Den Comic umgibt der Dunst der 70er Jahre: Abenteuer ohne Helden ist ein Katastrophenfilm auf dem Papier, auch wenn das Flugzeug, anders als bei Airport (1970), bereits abgestürzt ist. Und dann ist es noch eine Art Versuchsanordnung – angeblich ohne Helden, was allerdings eine Mogelpackung ist: Wer hier die Helden sind und wer die Schurken, ist schnell eindeutig.
Auch wenn die Prämisse um den Überlebenskampf abgestürzter Flugzeuggäste abgedroschen klingt: Abenteuer ohne Helden ist gut gealtert und kann sich sehen lassen. Das liegt überraschenderweise in erster Linie am Künstler Dany, der hier seine grafisch anspruchsvollste Arbeit abgeliefert haben dürfte. Es war Dany anfang der 70er ein echtes Anliegen, aus dem Funny-Sektor auszubrechen, auf den er bis dato durch seine Arbeit an der Reihe Oliver und Columbine (Skripte von Greg) festgelegt war. Das ist gut nachvollziehbar, denn Oliver und Columbine ist zwar ganz süß, aber trotzdem die wohl furchtbarste frankobelgische Funnyserie – wenn ich sie lese, habe ich stets den Eindruck, die beiden Hauptfiguren sind eine Art Schlager-Traumpaar, das den Leser durch das Traumland der Volksmusik führt. Das ist doch nichts für Kerle. Eine günstige Entwicklung hat Dany dann aber mit dem damals noch nicht etablierten Autor Jean van Hamme zusammengeführt, und Greg, damals Chefredakteur von Tintin, gab grünes Licht für dieses damals gewagte Konzeptalbum ohne (Serien-)Helden.
In Abenteuer ohne Helden zeigt Jean van Hamme zum ersten Mal seine Werkzeuge, mit denen er spannende Geschichten zu erzählen weiß, und schreckt dabei vor Klischees und unwahrscheinlichen Konstellationen nicht zurück. Hier müssen sich nicht weniger als ein Filmstar, ein Starpianist, ein Industriellensohn mit seiner Gouvernante, eine Mathematikerin, ein Tierarzt, ein korrupter südamerikanischer General und sein Adjudant, drei US-Manager, ein Unternehmer und ein UN-Abgeordneter zusammenraufen, um einen Weg aus dem Urwald zu finden.
Van Hamme führt seine vielen Figuren dabei souverän und breitet auf gerade mal 48 Seiten einiges an originellen und tragfähigen Ideen aus, und – was wichtiger ist – bringt diese auch zu einem überzeugenden Abschluss. Tatsächlich interessant aber wird das durch die Grafik Danys, der nicht nur gekonnt Urwaldflair erzeugt, sondern gerade in den Szenen mit dem korrupten General für beeindruckende Noir-Atmosphäre sorgt. Auch ist es eine der wenigen Arbeiten Danys, in der eine Frau attraktiv sein darf, ohne dabei wie ein Püppchen auszusehen.
Etwa 20 Jahre später erlaubten sich die beiden Künstler ein Sequel mit dem etwas vermessenen Titel 20 Jahre danach. Dany war inzwischen wieder völlig ins Funny-Segment zurückgekehrt und gestaltete vor allem noch seine berüchtigten sexy Cartoons. Dennoch überzeugt das Sequel. Van Hamme hat sich mit einem verschachtelt-komplexen Plot mächtig ins Zeug gelegt und die Latte der Unwahrscheinlichkeiten noch einmal höher gehängt. Von der Konstruktion her erinnert die Story um Mossad-Agenten und Altnazis, die geschickt an der Story von 1974 andockt, an van Hammes Largo-Winch-Stories, erzählerisch nähern wir uns, was die Menge an brisantem Material angeht, das inzwischen mit dem havarierten Flugzeug unterwegs war, aber auch der Bourne-Pastiche XIII an. Sei’s drum: Das Plotting ist souverän und dicht, es wird eine Vielzahl an Figuren in die wendige Geschichte geworfen, und die finale Pointe überzeugt. Wenn alle Wahrscheinlichkeiten ausgeschlossen werden können, bleibt eben nur noch das Unwahrscheinliche übrig: So löst Sherlock Holmes seine Fälle, so schreibt Jean van Hamme seine Stories. Dany als Zeichner sieht man aber inzwischen an, dass er aus der Sexy-Cartoon-Falle kaum noch herausfindet: Seine Prostituierten in Bangkog sind schon sehr knuffig geraten. Am Rest gibt’s wenig auszusetzen.
2007 schoben van Hame und Dany dann noch einmal einen kleinen Fünfseiter nach, der eine Leerstelle zwischen den beiden Teilen füllt. Hier zeigt sich dann endgültig, dass Dany für den ernsthaften Erwachsenencomic zu dem Zeitpunkt offensichtlich verloren war: Seine Landschaften, Maschinen und Männer wirken zwar routiniert, aber die Figur der Maria – in Abenteuer ohne Helden (und auch dem Sequel) noch echte Frau – ist inzwischen völlig zu einer seiner austauschbaren Cartoonfiguren mutiert. Aber 2007 ging es auch eher um Imagepflege und das Platzieren von Easter Eggs, die Story war da schon auserzählt.
Auch von der Koloration her bleibt der Erstling Abenteuer ohne Helden unerreicht. Hier gibt es zwar noch nicht die ausgefeilten Farbverläufe der Sequels, aber die knalligen Farben bieten die spannendsten Kontraste. Manchmal erzeugen geschickt eingestreute Farbakzente tatsächlich mehr Spannung als ein raffinierter Plot-Twist.
Diesen Comic-Klassiker habe ich gerne wiederentdeckt.
Schreiber und Leser, 2024
Text: Jean van Hamme
Zeichnungen: Dany
Übersetzung: Resel Rebiersch
136 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 29,80 Euro
ISBN: 978-3965821613
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