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Kohlhoffs Garten

Kohlhoffs Garten ist alles, nur kein Ort, um harmlose Stockenten mit hart gewordenem Toastbrot zu mästen. Olrik Kohlhoff führt uns durch diesen seltsamen Ort.

Alle Abbildungen © avant-verlag

Kohlhoffs Garten ist eine Sammlung von 55 querformatigen, monochromen Kohlezeichnungen, denen auf der gegenüberliegenden Seite i.d.R. eine Texttafel beigefügt ist. In verschiedenen Sprachen. Es handelt sich um Motive, die an Postkarten erinnern, und das entspricht auch etwa der Originalgröße der Zeichnungen.

Die Bilderfolge beginnt mit einem vollmundigen Versprechen: „There must be a better place: Kohlhoffs Garden“. Ein landschaftsarchitektonisches Paradies, ein Rückzugsort für Spazierstockrentner, eine Vergnügungshölle für abenteuerfreudige Kinder? Viel verrät uns das Plakat nicht, aber wir kennen natürlich auch die leeren Versprechungen der Werbewelt. Vielleicht sind die beiden graugekleideten Figuren auf dem Bild klüger als wir, weil sie nicht das Plakat anstarren, sondern uns.

Aber eine gewisse Attraktivität muss dieser Garten doch ausstrahlen, immerhin ist das Plakat englisch und orientiert sich an einem internationalen Touristenpublikum, das Schild auf der Folgeseite wiederum, oberhalb des (noch) verschlossenen Eisentores, ist auf Deutsch.

Kohlhoffs Garten mit verschlossenem Tor – der Eintritt fordert den Leser*innen schon ein wenig Eigeninitiative ab. Ob man dann hastig hindurchradelt oder gemächlich schlendert, ist jedem selbst überlassen.

Olrik führt uns nun durch seinen Garten, aber genau genommen führt er uns gar nicht, vielmehr verdrückt er sich sofort nach dem Betreten in die Büsche und lässt uns Leser*innen allein. Bei diesem Spaziergang sind wir ganz auf uns allein gestellt. Angst? Zurecht. Oder wie es auf der ersten Texttafel, darin ganz an die Stummfilmzeit erinnernd, heißt: „Hurra Angst!“

Auf dem nächsten Bild wird genau diese Angstlust ins Bild gesetzt. Wir sehen zwei Kinder auf ein historistisches Bauwerk zulaufen, aus dem eine Rutsche herausführt, die ganz und gar nicht ausschaut, als hätte der TÜV Rheinland-Pfalz sie genehmigt. Zuviel freier Fall, zu dramatischer Looping. Zugleich bieder und waghalsig.

Überhaupt ist das Arrangieren von Gegensätzen, das Collagieren von Unvereinbarkeiten ein zentrales Konstruktionsprinzip dieser Bilderfolge, die eine Welt irgendwo zwischen den 1920er Jahren und unserer Gegenwart zeigt. Aber eigentlich zeigt sie ja gar nicht unsere Welt, sondern bedient sich nur mancher Versatzstücke, die wir aus unserer Welt wiedererkennen, wohingegen die Arrangements grundsätzlich traumhaft entrückt sind. Ein Karussell mit riesigen Spinnen. Der „battle of architectures“ – Bauwerke beim Ringkampf.

Die Bilderfolge erinnert an die surrealistischen Collageromane von Max Ernst, La femme 100 têtes (1929), Rêve d’une petite fille qui voulut entrer au Carmel (1930) und schließlich der gewaltige Une semaine de bonté (1934). Diese rätselhaften Grafiken übten eine gewaltige Faszination aus, und der Kunsthistoriker und Max-Ernst-Experte Werner Spies sieht Rezeptionsbeispiele bei Charlie Chaplin, Terry Gilliam und David Lynch. Olrik Kohlhoff müsste man vielleicht ergänzen, denn gerade in dessen Visualisierungen des Hybriden, etwa bei den Menschen mit Eulenköpfen, finden wir zahlreiche Parallelen bei Max Ernst.

„Olrik Kohlhoff“ – das klingt ein Name wie aus einem verschollenen Thomas-Mann-Roman und dürfte Comic-Fans unbekannt sein, immerhin ist das der erste Comic des Kieler Grafikers, der nicht auf dem Zauberberg lebt, sondern im Kieler Kreativstadtteil Gaarden, der sicher nur zufällig so klingt wie der Titel.

Neun der Abbildungen aus Kohlhoffs Garten sind noch bis zum 24. Februar 2024 im Rahmen der Ausstellung „Es ist solange schön bis man es vergisst“ in der Galerie Maurer in Frankfurt am Main zu sehen. In diesem größeren Werkzusammenhang des Kieler Künstlers wird dessen Präferenz für großformatige Kohlezeichnungen sichtbar, in denen sich seltsame Welten offenbaren. Die postkartengroßen Zeichnungen erschienen im Oktober 2023 im avant-Verlag im Buchformat und wurden dann einzeln mit längeren Texten in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorgestellt.

Letztlich ließe sich natürlich darüber streiten, ob es sich bei Kohlhoffs Garten wirklich um einen Comic handelt, aber das überlassen wir anderen, zumal es wenig daran ändert, dass dieser Garten einen Besuch wert ist. Zumindest für Leser*innen, die keine Story erwarten und sich nicht von der semantischen Offenheit der Bilderfolge abschrecken lassen, sondern bereit sind, die Abbildungen selbst in einen sinnvollen Zusammenhang zu setzen. Die anderen können ja Enten füttern.

Surrealistischer Rätselspaß

8von10Kohlhoffs Garten
avant-verlag, 2023
Text und Zeichnungen: Olrik Kohlhoff
80 Seiten, schwarz-weiß, Hardcover
Preis: 24,00 Euro
ISBN: 978-3-96445-099-9
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