In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Christian: Die Serie Dylan Dog feiert in ein paar Monaten 400 reguläre Ausgaben. Aus diesem Grund läuft seit einigen Monaten eine große, ein volles Jahr umfassende Storyline über einen Meteor, der auf die Erde zustürzt. Ein Jahr lang Weltuntergangsstimmung. Im Augenblick hängen die Stories eher lose miteinander zusammen, es schreiben unterschiedliche Autoren daran, aber das wird sich aufs Ende zu sicher noch verdichten.
Für mich ist die Reihe seit Jahren schon ein Antrieb, Italienisch zu lernen und langsam stellen sich Fortschritte ein. Ein Stapel Grammatik-Übungsbücher, ein Dictionary, ein Phrasen-Trainer, Urlaubsreisen, der Babbel-Kurs auf dem Handy und angemessenes Interesse an der Kultur (Fumetti und Film) sollten doch auf lange Sicht eine Erfolgsperspektive bieten, oder?
Im letzten Jahr, zeitgleich mit dem Start der Meteor-Story, gab es über vier Monate hinweg ein Tarot-Kartenspiel als Beilage zum Sammeln. Im vierteljährlich erscheinenden Dylan Dog Color Fest war die schmucke Schachtel, in den regulären Monatsausgaben die Karten. Die 21 Karten der großen Arkana zieren hübsch gemalte Horrormotive aus dem Dylan-Kontext, die mir eigens angefertigt für das Kartenset zu sein scheinen. Die 56 Karten der kleinen Arkana (Coppe, Spade, Bastoni, Denari – das sind Kelche, Schwerter, Stäbe und Münzen) entstammen den ebenfalls stets sehr reizvollen, atmosphärischen Covers der Reihe. Man bekommt sehr schnell ein Gefühl dafür, was uns Monat für Monat entgeht.
Mag sein, dass man in Italien anders denkt. Vielleicht ist die Comicszene genervt von der Omnipräsenz von Bonelli- und italienischen Disney-Comics, aber auf mich hat die Reihe einen unverändert verführerischen Reiz. Seit sie die Splatter-Flegeleien der frühen Hefte weitgehend abgeschüttelt hat (vieles davon auf Deutsch von Carlsen, Schwarzer Klecks und Libellus), ist sie sogar noch besser geworden und hat noch mehr Magie. Ich bleibe der Reihe und ihren Künstlern auf jeden Fall verbunden.
Niklas: Letzte Woche schrieb ich, wie Alan Moore eine nette Pastiche eines Superheldenteams mit Charakteren der viktorianischen Literatur schrieb und dann nahm er das Konzept gleich im nächsten Band wieder auseinander, als er die Marsianer invasieren ließ. Die zweite Miniserie der League of Extraordinary Gentlemen war nämlich eine grobe Adaption des Science Fiction – Klassikers War of the Worlds von H.G.Wells, der eine Dekonstruktion der Allmachtsphantasien des viktorianischen Empires war. Die Bewohner der mächtigsten Nation der Welt sind machtlos gegenüber der überlegenen Technologie einer außerirdischen Spezies, die schon den Mars herunterwirtschaftete, und auch die Liga kann letztendlich wenig tun, um sie zu stoppen. Die Helden sind also nutzlos und England wird am Ende nur gerettet, indem Anstand und Menschlichkeit über Bord geworfen werden. Das Motiv des Helden als Monster überträgt sich jetzt auch auf den durchschnittlichen Bürger, der auch nicht besser ist als seine Schurken und Helden. Der zweite Band der League ist ein düsteres Buch und mehr eine Charakterstudie denn eine richtige Geschichte. Vielen in meinem Bekanntenkreis gefiel das nicht, ich fand aber, dass genau das die Serie noch einmal besser machte. Moore nimmt alles so auseinander, dass die Serie hier hätte enden können. Aber er hatte ambitioniertere Pläne, wie er mit einem ausführlichen Almanach am Ende jedes Heftes zeigte.
Dieser Almanach ist eine Mischung aus geografischen Beschreibungen, Tagebucheinträgen und historischen Fußnoten und dokumentiert eine Welt, in der alle Mythen, Prosa oder absurde Konzepte nebeneinander existieren. Ob nun Robert E. Howards Conan, der Weihnachtsmann oder Peter Pans Captain Hook, sie alle haben hier einen Platz. Damit erschafft Moore nicht nur eine Welt, in der Figuren aus jeder Art von Fiktion leben, sondern auch eine Welt in der jede Art von Fiktion möglich ist, ohne dass man es als Widerspruch sieht. Eine bunte Mischung also, in der jede Art von Geschichte funktionieren kann, wie der Krieg der Welten zeigt, und die die Kreativität beflügeln konnte. Ich zumindest wollte eine Menge dieser angedeuteten Geschichten lesen und Moore würde mich vor allem noch im Nachfolger Black Dossier sehr damit teasen.
All das könnte aber nicht ohne die Zeichnungen Kevin O’Neills funktionieren, den ich letzte Woche leider vergaß. O’Neill zeichnet die schönsten, hässlichen Figuren aller Zeiten. Alle sind etwas übertrieben gezeichnet und spucken, schwitzen, bluten und reißen die ausdrucksstarken Augen auf, wenn mal wieder etwas Schreckliches passiert. Ich glaube, dass man diese Bilder am besten mit einer guten Horrorkomödie vergleichen kann: die Lacher sind genauso echt wie die Schreie des Horrors, eine gute Mischung aus zwei Genres, die auch wieder zur Vielfalt des bunten League-verse passen.
Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.
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