Endlich ist der zweite Band der ambitionierten Survival-Serie Gung Ho vom deutschen Künstlerduo von Eckartsberg/von Kummant erschienen. Für den Leser geht es damit zurück zu den Abenteuern der Gebrüder Zack und Archer Goodwoody, zurück ins idyllische Fort Apache, jenem Zufluchtsort, der eigentlich vor der im futuristischen Europa grassierenden Weißen Plage schützen soll, dabei aber den Eindruck eines beschaulichen Ferienlagers macht.
Jene Rückkehr fühlt sich beim Leser, auch wenn erst das zweite von fünf geplanten Alben vorliegt, bereits an wie ein Wiedersehen mit altbekannten Freunden. Wie Autor Benjamin von Eckartsberg und Zeichner Thomas von Kummant dies gelingt? Ich würde sagen, die grundsätzliche Atmosphäre, die den Comic umweht, gepaart mit dem ins Kleinste durchgeplanten Handlungsort, sind hierfür primär verantwortlich.
Überhaupt ließe sich zur Atmosphäre viel sagen. Etwa, dass von Kummants geschicktes Spiel mit Perspektiven, Lichtverhältnissen und Tageszeiten viel zu jenem einzigartigen Gesamteindruck beiträgt. Oder dass von Eckartsberg es vorzüglich auszunutzen weiß, die Freiheit, aber gleichzeitig auch die Grenzen, des Forts nach und nach zu erforschen. Ob Baden im See, ein Treffen im Café oder eine Motorradspritztour außerhalb der Campgrenzen, die Welt von Gung Ho fühlt sich an wie ein aufregendes Sandbox-Videospiel, dessen offen gestaltetes Design man frei erkunden darf.
Draußen lauert die Plage, also Überlebenskampf und Nahrungsknappheit, im Lager geht es auch um Freizeitgestaltung, Training und Liebesbeziehungen. Vor allem für die jugendlichen Protagonisten, die in dieser Comicreihe im Zentrum stehen. Damit ist Gung Ho auch eine Geschichte über das Erwachsenwerden; vor spektakulärer Kulisse und mit der Endzeit im Hinterkopf. Band 2 liefert hinsichtlich dieses thematischen Leitmotivs einen weiteren deutlichen Fingerzeig, indem er die zwangsweise in das Fort abgeschobenen Brüder erneut anecken lässt, um ihren Platz in der Gemeinschaft ringen lässt. Getreu dem Titel „Ohne Rücksicht auf Verluste“ erproben Sie die Grenzen, rebellieren und bekommen eine Lektion erteilt. Es wird spannend sein zu sehen, welche Rolle die beiden im späteren Verlauf der Story noch einnehmen werden. Im Augenblick bleibt es in Gung Ho noch recht soaplastig. Trotz bombastischer Actionsequenzen, trotz der gorillaähnlichen weißen Monster ist die Bedrohungslage noch ein Stückchen im Hintergrund, dafür nimmt sich der Autor viel Zeit für die Charakterisierung der Figuren und die ausgeprägte Inszenierung der Landschaft.
Von Kummants am Computer entstandene Bilder, die frappierend an ein Gamedesign erinnern und dadurch für meinen Geschmack etwas zu „künstlich“ wirken, sind zweifelsfrei eines der auffälligsten Merkmale des Comics. Und auch wenn ich eigentlich kein großer Fan eines solchen Zeichenstils bin, muss ich anerkennen, dass die vom Künstler erschaffene Welt so gar keinen distanzierten, unnahbaren Eindruck hinterlässt. Im Gegenteil, die Grafik ist lebendig, die porträtierten Menschen agieren nachvollziehbar und natürlich, das Geschehen in und außerhalb von Fort Apache pulsiert. Und die Detailverliebtheit in jeder Szene – das kann mal ein Atari-Print auf einem T-Shirt sein, mal Sonnenstrahlen, die sich den Weg durch ein Geäst bahnen – ist beeindruckend. Und da sind wir wieder bei der speziellen Atmosphäre von Gung Ho, zu dem das Artwork eben auch viel beiträgt. Das Gefühl einer vertrauten Heimat, deren Tore man nach dem Lesen des Comics selbst gerne durchschreiten würde. Einziger Wermutstropfen: Die dritte Ausgabe wird erst 2017 in die Läden kommen. Die Wartezeit wird nicht leicht werden für angefixte Leser wie mich.
Die Fortsetzung von Gung Ho ist hervorragend geraten; das deutsche Gespann konnte noch eine Schippe drauflegen und etabliert damit seine Kreation
Cross Cult, 2015
Text: Benjamin von Eckartsberg
Zeichnungen: Thomas von Kummant
80 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 22 Euro
ISBN: 978-3-86425-386-7
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