Sechs Jugendliche ertragen ihre Eltern nicht mehr. Normal. Aber diese Clique hat nun wirklich allen Grund dazu: Brian K. Vaughans (Saga, Y – The Last Man) Ausreißersuperheldengeschichte ist nun als Gesamtausgabe erschienen.
Während sechs nichtverwandte Pubertierende sich im Luxus-Spielzimmer gegenseitig anöden, versammeln sich deren Eltern in der Bibliothek, um „Elterndinge“ zu besprechen. PUSTEKUCHEN! Das jährliche Zusammentreffen der Eltern verfolgt keine hohen Ziele, sondern dient der Durchführung eines bestialischen Ritualmords. Kinder sollten nie durch Schlüssellöcher schauen, hinter denen ihre Eltern allein sind. So auch hier: Die Jugendlichen beobachten ihre seltsam maskierten Eltern bei der grausamen Tat und begreifen, dass diese keine Superhelden, sondern vielmehr Superschurken sein müssen. Sodann werden aus den sechs Jugendlichen sechs Ausreißer: Runaways. Sie fliehen vor ihren Eltern, die natürlich not amused sind über ihre neugierig-ungehorsame Brut, und entdecken zugleich ihre eigenen Superkräfte: Karolina ist die Tochter zweier Alien-Invasoren, die nicht nur fliegen, sondern auch Sonnenenergie umwandeln kann. Gertrude hat einen Dinosaurier an ihrer Seite, der ihre Gedanken lesen kann und ihr bedingungslos gehorcht. Und Chase hat Handschuhe, die seine Kräfte verstärken, sowie eine Röntgenbrille, die er anfangs einsetzt, um seine Freundinnen zu beobachten. Die Jugendlichen legen ihre Namen ab und heißen plötzlich Lucy in the Sky with Diamonds, Sister Grimm oder Arsenic. Sie setzen sich als Ziel, ihre Eltern bloßzustellen (wie alle Pubertierenden) und deren dunkle Pläne globalen Ausmaßes zu durchkreuzen.
Herrlich, wie Brian K. Vaughan die Dramatik der Adoleszenskrise im Superheldenformat inszeniert: Die Kinder werden zu Superhelden wider Willen, und ihre neue Identität ist vor allem eine Flucht aus der alten Rolle des Kindes. Wenn sie sich coole Namen zulegen, dann vorrangig deshalb, um die ‚alten Namen‘, die ihnen die Eltern gegeben haben, ablegen zu können. Nun wollen sie anders sein als ihre Schöpfer und gehen ihre eigenen Wege. Was sind Kinder anderes als Superhelden, die gegen ihre Eltern ankämpfen und ihren Weg suchen?
Ob Saga, Y – The Last Man oder Ex Machina: Was Brian K. Vaughan anpackt, wird erfolgreich. Es ist keine Überraschung, dass Runaways nun auch als TV-Serie (Hulu, seit 2017) umgesetzt worden ist. Was die Zeichnungen anbelangt, so wird Adrian Alphona nie zu meinen Lieblingszeichnern zählen, aber noch irritierender ist der Zeichnerwechsel in #11 und #12, als Takeshi Miyazawa den Pinsel übernimmt. Dieses Intermezzo ist, unabhängig von den Qualitäten Miyazawas, kein glücklicher Handgriff gewesen: Wer möchte schon nach einigen hundert Seiten seine liebgewonnenen Figuren plötzlich leicht mangaisiert sehen, um dann bald wieder zum gewohnten Stil zurückzukehren? Das ist wie ein Synchronsprecherwechsel mitten im Satz. Aber gut. Wenn das alles ist: Runaways ist ein Comic, dessen Lektüre wirklich Spaß macht und deshalb über die ganze Distanz fesselt.
Dieser Panini-Megaband umfasst die 18 Ausgaben, die von Juli 2003 bis November 2004 im Marvel-Imprint Tsunami erschienen, nicht aber die späteren Comics, die ab Februar 2005 publiziert wurden. Das Megaband-Format ist nicht das leserfreundlichste (es sei denn, man steht auf Softcover-Ziegelklötze), aber es ist auf jeden Fall eine kostengünstige Alternative zu den Einzelveröffentlichungen. Wer die inzwischen 15 Jahre alte Serie also noch nicht kennt oder durch die TV-Serie darauf aufmerksam geworden ist: Reinschauen.
Ganz und gar nicht zum Weglaufen
Panini, 2018
Text: Brian K. Vaughan
Zeichnungen: Adrian Alphona, Takeshi Miyazawa (nur #11/12)
Übersetzung: Carolin Hidalgo
436 Seiten, Farbe, Softcover
Preis: 39,00 Euro
ISBN: 978-3741606298
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