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Hemispheres – Bericht von der Buchpremiere

Nach vier Jahren Arbeit, zwei erfolgreichen Crowdfunding-Kampagnen und immer mehr beteiligten Helfern und Mitarbeitern war es im Oktober endlich soweit. Das mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte Comicprojekt Hemispheres feierte seine Premiere. Anlässlich dazu wurde ins geräumige Orange Lab in Berlin geladen. Im ehemaligen Großrechnersaal von IBM präsentierten Christopher De La Garza, Sascha Grusche und Simon Pape, begleitet von einem umfassenden Rahmenprogramm, ihr Comic-Erstlingswerk.

Worum geht es eigentlich? Hemispheres mischt das Konzept einer dystopischen Zukunftserzählung auf, indem ein buddhistischer Mönch mit seiner Weltsicht als Protagonist verwendet wird. Dieser muss für einen kranken Mönchsbruder wichtige Medizin holen und landet in einer neonbunten, smogverseuchten, hektischen Megametropole. Es stoßen zwei grundverschiedene Lebenseinstellungen aufeinander und alles dreht sich um die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Die Macher versprechen keine einfache Schwarz-Weiß-Zeichnung, sondern eine differenzierte Auseinandersetzung, bei der dem Leser keine Bequemlichkeitslösung präsentiert wird.

Der Stolz und die Erleichterung über die Fertigstellung stand den drei Köpfen hinter Hemispheres ins Gesicht geschrieben.

Der Stolz und die Erleichterung über die Fertigstellung stand den drei Köpfen hinter Hemispheres ins Gesicht geschrieben.

Angefangen hat der Weg zum eigenen Comic vor vier Jahren noch zu zweit mit Christopher De La Garza und Sascha Grusche. Von Anfang an war die Messlatte nicht an anderen Comics orientiert, sondern an einer künstlerisch-photorealistischen Darstellung. Ob mit dieser Prämisse ein gutes Gestell für die Erzählung selbst gefunden wurde, wird sich zeigen, wenn die ersten Rezensionen erscheinen.

Nachdem die ersten Seiten Form angenommen hatten und auch die Geschichte weit genug entwickelt war, wurde via Startnext die erste Crowdfunding-Kampagne gestartet. Die benötigten 10.000 € wurden knapp erreicht. Neben dem Comic sollte das Geld auch helfen, das Projekt weiter bekannt zu machen. Zusätzlich zur Homepage und ein paar Merchandise-Artikeln präsentierte man sich auch auf zwei Events. Zum einen sorgte die Teilname an der Berliner Stadt-für-eine-Nacht für positive Resonanz in der Comicszene, zum anderen gab es eine Ausstellung, die sich nur um den Comic selbst drehte.

Als sich dieses Jahr die Produktion dem Ende näherte, entschloß man sich zu einer zweiten, kleineren Kampagne via Indiegogo. Dieses Mal ging es darum, sowohl einen Dokumentarfilm zur Entstehung des Comics, als auch eine weitere Ausstellung und Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Tage der Achtsamkeit“ zu finanzieren, um dem Publikum noch mehr Möglichkeiten zu geben, sich mit Ideen zur Zukunft unserer Gesellschaft zu befassen. Als Unterstützer der zweiten Kampagne konnte man auf diesem Weg neben dem eigentlichen Comic auch Eintrittskarten zur Premiere des Buchs und der Dokumentation selbst erhalten. Als weitere PR-Aktion begann man in kurzen Videobeiträgen Stimmen von bekannten Größen aus der deutschsprachigen Comic-Szene zu sammeln, die sich zum Projekt äußerten. Darunter befanden sich unter anderem Daniel Lieske (Wormworld Saga), Sascha Wüstefeld (Das UPgrade) und Eve Jay (ComicSolidarity). Auch der RBB wurde auf Hemispheres aufmerksam, so dass auch noch ein Fernsehbeitrag über das Projekt berichtete.

Man merkt es; das Team beherrscht eine sehr professionelle Kommunikation und versteht es, sich zu verkaufen. Mit gutem Design, nicht zu viel Text und ausgewählten Bildern sowie Videostatements wurden die Fans regelmäßig bei der Stange gehalten. Zwar war angesichts des Fokus auf ein klares und aufgeräumtes Design die eine oder andere Information etwas schwer zu finden (für viele Informationen zum Release-Event wurde man auf die Indiegogo-Seite weitergeleitet und via Facebook wurde erst einige Tage vorher eine vollständige Eventseite erstellt), allerdings mag man dies bei dem Umfang des Projekts verschmerzen.

Gekonnt wurde eine behagliche Atmosphäre geschaffen.

Gekonnt wurde eine behagliche Atmosphäre geschaffen.

Mit dem selben Gespür für Gestaltung und Atmosphäre wurde man auch im Orange Lab begrüßt. Der Abend war geprägt von einer visuellen und musikalischen Untermalung, die sehr bewusst gewählt wirkte und sich kompromisslos dem Artdesign des Comics unterordnete, auch wenn dies für einen Touch Schwermütigkeit in der Stimmung sorgte – aber so sind Dystopien nun einmal. Die ausgehängten Bilder aus dem Comic rückten fast in den Hintergrund angesichts des Rahmenprogramms. Dies bestand neben der späteren Präsentation der Doku Hemispheres – von der Idee zum Buch aus weiterer Live-Musik von Ceeys, einer beeindruckenden Licht-Show von Till Pöhlmann sowie einem kurzen Dichter-Vortrag, der im Vergleich zum Rest allerdings sehr schwach daherkam. Abgerundet wurde dies mit einer Frage- und Antwortrunde, ehe schließlich die fertigen Comicbücher ausgegeben wurden und das gesamte Team sich noch Zeit für die entsprechende Zeichen- und Signierrunde nahm.

Es ließ sich nicht übersehen, dass das gesamte Projekt von einem sehr studentischen Ehrgeiz durchzogen war. Eine einfache Idee wurde angegangen und nach und nach zu einem immer ehrgeizigeren Projekt ausgebaut. Bemerkenswert ist, dass es dabei nicht zu Ausartungen kam, die am Ende das ganze Projekt hätten scheitern lassen können. Hier und da springt der Ehrgeiz dann allerdings etwas zu hoch hinaus. Nicht auf alle Zukunftsfragen lässt sich mit so einem Projekt der Weg zu einer Antwort legen. Doch berücksichtigt man die Dauer und den Umfang des Projekts, mag man den dreien solche kurzzeitigen Höhenflüge gerne verzeihen.

Auf der Bühne konnte man ein kleines Team beobachten, das sich vor dem Anspruch hoher Qualität nicht geschlagen gab und darüber hinaus das Konzept Comic lediglich als Medium einer weiterführenden Botschaft versteht. Mit dem Programm „Tage der Achtsamkeit“ werden die Besucher aktiv eingeladen, sich eigene Gedanken zu einer zukünftigen Gesellschaft zu machen. Gewiss gibt es hier keine finalen Antworten. Aber die Hintergrundarbeit und Recherche, die das Team angestellt hat, wird hier neben dem Comic auch als greifbares Sammelsurium vorgelegt, das zum Stöbern und Weiterführen durch den Leser einlädt.

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Das Publikum setzte sich, neben einigen deutlich älteren Semestern, zu einem großen Teil aus Studenten zusammen. So konnte man ein aufgeschlossenes und für Experimente empfängliches Publikum beobachten, welches allerdings auch nicht unbedingt das ausdauerndste ist, verglichen mit dem klassischen Comicfan (sofern der einmal überzeugt ist). Schon morgen kann ein anderes Projekt kommen, das die Aufmerksamkeit für sich gewinnt.

Hemispheres lotet aus, was abseits des reinen Mediums möglich ist

Vermutlich darf man das Projekt nicht bloß als reinen Comic sehen. Sonst wäre die zweite Crowdfunding-Kampagne, deren Zweck in der Finanzierung der Ausstellung, der Eröffnung und der sehr gut produzierten Dokumentation lag, überflüssig geworden. Hemispheres möchte den Leser und Zuschauer anstoßen, über den Comic hinaus, mit einer Nachhaltigkeit, die sicher auch anderen Comic- und Medienprodukten gut tun würde. Hier wurde über klassische Werbekonzepte und virales Marketing, welches oft zwar aufsehenerregend aber im Endeffekt doch nur sehr kurzweilig greift, hinausgedacht, um langfristig ein Themenforum zu bilden.
Es wird sich zeigen, was dabei am Ende herauskommen wird. Auch hier ist nun von den Machern Ausdauer gefragt. Denn zweifellos haben sie mit ihrer Art der Präsentation und Kommunikation ein neues Vorbild geschaffen, das hoffentlich den einen oder anderen Nachfolger inspiriert. Im Idealfall wird es zwei weitere Fortsetzungen geben, doch zuerst ist bei den Machern eine kurze Pause geplant, um sich erst mal von der Arbeit zu erholen und das Feedback auf das fertige Werk auf sich wirken zu lassen.

Zwei Interviews, die Alexander Lachwitz im Sommer 2013 bzw. im Sommer 2015 mit den Machern geführt hat, finden sich hier und hier. Zu unserer Rezension des Buchs geht es hier.

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