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Von Gir zu Moebius – Der Smaragdsee

Während das experimentierfreudige Gesicht des janusköpfigen Comiczeichners sich Rauschmitteln zuneigt, richtet sich der Blick des Traditionalisten auf klassische Abenteuergenres wie den Western: Moebius ist berühmt für den Incal und Arzach, Gir für den Leutnant Blueberry. Die Nebenwerk-Kompilation Von Gir zu Moebius – Der Smaragdsee zeigt die Entwicklung des Künstlers anhand weniger prominenter Kurzcomics.

Alle Abbildungen © Splitter Verlag

Moebius erfährt in Deutschland sieben Jahre nach seinem Tod eine kleine Renaissance: Während eine große Ausstellung im Max-Ernst-Museum Brühl im vergangenen Jahr einige Aufmerksamkeit erfuhr (hier ein Artikel von Andreas Platthaus), erschienen bei Splitter eine Neuausgabe von Der Mann von der Ciguri, eine Vorzugsausgabe des Incal und die Sammlung Moebius Opus, während Egmont begann, die Blueberry Collector’s Edition herauszugeben.

Nur wenige Künstler haben ein so gegenläufiges Werk hinterlassen wie Jean Giraud, der Mann hinter den Pseudonymen. Als „Moebius“ signiert er seine kohärenzverweigernden Science-Fiction-Welten, die vom Incal, Arzach und Major Grubert bevölkert werden. Als „Gir“ hingegen zeichnet Giraud die traditioneller anmutenden Arbeiten, allen voran die Zeichnungen von Leutnant Blueberry für die Geschichten von Jean-Michel Charlier. Der vorliegende Band versammelt 23 kürzere und weniger bekannte Comics von 1956 bis 1979, die Moebius/Gir verfasst oder gezeichnet hat.

Die Exkursion durch die Randgebiete des Moebius-Kosmos‘ beginnt mit der humoristischen Western-Serie Frank und Jeremy, die 1956 in Far West erschienen ist. Es handelt sich um die ersten Publikationen des Siebzehnjährigen nach seinem Mexikoaufenthalt bei seiner Mutter, bezeichnenderweise ein Westernsetting wie so viele in seinem Werk. Die Topographie Mexikos wirkte eine unglaubliche Faszinationskraft auf ihn aus, und so prägten die Landschaften sowohl das Science-Fiction-Werk von Moebius als auch die Western von Gir: „Mexiko war immer da. Eingepflanzt in mich wie ein Stachel“, schrieb er in seiner Autobiographie. Die drei Kurzgeschichten von Frank und Jeremy bieten Slapstick-Humor und moralische Lehrsätze à la „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“.

Auf comickritik.de schrieb Jasper Nicolaisen in Zehn Fakten über Moebius über die frühen Western: „Er hat erst Comics gezeichnet, in denen die Leute noch normal aussahen, und in denen es eine Geschichte gab. […] Es guckte aber durch die Landschaft schon der Irrsinn.“ So kann man es wohl ausdrücken, in Frank und Jeremy freilich ist der Wahnsinn noch nicht heimisch.

Seine Begeisterung für Western sollte ihm erhalten bleiben, auch in seinen Beiträgen für das Magazin Total Journal (1965-70) dominieren Geschichten um Indianer und Cowboys. Die Zeichnungen werden zugleich realistischer, so in Der Smaragdsee oder Der Outlaw, und cartoonhafter wie in Kopfgeldjäger oder der überzeichneten Goldgräberkomödie Klumpen und Diebe.

Interessante Exoten sind die Fotostory Die Menschenfänger von Montana für Pilote und die Kurzbiografie über Marie Curie. In seinen Zeichnungen für Pilote und Tintin (1967-79) sieht man schon die Entwicklung seines zweiten Alter Egos, das sich im Laufe der 1970er durchsetzen wird: Moebius, der neben dem Irren Ständer (1974) seinen Arzach (1976) und Die hermetische Garage (1979) publiziert.

Man darf von diesem im März 2019 bei Humanoides erschienenen Band weder die entrückten Szenarios von Moebius erwarten noch die rasanten Abenteuer Blueberrys: Die Zeichnungen und Geschichten entfalten ihren familiären Reiz vor allem dadurch, dass man Moebius/Gir beim Aufwachsen begleiten darf.

Weder Blueberry noch Arzach

9von10Von Gir zu Moebius. Der Smaragdsee
Splitter Verlag, 2020
Text und Zeichnungen: Jean Giraud (d.i. Moebius) u. a.
Übersetzung: Harald Sachse
144 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 25,00 Euro
ISBN: 978-3-96219-487-1
Leseprobe

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