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Abba Hallo!

Stell dir vor, du schläfst ein, und als du wieder aufwachst, ist die Welt eine andere. Auf einmal ist Pandemie. Lockdown. Kontaktverbot. Masken- und Impfpflicht. Rise of the Querdenker. Ralf König hat in dieser denkwürdigen Zeit sein Social-Media-Experiment gestartet: einen täglichen Strip mit Konrad und Paul.

Die Pandemie trefflich in einem Panel. Die Alten sorgen sich und die Kleinen tragen fröhlich ihre Rotznasen durch die Gegend. Alle Abbildungen © Ralf König / Rowohlt

Ursprünglich war ja mal eine Graphic Novel zum Thema „Political Correctness“ angedacht, aber irgendwie ist nie was daraus geworden. Fraglich auch, ob es zu dem Thema tatsächlich noch einen sinnstiftenden Beitrag hätte geben können, wo eh schon jeder maximal desinformiert ist und seine eigene unumstößliche Meinung hat. 

Die neue Konrad-und-Paul-Serie dagegen war großer Spaß in einer Zeit, in der wir Abwechslung und positive Vibes richtig nötig hatten. Dass Ralf König dabei auch gleich den täglichen Fortsetzungs-Zeitungsstrip reanimiert hat, fällt dabei fast hinten runter, auch vergisst man fast, dass „Vervirte Zeiten“, die erste Sammlung der Strips von 2020, fast noch lustvoller als sonst Pauls neueste Verliebtheit zum existenziellen Drama hochjazzt und dabei zum Tanz am Abgrund stilisiert. Große Geste und maximale Tragik sind eben manchmal wichtiger als Vernunft: „Nimm, was du kriegen kannst, den Kerl und den Ärger!“, gibt Pauls Vater dem Sohn noch auf den Weg, „Hauptsache, es passiert was!“ Das ist große Oper im Kleinen, so geht Eskapismus.  

Mit Abba Hallo beginnt nun die Fortsetzung des Daily-Strip-Projekts. Nach über einem halben Jahr Pause wollte Ralf König 2021 eigentlich nur einen kleinen Vierstripper über das neue ABBA-Album machen, aber die Figuren haben im Abba-Hype schon wieder so viel Energie entfaltet, dass weitererzählt werden musste. Dies tut Ralf König seitdem bis heute in immer neuen Fortsetzungen, so dass inzwischen schon beinahe Material für noch ein weiteres Buch vorliegen dürfte. 

La Boum.

Über den Inhalt braucht man nicht viele Worte zu erzählen. Es sind die üblichen kleinen und großen Dramen in Konrad und Pauls vielfältigen Figurenkosmos. Pauls Vater bekommt im Seniorenstift auf einmal Lust aufs Kiffen, seine Schwester Edeltraut entdeckt die Wissenschaft für sich und wird Querdenkerin, alle schieben immer noch Corona-Blues, sind etwas nachdenklicher als sonst, und dann kommt Friedrich – das ist der, der aussieht wie Beaker aus der Muppetshow – und lädt mitten im zweiten Corona-Winter zu seinem Fünfzigsten ein. So nötig hatten die Jungs schon lange keine Fete mehr, nur richtig trauen tut sich erst mal keiner. Noch weniger aber wagt man, die Hoffnung auf ein bisschen Normalität gleich wieder im Keim zu ersticken. Es wird ein rauschendes Fest. 

Wahre Worte

Vier Tage lang hatte Ralf König die Story um Beakers Fest auf Social Media veröffentlicht, als im realen Leben der Überfall auf die Ukraine stattfand. Eigentlich, so erzählt Ralf, empfand er es als „ein bisschen gespenstisch“, in dieser Situation seine vergnügliche Geschichte einfach so weiter zu erzählen, „allerdings äußerten sich LeserInnen oft dahingehend, froh zu sein, wenigstens einmal am Tag abgelenkt vom unlustigen Weltgeschehen über Konrad und Paul kichern zu können.“ Aber noch etwas fällt auf: Ralf König lässt die Party diesmal nahezu endlos andauern. Es wird gefeiert, als gäbe es kein Morgen: Außer Rand und Band löst eine Peinlichkeit die nächste ab, als hätte es sich nie besser angefühlt, die Sau rauszulassen. Solange man durchfeiert, kann einem die Welt eben nichts. Man darf nur nie aufhören.  

Stell dir vor du wachst auf und …

Die Sause beginnt auf Seite 120. Auf Seite 140 (drei Facebook-Wochen später) fährt man mit dem Taxi ab, um anderswo noch ein bisschen weiterzufeiern. Auf Seite 152 (noch zwei Facebook-Wochen später) geht Paul dann endlich völlig verstrahlt nach Hause, und dann pflegen alle zusammen noch eine weitere Woche ihren Hangover. Und dann stellt man sich eben doch der neuen Realität. Die ewige Party muss irgendwann eben doch der neuen Welt weichen. Lebensfreude und Trotz lagen bei Ralf König halt schon immer nah beieinander.

In einer neuen Welt bewegt sich aber auch Ralf König, seit er bei Facebook veröffentlicht. Zweimal schon wurde er wegen „Hassrede“ gesperrt, weil er so schlimme Worte wie „Tunte“ zitiert hat. Auch der neueste Kink „Daumenlutschen“ verdankt sich der Online-Zensur, wenn auch mit vermutlich anderer Motivation. Sonnenklar, dass die Comics nicht explizit wie seinerzeit „Bullenklöten“ sein können, aber durch so kleine Perversionen wie den Daumenfetisch lassen sich die Grenzen des Zeigbaren ganz schön dehnen. Facebook und Instagram haben es aber auch mehr als verdient, dass man sie nach Strich und Faden verarscht.

Auch eine Lehre aus Pandemiezeiten: Ein Leben ohne Partys ist möglich, aber sinnlos  

8von10Abba Hallo!
Rowohlt, 2023
Text und Zeichnungen: Ralf König
192 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 25,00 Euro
ISBN: 978-3498003470
Leseprobe

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