Es lohnt sich eigentlich immer, den Kulturkanal Arte einzuschalten. Zum Beispiel wegen der Spirou-Sendung, die noch bis Februar 2022 in der Mediathek aufgerufen werden kann.
Christian: Es lohnt sich immer wieder, aufmerksam durch das Angebot der Arte-Mediathek zu scrollen. Unter der Rubrik „Pop-Ikonen“ stößt man derzeit unter anderem auf die enorm sehenswerte Dokumentation „Spirous lustige Abenteuer – Die Geschichte einer Comiclegende“. Der fünfundfünfzigminütige Film ist prall gefüllt mit Wissenswertem, das auch den fortgeschrittenen Fan vollends zufriedenstellt.
Auch wenn die Figur Spirou im Vordergrund steht, lernt man nebenbei viel über die ersten Tage des belgischen Spirou-Magazins und die Motivation, die Dupuis überhaupt dazu veranlasste, das Magazin zu gründen. Man sieht viele kleine Filmaufnahmen und Fotos von frühen Künstlern wie Rob-Vel, Jijé, Franquin und Morris. Jijés katholischer Hintergrund wird thematisiert und dass er in den 1940er Jahren auch einen Don Bosco-Comic zeichnete. Man erfährt von der Amerikareise von Morris, Jijé und Franquin und der Quintessenz, dass diese Künstler am besten waren, wenn sie ihre eigenen Comics – sozusagen „Trickfilm für Arme“ – machten; nur ein Blatt Papier, Tusche und Farbe, aber unendlich viel Fantasie und Vielfalt und seit 75 Jahren ein uverändert hohes Niveau.
Es geht um die wechselvolle Geschichte des Magazins, von diversen Generationenwechseln, als beispielsweise Yvan Delporte den Sitz des Chefredakteurs übernahm und seine Mitarbeiter zu immer neuen verrückten Ideen animierte. So entstand auch auch der Bürobote Gaston, eine völlig unübliche Figur, die mit perfektem Gespür für Marketing ins Leben gerufen wurde. Nicht nur (aber vor allem) bei Gaston waren die Grenzen zwischen Comicseiten und dem Alltag im Studio fließend. Erfährt man erst, dass Delporte unter anderem einen Löwen im Studio als Haustier hielt, bis er zu groß und gefährlich wurde, ahnt man, dass Gaston-Comics mehr Alltag beschreiben, als man je zu glauben wagte.
Ich wusste nicht wie stilprägend Franquins Designkünste tatsächlich waren, was Häuser, Autos und Möbel angeht. Mir war klar, dass Fournier Spirou mehr und mehr politisierte, hatte aber keine Ahnung von der subversiven Energie Tome und Janrys, die nur zu gerne an der Zensur vorbei arbeiteten und neue Herangehensweisen wagten. Sehr gefreut hat mich auch, dass in Deutschland eher unbekannte Aspekte wie Onkel Pauls Erzählungen angesprochen werden (auf den Namen Charlier wartet man allerdings vergeblich) und sehr schön fand ich, dass Minicomics und saisonale Illustrationen ebenfalls Eingang in den Film fanden. Das öffnet die Augen dafür, mit wie viel Gespür auch Rolf Kauka seine Fix und Foxi-Hefte in den 1960er und 70er Jahren stets mit der Lebenswelt der jugendlichen Lesern verknüpfte.
Es ist einfach gleichermaßen gewinnbringend für Neueinsteiger wie langjährige Fans, diese teils sehr persönlichen Einblicke in die Lebenswelt der Künstler zu bekommen: Franquin, Jijé, Roba, Yvan Delporte, Fournier, Tome, Janry, Zep, Raoul Cauvin, Francois Walthery, Roger Leloup, auch Hergé schaut mal vorbei, und so viele, viele mehr.
Wer dann auf den Geschmack gekommen ist, findet auf Arte noch weitere schöne Sendungen. In „Stadt, Land, Kunst“ ist derzeit ein sehenswerter Beitrag über die Gegend, in der André Juillards und Patrick Cothias‘ Die Sieben Leben des Falken spielt. Es gibt eine tolle Doku über Tarzan, über Hergé – und das waren nur die Comicsachen …