Die Geschichte der Pariser Kommune dürfte heutzutage nicht mehr vielen bekannt sein. Vor allem außerhalb Frankreichs. Aber in den Wirren des verlorenen Deutsch-Französischen Krieges von 1870/1871, der zur Gründung des Deutschen Kaiserreiches führte, rebellierte das Volk von Paris und rief eine Demokratie aus, die sich durchaus von den sozialistischen Ideen von Marx inspirieren ließ. Dieser hat zu Beginn der neuen Serie Auf die Barrikaden! auch einen eigenen Auftritt. Doch was vielleicht weniger bekannt sein dürfte, ist die Rolle, welche die Frauen in der Kommune spielten.
Eben dieses Themas nimmt sich nun Autor Wilfrid Lupano in Auf die Barrikaden! an. Im 19. Jahrhundert erwachte die Frauenbewegung und nachdem die ersten Forderungen verhallten und nur Spott ernteten, wurden die Aktionen, etwa der Suffragetten in England, immer radikaler und führten vom gewaltsamen Widerstand bis hin zu terroristischen Aktionen. Auch in Frankreich wollten die Frauen mehr Gehör bekommen und den Aufstand und die gesellschaftlichen Umbrüche nutzen, um sich Bürgerrechte zu sichern. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, waren sie auch bereit, am bewaffneten Kampf teilzunehmen.
Der Titel der dreiteiligen Serie bezieht sich auf den Schlachtruf der Bewegung, und in jedem Band wird das Schicksal einer anderen, realen Frau aus dieser Zeit beleuchtet. In „Die geheimnisvolle Gräfin“ ist es die gebürtige Russin Elisabeth Dimitrieff. Die 1851 geborene, junge Frau ist trotz ihrer adeligen Abstammung fasziniert von den Ideen von Karl Marx und reiste extra nach London, um ihn kennenzulernen und mit ihm zu diskutieren. Marx widerum erhoffte sich von Elisabeth Informationen über die Pariser Kommune, welche zu dieser Zeit die Gesellschaft umformen will. Doch die Russin verstrickt sich in die Ereignisse und wird zu einer Anführerin, die andere Frauen zum bewaffneten Kampf aufruft.
Zumindest dieser erste Band orientiert sich an den bekannten historischen Fakten, was ironischerweise dazu führt, dass einem die Protagonistin etwas fern bleibt und die einzelnen Handlungsaspekte innerhalb des historischen Ganzen verloren gehen. Man fiebert durchaus mit der Heldin mit den lobenswerten Zielen, aber ihre allzu konsequente Vorgehensweise macht Elisabeth nur bedingt sympathisch. Dafür lebt der Band von der Atmosphäre und dem Setting, die von Zeichner Anthony Jean gut eingefangen wurden. Zwar wirken die Figuren manchmal etwas zerfließend, aber das Paris der damaligen Zeit ist sehr anschaulich getroffen. Zudem ist vor allem die zeichnerische Umsetzung der Kämpfe, gerade gegen Ende des Albums, äußerst beeindruckend und kommt so gut wie gänzlich ohne Worte aus. So gibt es einige nachdrückliche Szenen, aber mit der mythologisierenden Splashpage auf Seite 54 auch unnötige Aussetzer.
Neben einem personalisierten und damit nachvollziehbaren Blick auf ein geschichtliches Ereignis, bleibt aber auch das Gefühl, dass das längst nicht alles gewesen sein kann. Mal sehen, wie die nächsten Bände werden.
Die Personalisierung der geschichtlichen Ereignisse hat ihre Schwächen, aber die zeichnerische Umsetzung ist meist äußerst gelungen.
Splitter-Verlag, 2016
Text: Wilfrid Lupano
Zeichnungen: Anthony Jean
Übersetzung: Tanja Krämling
56 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 14,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-278-6
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