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Androiden 5 – Synn

Die Androiden-Anthologie-Serie bei Splitter ging im Januar 2020 in die fünfte Runde: Mit Synn ist Stéphane Louis ein Highlight der Reihe gelungen.

alle Bilder © Splitter Verlag

Synn ist eine androide „Lebensform“, die von ihrer „Spezies“ (soviele Anführungszeichen müssen sein) auf den Planeten TS-234589 entsendet worden ist, um die dortigen Lebensbedingungen zu prüfen. Die Anreise erfolgt holprig, endet also in einem Totalschaden, den Synn nur überlebt, weil ihr Körper sich, ganz gleich, wie stark die Beschädigung ausfällt, von allein wieder zusammensetzt. Synn ist unsterblich.

Sie begegnet während ihres jahrtausendewährenden Aufenthalts einer humanoiden Lebensform ebenso wie feindlichen Tieren mit großen Zähnen, und ich meine: wirklich großen Zähnen. Dass sie sich den natürlichen Fressfeinden immer wieder aussetzt, erklärt der Comic als eitle Bewunderungssehnsucht, denn die Pseudomenschen verehren sie als unsterbliche Göttin des Todes – ihre Liebe zur Gefahr stellt sich aber auch immer mehr als Ausdruck eines Lebensüberdrusses heraus. Keine Frage, sie menschelt.

In Rückblicken wird erzählt, wie die Menschheit seit ihren Anfängen aus dem Motiv der Liebe heraus stets einen Kampf gegen den Tod geführt hat und diesen mit der technischen Entwicklung von Androiden endlich gewinnen konnte. Dass dabei ironischerweise ausgerechnet die Fähigkeit zur Liebe auf der Strecke bleibt, ist das zentrale Paradox des Bandes.

Menschgeschaffene Androiden, die danach streben, menschlich zu werden (also ihren Schöpfern nacheifern), sind keine neue Idee – Data in Star Trek ist nur ein prominentes Beispiel unter vielen. Louis erzählt die Geschichte von Maschinisierung und Humanisierung hier mit viel Geduld und einem redseligen Erzähler.

Die drei Roboter-Gesetze von Isaac Asimov, die allen Bänden der Reihe beigegeben sind, spielen hier eine besondere Rolle:

1. Ein Robot darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.

2. Ein Robot muss dem ihm von einem Menschen gegebenen Befehl gehorchen, es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel Eins kollidieren.

3. Ein Robot muss seine eigene Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Gesetz Eins oder Zwei kollidiert.

Dieses Geflecht aus Selbst- und Gesellschaftsschutz konzentriert Louis auf die Vision einer Zivilisation, die zwangsläufig in eine lieblose Unsterblichkeit stolpert, ob sie dies nun wollte oder nicht.

Seit etwa einem Jahr hat Splitter sich der Éditions-Soleil-Lizenz Androides verschrieben – eine Albenserie von verschiedenen Autor*innen und Zeichner*innen, die sich seit 2016 verschiedenen Aspekten von menschlich-androidem Zusammenleben widmet. Bis auf den dritten Teil, der in Frankreich wie hierzulande eher mäßig ankam (hier zur Comicgate-Rezension), haben die Alben bislang überwiegend überzeugt.

So auch Synn, bei dem es sich um die Rückblickserzählung der Protagonistin handelt, wobei sich diese erzählerische Konstruktion letztendlich als widersprüchlich erweist, wenn sie von ihrem eigenen Tod erzählt und sich zudem direkt an eine Zuhörer- bzw. Leserschaft richtet, ohne dass dies am Ende plausibel gemacht würde. Dessen ungeachtet ist die Erzählweise (viel showing, noch mehr telling) bei weitgehendem Verzicht auf Dialoge dank der Texte gut zu ertragen, eigentlich sogar ganz gewinnend, weil uns gezwungene Dialoge zur Informationsvermittlung erspart bleiben. Alles in allem: Science-Fiction-Kolonisations-Fantasie mit Androiden, Monstern und Lesevergnügen.

Da Louis übrigens auch den vierten Band der Conquest-Serie verantwortet, der im September 2020 bei Splitter zu erwarten ist, sollte man diesen gleich vormerken.

Mensch vs. menschelnde Maschine

8von10Androiden 5 – Synn
Splitter Verlag, 2020
Text und Zeichnungen: Stéphane Louis
Farben: Sébastien Lamirand
Übersetzung: Swantje Baumgart
56 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 16,00 Euro
ISBN: 978-3-96219-444-4
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