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Währenddessen … (KW14)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche sonst noch so zu Gemüte geführt hat.

Daniel: Das beste Album 2015 steht für mich schon im April fest: „Carrie & Lowell“ von Sufjan Stevens. Im Zentrum steht wie bei allen Alben seine zarte und zerbrechliche Stimme: wie ein kleines Kind holt sie den Zuhörer ab, nimmt ihn bei der Hand und zeigt ihm längst vergessene Gefühle und verdrängten Schmerz. Auf seinem neuesten Album „Carrie & Lowell“ besucht Stevens die Erinnerungen an seine 2012 verstorbene Mutter, die mit Schizophrenie und Drogen zu kämpfen hatte und die Familie immer wieder verließ. Das nostalgische Foto auf dem Cover versteht sich als visuelle Ouvertüre für die schwermütigen Songs, die versuchen, die Vergangenheit musikalisch aufzuarbeiten: Mit fragiler Stimme singt Stevens von Ereignissen, die er selbst als Kind nicht erfassen konnte: „Head on the floorboards (covered in blood) / Drunk as a horsefly / Climb on the mattress pad / Twist my arm“. Allein mit seiner Akustikgitarre vermittelt er den Schmerz eines verletzten und verlassenen Kindes – viel kraftvoller als ein Text es je könnte. Und trotzdem ist die Geschichte, die Stevens musikalisch erzählt, keine traurige, sondern eine von Hoffnung und Liebe.

Christian: Da ist mir doch kürzlich das neueste Exemplar der Tollen Hefte der Büchergilde Gutenberg in die Hände gefallen, eine phantastische Story von H.G. Wells mit Bildern von Katja Spitzer. Die Tollen Hefte zeigen ziemlich anschaulich, wie man sich in der Literaturszene ein Crossover zwischen „Graphic Novel“ und Literatur vorstellt. Verspielt soll es sein und schön aussehen, die Ansprüche des grafischen Erzählens geraten da schnell zur Nebensache. Natürlich sind die Tollen Hefte keine Comic-Adaptionen, sondern lediglich illustrierte Literatur, aber die Nähe zum Comic ist unbestreitbar, wenn man sich ansieht, welche Künstler bereits für die Reihe gearbeitet hat, unter anderem Anke Feuchtenberger oder Atak. Auch die Beilage zum Heft, eine Variante des Leiterspiels mit Motiven der Story, ist wohl nicht wirklich zum Spielen gedacht, sondern eher ein verspieltes „So tun als ob“. Im Kontext der Tollen Hefte ist diese Haltung voll in Ordnung. Schön finde ich außerdem, dass die Optik der Illustrationen eine ganz eigene Erwartungshaltung an die abgedruckte Geschichte weckt, völlig anders als es in einer Anthologie der Fall wäre. Eine liebevolle Serie.

Währenddessen – Die tollen Hefte

H.G.Wells, Die seltsame Orchidee. Mit Bildern von Katja Spitzer. Büchergilde, 2014

Daniel: Felix Määährtikat ist es gelungen, meine beiden Hobbies – Comics und Brettspiele – sinnvoll miteinander zu verbinden. Nachdem der Comiczeichner bereits ein Steam-Punk-Kartenspiel illustriert hat, ist nach sieben Jahren mit Schäferstündchen sein eigenes Spiel auf dem Markt. Auf dem Karton prangt kein Verlagsname, sondern nur sein eigener, da Mertikat das Spiel ohne Verlag und Crowdfunding-Kampagne finanziert hat. Die Regeln sind sehr einfach: Nachdem jeder Spieler eine Rollenkarte gezogen hat, geht es darum, seine Schäfchen aus dem Tal zu holen – und dem Gegner dabei noch eins auf die Mütze zu geben. Jede Runde spielt man eine hoffentlich positive Karte auf sich und anschließend eine möglichst negative auf die Mitspieler. Schäferstündchen ist ein kurzweiliges Spiel für 2-6 Schafhirten und sieht einfach gut aus: In der handlichen Box findet sich ein schier endloses Arsenal an wunderschön gestalteten Schaf- und anderen lustigen Karten, die Mertikat selbst illustriert hat.

Schäferstündchen

© Felix Mertikat (Hinweis der Redaktion: Für die Produktion dieses Spiels wurden keine Schafe gequält.)

Benjamin: Ha, da hat sich Schauspieler Ryan Reynolds ja mal wieder was Feines ausgedacht. Seit Wochen streut er Hinweise auf die Anfang 2016 anstehende Verfilmung von Marvels Deadpool, in der er die Hauptrolle spielen wird. Außerdem setzt er sich, selbst Fan der Figur, stark für eine angemessene Alterseinstufung des Streifens ein. Denn immerhin ist Deadpool ein psychopathischer Killer und Söldner. Eine weichgespülte Version dürfte der Vorlage also nur bedingt gerecht werden. Mit dem unten stehenden Video, das ein überraschendes Ende bereithält, hat sich Reynolds nun einen famosen Aprilscherz erlaubt. Inzwischen wurde auch vom Filmstudio Fox bestätigt, dass Deadpool sein angemessenes R-Rating bekommen wird. Wenn alles glatt läuft, darf man sich also auf ein filmisches Werk freuen, das die schräge Mischung aus Brutalität und Humor, wie man sie aus den Comics kennt, widerspiegelt.

Andi: Trommelwirbel für meine Kinoempfehlung der Woche … Whiplash: Der ehrgeizige Jazzmusik-Student Andrew will um jeden Preis den exorbitanten Ansprüchen von Terence Fletcher, dem Dirigenten der erstklassigen Konservatoriums-Band, gerecht werden; dessen Umgang mit seinen Studenten „nicht zimperlich“ zu nennen, wäre höchst untertrieben. Da fliegt neben üblen Schmähungen auch mal ein Stuhl nach dem Schlagzeuger und der trommelt, bis die Hände bluten … J. K. Simmons (den meisten wohl als J. Jonah Jameson aus Sam Raimis Spider-Man-Filmen bekannt) schafft eine beeindruckend facettenreiche und ambivalente Darstellung des Jazzlehrers aus der Hölle, für die er verdient den Nebendarsteller-Oscar mit nach Hause nehmen durfte. Mit Miles Teller (dem nächsten Film-Mister-Fantastic) als getriebenem Schlagzeug-Studenten Andrew hat er zudem einen nahezu ebenbürtigen Gegenpart. Man muss sich nicht im Geringsten für Jazz interessieren, um von diesem filmischen Psychoduell (Regie & Drehbuch: Damien Chazelle) gepackt und mitgerissen zu werden.

Frauke: Ich kenne mich null mit den Produktionsbedingungen amerikanischer Fernsehserien aus, aber wenn man Szenen in Deutschland spielen lässt und sich schon die Mühe macht, Reisepässe und Nummernschilder herstellen zu lassen, fällt es mir schwer zu glauben, dass eine 30-sekündige Internetrecherche, wie diese Objekte denn wohl real aussehen, wesentlich mehr Aufwand gewesen wäre. Ich war jedenfalls baff erstaunt, mit welcher Nachlässigkeit und geringem Interesse an Authentizität bei der – ansonsten von mir sehr gemochten – Agentenserie The Blacklist gearbeitet wurde.

Stills aus The Blacklist

Stills aus The Blacklist: So sehen deutsche Reisepässe und Nummernschilder in der Serie aus. © NBC

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