weist Schwächen auf. Besonders augenfällig wird das am doch ziemlich abrupten Ende, an dem irgendwie nichts wirklich geklärt ist und man die Handlung nicht so recht einzuordnen vermag. Der Band wirkt wie ein ausgedehnter Prolog zu einer Story, die erst später in Gänze offenbar wird. Geht es nun um eine dystopische Jugenderzählung, um Sci-Fi-Superhelden oder um eine Traumwelt? Und was hat eigentlich diese Sonnenfinsternis damit zu tun? Was in diesem Band noch unrund wirkt, könnte in einer möglichen Fortsetzung – sofern diese geplant sein sollte – noch ordentlich geschliffen werden. Denn wenn eines bei Moritz von Wolzogens Comic von Seite Eins an deutlich wird, dann ist es das grafische Potential. Der Künstler hat einen sehr angenehmen Zeichenstil gefunden, der dynamisch und ein Stückchen cartoonig wirkt, ohne jedoch zu kindlich zu erscheinen. Zudem sind die mit Bleistift gezogenen Linien unbehandelt geblieben und haben dadurch einen rohen, vieleicht auch flüchtigen, unfertigen Charakter. Das mag nicht jedermanns Sache sein, aber mir hat diese Technik gut gefallen. Und noch bemerkenswerter fand ich die variantenreichen Perspektiven, die hier gewählt wurden, um gezielt einen bestimmten Eindruck zu vermitteln.
Aus der konfusen Story kann man keine klare Richtung herauslesen, trotzdem sind die Ansätze höchst interessant und werden hoffentlich in weiteren Bänden ausgebaut; das Artwork ist unberührt davon äußerst bemerkenswert.
Zwerchfell, 2015
Text/Zeichnungen: Moritz von Wolzogen
128 Seiten, schwarz-weiß, Softcover
Preis: 12,99 Euro
ISBN: 978-3-943547-24-5
Leseprobe
Die Geschichte lässt Stringenz vermissen, mäandert Seite um Seite vor sich hin, so dass ich nach etwa der Hälfte schlicht und einfach das Interesse verloren habe. Die Figurenzeichnung ist mir zu simpel, die Klischees zu offensichtlich. Dazu kommt, aber das ist eine persönliche Geschmacksfrage, dass ich dem mangaesken Zeichenstil einfach überhaupt nichts abgewinnen kann. Für mich erzeugt er keine Atmosphäre und läuft der im Grunde guten Idee und den interessanten Ansätzen völlig entgegen.