Die in Deutschland bislang unvollständig publizierte Serie um den Privatdetektiv Jackie Kottwitz wird derzeit bei Finix Comic in Sammelbänden komplettiert.
‚Jackie Kottwitz‘ heißt im französischen Original ‚Jérôme K. Jérôme Bloche‘ und hatte seinen ersten Auftritt 1982 im Magazin Spirou. Die Serie begann als Gemeinschaftsarbeit von Pierre Mayko als Autor und Alain Dodier als Zeichner. Serge Le Tendre leistete bei der ersten Geschichte redaktionelle Hilfe und wird als Ko-Autor geführt. Inzwischen ist die Serie auf siebenundzwanzig Alben angewachsen, und Dodier, der inzwischen als alleiniger Autor und Zeichner tätig ist, arbeitet bereits am nächsten Album. Auf Deutsch wurden vier Bände von Carlsen verlegt, danach versuchte es der Phönix Verlag mit einem fünften Album. Seit 2013 arbeitet der Verein Finix Comics daran, die Serie komplett als Hardcover mit drei Alben pro Band zu verlegen. Mit dem neunten Sammelband, erschienen im Juni 2021, ist die Serie nun auf dem Stand des Originals.
Jackie Kottwitz ist ein junger Mann Anfang zwanzig, der den Traum hegt, einmal Privatdetektiv zu werden. Nach einem Abendkurs ist es soweit, und während seiner Abschlussprüfung fällt ihm der erste Fall in den Schoß: Er muss den Mord an seinem Lehrer aufklären. Irgendwie spielen Giftpfeile aus Blasrohren und ein afrikanischer Fetisch eine Rolle. Mit mehr Glück als Verstand stolpert sich Jackie zur Lösung.
Die ersten drei Alben versuchen noch, mit ungewöhnlichen Aufhängern und bizarren Wendungen die Geschichten spannend zu machen. Slapstick kommt in diesen Geschichten ebenfalls vermehrt vor. Ein Großteil des Humors konzentriert sich auf Jackies Marotten. Denn am Anfang ist unser Meisterdetektiv ein richtiger Pingel, der gewisse Sachen einfach nicht isst, und wehe, wenn er anfängt, über seine Interessen zu sprechen. Er ist sehr zerstreut, worunter vor allem seine spätere Verlobte Babette zu leiden hat, und er verträgt keinen Alkohol – die stärkste Spirituose ist ein Glas Limo ohne Zucker.
Im Gegensatz zu seinen großen Vorbildern Philip Marlowe und Sam Spade ist er also kein harter Bursche, sondern ein freundlicher Tollpatsch im Trenchcoat. Mit der Zeit entwickelt sich Jackie jedoch von einem Exzentriker immer mehr zu einem ernsthaften Ermittler, dem nicht alles sofort gelingt. Diese Entwicklung macht er unter Dodier als Autor durch, unter dem die ernsten Aspekte der Serie immer mehr in den Vordergrund rücken. Zwar gibt es auch weiterhin hier und da etwas zu schmunzeln, aber die Idee, aus Jackie Kottwitz eine richtige Krimiserie zu machen, tat auf jeden Fall gut.
Ab diesem Zeitpunkt fand die Reihe dann auch endlich ihre eigene Stimme, was sich schon in der ersten Geschichte zeigt, die Dodier allein schrieb. Das ist das vierte Album Späte Rache, in dem Jackie von einem dubiosen Fischer angeheuert wird, um den Ursprung eines geheimnisvollen Briefes herauszufinden. Wie sich herausstellt, spielen Eifersucht und Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg eine große Rolle, was dann in ein besonders düsteres Finale mündet. Die Handlung hat zwar noch ein paar Längen, zeigt aber schön, in welchen Themen Jackie Kottwitz brilliert. Nämlich dann, wenn es um private Tragödien geht.
Jackie wird nie große Korruptionsskandale aufdecken. Seine Fälle drehen sich um kleine Dramen, oft aufgebaut um zerrüttete Familien, oder kleine Verbrechen, die für Menschen große Schäden zur Folge haben. Dodier erzählt das alles sehr realistisch, was auch daran liegen mag, dass er seine Inspirationen aus seinem privaten Umfeld oder aus dem Milieu zieht, in dem er aufwuchs. So wagt er sich aber nicht in fremde Umgebungen, und die Geschichten drehen sich oft um die Kernfamilie: Vater, Mutter, Kind. Trotzdem sind die Geschichten zeitlos, selbst wenn Jackie mit der Zeit gehen muss und irgendwann Handys und Computer anzuschaffen hat. Ich würde höchstens die ersten drei Alben kritisieren, da ihre Erzählungen nicht mehr zur Qualität und zum Ton der späteren Serie passen.
Dodiers Zeichnungen sind ähnlich konservativ wie seine Geschichten. Er zeichnet seine Seiten oft mit sechs bis acht Panels, schafft es aber, dass keines zu klein aussieht. Sein Stil ist eher am Realismus angelehnt, allerdings nicht statisch. Dodier ist besonders gut darin, Mimik und Gesichter zu zeichnen. Einmal gesehen, wird man sofort wissen, welche Figur welche ist, was ich gerade auch bei seinen Frauenfiguren sehr schön finde, da diese in allen Altersklassen und Körperformen auftreten und nicht nur immer wieder dasselbe Gesicht mit unterschiedlicher Frisur zeigen.
Die deutsche Ausgabe enthält ausgezeichnetes Hintergrundmaterial wie Interviews und Skizzen. Dodier gibt Einblick in seine Arbeitsweise, unter anderem wie er sich Referenzen beschafft und wie ihm Ideen für eine Geschichte kommen. Ich empfehle jedem, der in die Serie hineinschauen möchte, den sechsten Sammelband. Der enthält eine spannende Thrillergeschichte, den besten Kriminalfall und eine kleine Familientragödie, womit alles abgedeckt wird, worin die Serie gut ist. Einen besseren Start kann ich mir für diese Reihe, die hoffentlich das dreißigste Album vollenden wird, nicht vorstellen.
Zeitloser Klassiker, der sich immer lohnt gelesen zu werden.
Finix Verlag, 2013–21
Text und Zeichnungen: Alain Dodier (Bd. 1–9), Pierre Mayko (Ko-Autor Bd. 1, 2 & 4), Serge Le Tendre (Ko-Autor Bd. 1)
Übersetzung: Michael Hug & Marcus Schweizer (Bd. 1), Oriol Schreibweis (Bd. 3-8), Michael Steets (Bd. 2, 3 & 9)
160–232 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: je 29,80 Euro
ISBN: 978-3941236783 (Bd. 1), 978-3941236790 (Bd. 2) 978-3945270073 (Bd. 3), 978-3945270080 (Bd. 4), 978-3945270158 (Bd. 5), 978-3945270332 (Bd. 6), 978-3945270349 (Bd. 7), 978-3945270356 (Bd. 8), 978-3945270974 (Bd. 9)
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