In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Christian: „Dies ist ein Safe Space. Sie dürfen hier alles sagen, ohne dass es Konsequenzen für sie hat.“ Nie hat sich dieses Versprechen so hohl angehört wie in der hervorragenden Netflix-Serie Sex Education, denn natürlich hat es Konsequenzen, wenn man sein Innerstes nach außen kehrt. Die Sache mit dem Safe Space hat zwar ihre Berechtigung, kann aber schnell zur Floskel werden, wenn zu oft und inflationär verwendet.
Schule, könnte man ja sagen, ist auch ein Safe Space. Ein Ort, an dem man sich ausprobieren kann. Aber lass mal in der Schule die Hosen runter, was in Sex Education durchaus desöfteren passiert (mindestens einmal im wortwörtlichen Sinn), dann weißt du, wie safe der Space ist. Und trotzdem ist die Schule in gewisser Weise ein Safe Space, unter anderem für den homosexuellen Schüler Eric, der scheinbar recht unbefangen seine Orientierung leben kann. Aber eben nur in der Schule. Erics Familie dagegen kann damit nur schwer umgehen, auch wenn sie liebevoll und verständnisvoll sein möchte. Ganz schwierig aber wird es, wenn er seine Queerness außerhalb des Safe Space ausstellt, denn da ist er ganz traditionell wie eh und je der „poof“ und „fag“, der aufs Auge kriegt, wenn er zu sehr auffällt. Und auch in der Schule hat Eric trotz betonter Toleranz seine liebe Not, in seine Rolle zu finden, was er immerhin gut mit schrillem und lustigem Auftreten kompensieren kann. Doch unter der Oberfläche sind die Enttäuschungen und Verletzungen noch alle da. (Anders als in Riverdale, wo die Diversity und Queerness sehr reißbrettartig forciert wirkt, fühlt sich die Diversität in Sex Education echt an. Da waren gute Autoren am Werk.)
Sex Education ist unglaublich lustig, schnell, wendungsreich und klug. Im Kern handelt die Serie von Erics Kumpel, dem sexuell völlig unerfahrenen und absurd verklemmten Otis, dessen Mutter (Gillian Anderson in bester Spiellaune) Sexualtherapeutin ist. Otis hat die Gabe, die Ursachen für die sexuellen Nöte seiner Mitschüler punktgenau zu analysieren, ein Talent, das die abgebrühte Maeve schnell erkennt, eine Mitschülerin, die im Wohnwagen wohnt, weil ihre drogensüchtige Mutter ihr nichts bieten kann. Maeve und Otis entwickeln aus Otis‘ Talent ein Geschäftsmodell, so dass sie bald im Schatten der Schule ihre zweifelhaften Geschäfte machen.
Sex Education ist die perfekte Synthese aus Buffy, Trainspotting und Fitz. Wie Buffy ist es eine gut geschriebene Highschoolserie, aber englisch und ohne Monster, wie Trainspotting ist es derb, blickt in Abgründe und handelt von wilden (und auch sehr normalen) Typen und wie Fitz ist es ultra-englisch, sehr psychologisch und, ja, blickt in Abgründe. Der Schluss der letzten Staffel ist bemerkenswert. Alle Handlungsfäden werden aufgelöst, nur ein klitzekleines offenes Ende bleibt noch ungeklärt, was in einer gelungenen Erzählung durchaus ein wirkungsvoller und runder Schluss sein kann. Also saß ich da und dachte mir, hmm, wenn es das gewesen sein soll, dann ist das ein gutes Ende – aber ich hätte wirklich Bock auf noch eine Staffel. Kaum aber hatte ich das ausgesprochen, kam die Einblendung, es werde definitiv eine dritte Staffel geben. Selten habe ich mich so über eine Ankündigung gefreut.
Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.