Comics spielen kaum eine Rolle: Bodo V. Hechelhammers kritische Biografie über den einflussreichsten deutschen Comicverleger ist mutig und aufschlussreich und macht schlechte Laune, geht aber am Thema vorbei.
Das Spannendste an Rolf Kauka ist und bleibt Lupo. Menschen beschäftigen sich mit dem seit zwanzig Jahren toten cholerischen Münchener Unternehmer, weil er Comics produziert hat. Nicht irgendwelche Comics, sondern genau diese Comics zu dieser Zeit. In ihnen wurde in einem damals neuen (und durch und durch fragwürdigen) Werkstattmodell das erste genuin deutschsprachige Comicuniversum entwickelt. Und das war ästhetisch und ideologisch auf zeitgemäße Art heillos zerrissen, schnodderig und konservativ, fabrikmäßig hergestellt und voll individueller Handschriften. Kauka hat diese Comics nicht gezeichnet und nicht geschrieben, aber ermöglicht und erzwungen. Wie viele Schlösser Rolf Kauka besessen und mit wie vielen Frauen er geschlafen hat, interessiert niemanden auch nur annähernd so wie die Frage, worin das spezielle Erbe von Fix und Foxi besteht und ob wir mit ihm noch etwas anfangen wollen. Und selbst Kaukas trotz allem überraschend widerlicher Werdegang als Soldat im Zweiten Weltkrieg und seine durchaus faszinierenden BND-Kontakte sind nicht annähernd so geheimnisvoll wie die Frage, wer – und da wären wir wieder – nun eigentlich Lupo erschaffen und gestaltet hat, diese eine unbestreitbar originelle Figur aus Kaukas Schmiede. Könnte das bitte jemand einmal Bodo V. Hechelhammer weitersagen?
Hechelhammer legt mit dem Fürst der Füchse die erste ausführliche Biografie von Rolf Kauka vor, und das in Buchform und von Kaukas Familie autorisiert. Er präsentiert unnachgiebig und unerschrocken und dabei doch um grundlegende Fairness bemüht einigermaßen spektakuläre Leichen aus Kaukas Keller. Dazu besitzt er die seltene Fähigkeit, komplexe Tatsachen und Prozesse transparent und interessant zu schildern (Personen gelingen ihm weniger gut). Leider interessiert er sich nicht für Kaukas Comics oder vermeidet es zumindest, selbst dann ein paar eigenständige Sätze zu ihnen zu formulieren, wenn es seine Biografie eines Comicverlegers bedauerlicherweise nun einmal gerade erfordert.
In diesem Buch über Rolf Kauka wird der Starzeichner Fecchi, der Millionen von Leser*innen geprägt hat, genauso häufig erwähnt wie Albert Speer und Tony Marshall (und sehr viel seltener als Franz Josef Strauß), nämlich einmal (Peyo, dessen Schlümpfe Kaukas Comics Ende der 1970er Jahre retteten, kommt dagegen gar nicht vor). Über Florian Julino, er wird zweimal genannt, der mit Hunderten von elegant versponnenen Titelbildern ein bisschen absurde Poesie in den deutschen Comic gebracht hat, heißt es lapidar, Kauka habe dessen feinsinnigen Humor nie wirklich verstanden. Das Gleiche schreibt Hechelhammer zu Kaukas Haltung gegenüber den unsterblichen Comicklassikern aus Belgien, die durch Kaukas Publikationen in Deutschland bekannt wurden. Das Debakel um die erste deutschsprachige Asterix-Übersetzung immerhin wird konkurrenzlos detailliert behandelt, aber ohne, dass das Konzept von Asterix und Kaukas verfälschendes Konzept wenigstens ein bisschen analysiert werden würden (ganz zu schweigen von Funnies und ihren politischen Botschaften an sich oder den Gründen für ihren Erfolg oder Misserfolg).
Nicht einmal im Spaß fällt auf den knapp 400 Seiten der Name „Eusebia“. Wenn 1971 die umstrittene Verlagsbibel „Elemente der Kauka-Comics“ eingeführt wird, erwähnt Hechelhammer nicht ein einziges Element und erklärt auch nicht, worum es bei diesen Vorgaben überhaupt geht. Dafür werden eine Seite später detailliert die möglichen Auflagen von Kaukas Publikationen aufgelistet. Fix und Foxi, Lupo, Primo usw. sind nur als Quellen von Kaukas Einkommen von Bedeutung, Zeichner sind vor allem Anlass für Urheberrechtsstreitigkeiten, und Bussi Bär war die Idee einer Geliebten. Im Grunde, so scheint es, hätte Rolf Kauka auch mit Büroklammern handeln können. Dann würden wir allerdings auch kein Buch über ihn lesen.
Es fällt schwer, dieses ehrenwert schockierende Buch nicht dafür zu kritisieren, was es nicht ist – also, die Biografie eines Comicverlegers, die Geschichte eines Comicverlags, die Schilderung einer spezifischen Zeit der europäischen Comicproduktion. Vielleicht möchte Hechelhammer die Comics vor einer zu engen Verbindung zu Rolf Kauka retten. Denn Hechelhammers Buch ist die Biografie eines geschickten Opportunisten im Wandel der Zeit, dessen einziger innerer Anker offensichtlich eine nie überwundene deutschnationale und soldatische Prägung ist. Es wurde immer viel über Kauka gemunkelt, Hechelhammer belegt: Es war alles noch viel schlimmer. Satte achtzig Seiten lang zeigt er uns den jungen Kauka als überzeugten und karrierebesessenen Nazi und gewaltbegeisterten Soldaten. Hechelhammer macht auf jeder Seite seine Ablehnung der NS-Ideologie in all ihren Spielarten unmissverständlich deutlich. Gegenüber Militärgeschichte und ihren makabren Details scheint er aber zumindest einer gewissen Ambivalenz zum Opfer zu fallen, vielleicht reißt ihn auch nur die Begeisterung über das von ihm gehobene Material mit: Seiten über Seiten referiert er, welche Position Kauka wann an welchem Gewehr unter welchem Befehl innehatte und vermerkt unter anderem penibel: „er (..) erhielt nur eine rudimentäre Sprungschulung.“
Nach dem Krieg fälscht und bastelt Kauka unverfroren an seiner Vita herum, erschleicht sich trotz seiner Vorgeschichte grenzlegale Publikationsmöglichkeiten und erklärt sich zum Doktor der Germanistik, während er in Wahrheit in der neunten Klasse von der Schule abgegangen ist. Dieser Hochstapler könnte eine interessante Figur sein, ein Lupo im echten Leben, wenn er auch nur den geringsten Charme besitzen würde. Stattdessen begreift sich der autoritäre, sexistische und ungebremst egoistische Kauka in seinem unbelehrbaren Revanchismus bis zum Ende seines Lebens als stählerne ethische Autorität. Trotz seiner Herablassung gegenüber Comics empfindet er die Produkte seines Hauses gegenüber der amerikanischen Konkurrenz als kindgerechter und inspirierender, was wiederum Hechelhammer zu seinem besten Satz inspiriert: „Die kindliche Fantasie wurde aber durch Enten und Mäuse genauso wenig gehemmt, wie sie durch Füchse und Wölfe gefördert wurde.“
Als einigermaßen pikanten Aspekt breitet Hechelhammer, der selber hauptberuflich für den BND arbeitet, aus, wie Kauka immer wieder mit dem damaligen BND-Chef Gerhard Wessel (er bleibt leider blass) Urlaubsorte und Opern besucht und vergeblich versucht, den Geheimdienst dazu zu bringen, ihm dieses oder jenes Lustschloss zu finanzieren, die Agenten dürften es dann auch partiell beruflich nutzen. Als seine (dritte) Ehefrau bei einem Reitunfall stirbt, stürzt sich Kauka anschließend in die Zucht von Rennpferden. Kauka, an sich antiamerikanisch bis in die Knochen, verbringt seine letzten Jahre als Besitzer einer Südstaatenplantage, auf der er jeden Abend die Konföderiertenflagge neben der deutschen Fahne hisst und sich Alligatoren als Haustiere hält, die er nach den brutaleren römischen Kaisern benennt.
Hechelhammers Kauka ist ein durch und durch schäbiger Unsympath. Frauen und Familie, Mitarbeiter und Geschäftspartner, alle werden sie von Kauka ausgebeutet, hereingelegt, eingeschüchtert, verstoßen oder fertiggemacht. Beinahe verzweifelt will uns der vielleicht hier und da über sich selber erschrockene Autor dann und wann einen Herrenwitz, einen zynischen Spruch oder eine politisch widerliche Seitenbemerkung als Beispiel für Kaukas „ganz eigenen“ Humor und dessen „Kreativität“ verkaufen. Aber vermutlich ist eine offizielle und autorisierte Biografie noch nie ähnlich vernichtend ausgefallen. Ob es seine Absicht war oder nicht: Mit diesem Buch beerdigt Hechelhammer Rolf Kauka.
Der erste Impuls nach der Lektüre ist der, Kauka-Comics im Altpapier zu entsorgen und nie wieder darüber zu reden. Doch genau das sollten wir nicht tun. Ohne Lupo, Pauli und Bussi Bär wäre die Welt ein deutliches Stück unerfreulicher. Und selbst ein schlecht übersetzter Comic von André Franquin wirbt noch unwiderstehlich für Kunst, Humor und Humanismus. Wir sollten mehr über Kauka-Comics reden, nicht weniger, unter Berücksichtigung all ihrer furchtbaren Aspekte und von Hechelhammers Buch. Und ich möchte, unter massiven Magenschmerzen, dafür plädieren, dass wir sie unterm Strich zu den positiven Seiten der hiesigen Comickultur zählen. Trotz Rolf Kauka.
Nüchterner Blick auf Kaukas wenig ansprechendes Leben, der die Kauka-Comics endlich aus den Händen des bösen Onkel Rolf befreien könnte. Kein Fest für Comicfans
LangenMüller, 2022
Bodo V. Hechelhammer
396 Seiten, schwarz-weiß, Hardcover (Buch)
Preis: 25,00 Euro
ISBN: 978-3-7844-3625-8