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Währenddessen… (KW 30)

Nach längerer Pause meldet sich Niklas zurück. Im Gepäck hat er ein schönes neues Computerspiel, das im Mittelalter angesiedelt ist.

Niklas: Am Anfang fühlt sich das Adventure Pentiment wie eine Hommage an Umberto Ecos Roman Der Name der Rose an. In einem entlegenen Kloster wird ein Mord verübt, der weitreichende Konsequenzen für den Orden und die nahe liegende Kleinstadt haben könnte. Malergeselle Andreas Maler beginnt zu ermitteln, um seinen väterlichen Freund, den Hauptverdächtigen, vor der Hinrichtung zu retten. Im Laufe der Ermittlung stellt er fest, dass das Opfer, ein Adeliger, mehr als genug Feinde hatte und es nicht genug Zeit gibt, gründlich zu ermitteln. Andreas wird harte Entscheidungen treffen müssen. Entscheidungen, die noch Jahre später Konsequenzen haben.

Pentiment ist mehr als nur ein simpler Kriminalfall zur Zeit der Reformation. Das Spiel ist erstaunlich gut darin, viele Ideen zu einem schlüssigen Ganzen zu formen. Die gesellschaftlichen Veränderungen, die mit dem Buchdruck kamen, werden genauso thematisiert wie alte Bräuche vor der Ausbreitung des Christentums oder die Frage ob die vorherrschende Ordnung gottgewollt oder von Menschen gemacht ist. Zahlreiche Handlungsstränge werden um das Leben der Bewohner des Klosters und der Stadt gestrickt, Figuren die ich im Lauf von 15 Stunden zu kennen, zu lieben und manchmal zu verabscheuen lerne. Jeder dieser Charaktere zeigt mehrere Seiten, aber so richtig kennen werde ich sie nie. Es bleibt immer ein Hauch der Ambiguität, der sich auch durch das gesamte Spiel zieht. Komplett richtig oder falsch fühlt sich keine der Entscheidungen an, die ich im Verlaufe der Handlung treffen kann. Ich kann mich nur auf die wenigen Informationen verlassen, die ich im Laufe der Ermittlungen sammle und diese entsprechend interpretieren.

Pentiment zeigt, warum sich die Beschäftigung mit Geschichte über die großen Schlachten und großen Persönlichkeiten hinaus spannend sein kann. Sei es, um das Leben der einfachen Menschen näherzubringen oder um zum Beispiel etwas über die Entstehung von Büchern oder wie gewebt wurde zu lernen. Das alles wird zum Glück nicht verkopft, sondern in eine spannende und in sich schlüssige Handlung verpackt, die mich überraschte und emotional berührte.

Die Grafik von Pentiment ist ein Beweis dafür, wie sich Geschichte und Gameplay (von dem es zugegeben nicht so viel gibt) miteinander vereinen lassen. Der Stil erinnert an Illustrationen aus mittelalterlichen Bibeln, die ein stilisiertes, aber immer noch lebensnahes Bild der Zeit zeigt. Kunstschaffende mussten sich an der Welt um sie herum orientieren, um Inspiration zu finden, aber gleichzeitig fehlte das Werkzeug für eine hundertprozentig realistische Darstellung. Das Ergebnis ist ein Stil, der mich in seiner abstrakten Form daran erinnert, in welcher Zeit ich spiele und mit welchen Einschränkungen ich zu kämpfen habe. Gleichzeitig ist dieser abstrakte Stil schon wieder zeitlos und schafft ein Spiel, das noch zwanzig Jahre später so hübsch aussehen und so zugänglich sein wird wie am ersten Tag. Ähnlich wie mittelalterliche Kunst, die wir heute noch als Inspiration nutzen und die Jahrhunderte überdauert hat. Am Ende ist die Vergangenheit immer noch so lebendig wie die Gegenwart, im Guten, wie im Schlechten.

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