Mitten in der Wüste erhebt sich ein großer Felsbrocken. Darunter hervor kriecht ein physisch lädierter Mönch in dunkelblauen Jeans: der Shaolin Cowboy. Mit einem wirbelnden Kampfstab in der Hand, an dessen Enden Kettensägen montiert sind, orientiert er sich kurz und stellt schnell fest, dass ihm eine Horde Zombies im Nacken sitzt.
Sechs Jahre zuvor hat der kampferprobte Mönch schon das ein oder andere skurrile Erlebnis gehabt, nämlich in einer siebenteiligen Serie, die dem vorliegenden Band mit der vollständigen Dark-Horse-Miniserie vorausging und damals beim Kleinverlag Burlyman Entertainment in den USA erschien. Wirklich bedeutend für das Verständnis der aktuellen Lektüre ist deren Handlung sicherlich nicht, aber die ausführliche Textzusammenfassung, die der deutschen Ausgabe von „Shemp Buffet“ vorangestellt ist, ist auch ohne Bilder geradezu köstlich. Das Ganze klingt wie ein völlig verrückter Fiebertraum, wie eine Witzeinleitung, die sich ein kreativer Redakteur als gefaketes „Was bisher geschah …“ nicht besser hätte ausmalen können. So absurd es sich liest – weshalb ich an dieser Stelle darauf verzichte, zu versuchen, den Inhalt nur ansatzweise plausibel wiederzugeben – so absurd ist der Stilbruch, den Autor und Zeichner Geof Darrow mit seiner zweiten Serie begeht. Quasi als Fortsetzung konzipiert, reduziert er den Sprachanteil auf ein Minimum (die Hauptfigur sagt auf 140 Seiten nur sporadisch ein und denselben Satz), verzichtet auf einen nennenswerten Plot und legt damit zwangsweise ein grafisches Konzeptalbum vor, das eine Episode, ein Abenteuer seines Shaolin Cowboy in einzigartiger Ästhetik und mit unerhörter Radikalität auswalzt. „Shemp Buffet“ ist eine Geschichte, bei der es keine Rolle spielt, woher die Titelfigur kommt oder wer sie ist. Auch ihre Motivation ist zu vernachlässigen. Den Ort (eine Wüste in Amerika?) und die Zeit (Gegenwart?) kann man gleichfalls vergessen, denn all das dient Darrow letztlich nur als Hintergrundkulisse, die er nicht mal in Ansätzen erklären möchte.
Nun ist Geof Darrow kein Zeichner, dessen Oeuvre vor vielen langen Comicstories strotzt. In Deutschland hat man zuletzt sein futuristisches Sci-Fi-Brachialwerk Hard Boiled bewundern dürfen, welches von Frank Miller erdacht wurde. Aber immer wenn man Darrows Bilder zu Gesicht bekommt, sind diese unverkennbar. Denn mit ihrer detailreichen Darstellung, oftmals im Wimmelbild-Stil, und den präzise ausgeführten Gewaltszenen ist die Grafik des US-amerikanischen Künstlers gleichermaßen verstörend wie bewundernswert. In „Shemp Buffet“ zelebriert Darrow nun genüsslich den unerbittlichen Krieg seines leicht pummeligen Helden gegen die nicht enden wollende Armee der Untoten. Der Kettensägen-Stab rotiert unaufhörlich durchs faulige Fleisch der Massen, Blut spritzt en masse, Gliedmaßen fliegen. Ist das Benzin alle, kommt klassische Kung-Fu-Kampfkunst zum Einsatz. Der Comic ist eine Grafikexplosion, eine einzige lange Actionsequenz, eine Zombie-Schlachtplatte, ein ambitioniert arrangierter Gewaltexzess. Das kann man mögen, muss man aber sicher nicht.
Im Übrigen ist es beinahe schon wahnwitzig, wie weit der zeichnerische Eifer Darrows geht. Denn als ob es nicht schon aufwändig genug wäre, auf jeder Seite zahllose Körper in unterschiedlichen Posen auszuarbeiten, so sind diese auch noch allesamt gehörig tätowiert (u.a. auch mit Hakenkreuzen, die für die deutsche Ausgabe retuschiert wurden). Zudem sind sogar die Steine in der Wüste bemalt und es hat sich dort aus unerfindlichen Gründen jede Menge Müll am Boden angesammelt. Sinn macht das eher keinen, aber es bringt einen als Leser durchaus zum Staunen. Die vereinzelten Seiten, auf denen tatsächlich mehr gesprochen wird und in denen weitere Nebenfiguren auftauchen, sollen wohl einen groben Zusammenhang zu den früheren Comics herstellen, man darf dieser aber getrost ignorieren. Denn im Grunde kontrastieren sie nur auf bizarre Weise das eigentliche Geschehen.
Radikales Grafikspiel, das durch seinen hohen Detailgrad und seine Konsequenz beeindruckt
Cross Cult, 2016
Text/Zeichnungen: Geof Darrow
Übersetzung: Kai Hirdt
144 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 25 Euro
ISBN: 978-3-86425-838-1
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