„Kalif werden anstelle des Kalifen.“ Dieses Mantra, von dem der kleine Großwesir angetrieben wird, war – von seiner Erscheinung abgesehen – das Einzige, was mir von Isnogud bekannt war, bevor ich diesen Band las. Nun wurde mir die Lektüre der Serie schon des Häufigeren nahegelegt, also ergriff ich die Möglichkeit bei seinem neuesten Abenteuer beim Schopf.
Zuerst fällt die gelungene Aufmachung des Comics ins Auge. Das Hardcover ist gut verarbeitet, hält auch dem ruppigen Umgang eines Vierjährigen problemlos stand (was es auch musste, weil mein Sohn sich den Band schneller unter den Nagel gerissen hatte, als ich gucken konnte). Druck und Gestaltung sind sauber und machen Lust aufs Lesen.
Diese Lust wird einem auch nicht von den Zeichnungen genommen. Nicolas Tabary pflegt einen sehr gefälligen Strich, der routiniert wirkt und über die gesamte Länge des Bandes keine auffälligen Qualitätsausreißer hat. Hier und da wünscht man sich, dass die Körpersprache und Mimik der Figuren etwas expressiver seien und noch mehr das „gesprochene“ Wort unterstützen. Zudem wirken manche Settings wie separat gezeichnet und nachträglich runterskaliert eingefügt, da scheinen die Linien etwas feiner als bei anderen Hintergründen. Das mag der Zeichner in mir nicht so, ist aber durchaus legitim. Im großen Ganzen überzeugen die Bilder jedoch mit einem Detailreichtum, der für die oben genannten kleineren Mängel deutlich entschädigt. Man hat nie das Gefühl, dass Tabary die Lust an der Geschichte verlassen hätte.
Das wäre auch schwer nachzuvollziehen, denn was die beiden Autoren Canteloup und Vassilian hier gezaubert haben, ist an Esprit und Witz schwer zu überbieten. Zugegeben: Mir fiel erstmal schwer, mit der Fülle an Witzen, Anspielungen und Albernheiten zurecht zu kommen, denn es entspricht überhaupt nicht meinen Lesegewohnheiten, derart viel Lustiges um die Ohren gehauen zu bekommen. Doch mit der Zeit, als sich mein Gehirn daran gewöhnt hatte, wuchs die Hochachtung. Das Autorenduo beherrscht eine beachtliche Fülle an unterschiedlichsten Späßen, die (auch von Übersetzer Klaus Jöken) treffsicher an den Mann gebracht werden: skurrile Eigennamen wie „Allah Ak’Bar“ für eine Kneipe oder „Eff Zeh Chalque“ für ein Sultanat mit einer bekannten Fußballmannschaft, herrlich repetitive Szenen und auch Kalauer wie der „Pro-Feten“-Witz auf der hier gezeigten Beispielseite. Hin und wieder dauert es etwas, bis die Witze zünden, bei manchen schüttelt man den Kopf. Meistens schmunzelt man aber, und meine Frau musste beim Lesen teils laut lachen.
Die Grundlage für den ganzen Spaß bildet eine Rahmenhandlung, in der das Autorenteam die aktuellen Entwicklungen in den arabischen Ländern verarbeitet: der arabische Frühling mit der lauter werdenden Stimme des Volkes durch soziale Netzwerke („Fes-Bock“ und „Kwieker“), erstarkende Frauen sowie Menschen, die sich nicht mehr mit fremdbestimmten Lebenswegen abfinden, sondern ihren eigenen Träumen nachgehen wollen. Und mittendrin der konservative Protagonist, der zwar seine Chance sieht, endlich sein Ziel zu erreichen, schlussendlich aber mit der Situation total überfordert ist.
Das wird alles sehr subtil transportiert und überschattet nie die humorige Erzählung, so dass man nicht das Gefühl hat, eine Gesellschaftskritik zu lesen. Aber Canteloup und Vassilian ziehen ihre Inspiration eindeutig aus dem realen Leben. Und das Leben, das weiß der Volksmund, schreibt die besten Geschichten eben immer noch selbst.
Was mir etwas das Lesevergnügen getrübt hat, ist die vor allem am Anfang der Geschichte scheinbar willkürliche Änderung der Typogrößen. Man hat manchmal den Eindruck, als versuchte der Setzer bisweilen, mit größeren Buchstaben die Sprechblasen und Captions zu füllen, wenn nicht genug Text dafür da war. Manchmal funktioniert das, weil die Figur vielleicht auch gerade etwas „lauter“ sprechen könnte. Meistens sieht es aber unbeholfen aus. (Nachtrag d. Red.: Dass die unterschiedlichen Schriftgrößen bereits im französischen Original mit Absicht eingesetzt wurden, erklärt Herausgeber Jano Rohleder im anschließenden Kommentar.)
Doch den positiven Gesamteindruck dieses ersten Isnogud-Bandes aus dem Hause dani books kann das nur marginal trüben. Verleger Jano Rohleder schreibt im Nachwort, er hoffe, dass der Leser Freude an diesem bisher aufwändigsten Album seines Hauses hatte. Das, lieber Herr Rohleder, kann ich nur bejahen. Hat mir, und meiner ganzen Familie, Spaß gemacht.
Eine Geschichte, die aktuelle Themen gekonnt aufs Korn nimmt und bisweilen mehr Späße auf einer Seite liefert als andere „lustige“ Comics in ihrer Gesamtheit.
dani books, 2015
Text: Nicolas Canteloup, Laurent Vassilian
Zeichnungen: Nicolas Tabary
Übersetzung: Klaus Jöken
48 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 14,- Euro
ISBN: 978-3-944077-48-2
Leseprobe
Das mit den ständig unterschiedlichen Schriftgrößen ist auch im Original bereits so, wo alles von Nicolas Tabary handgelettert ist. Das habe ich hier mit dem Computerlettering im Vordergrund (und dem deutschen Handlettering im Hintergrund, das allerdings nicht von mir selbst stammt) so weit wie möglich adaptiert, um die Authentizität bzw. die Nähe zum Original beizubehalten. (Es ist also nicht so, dass mit großem Text eine große Blase gefüllt werden soll, sondern im Original ist einfach die Blase so groß, weil da so großer Text rein sollte. ;))
Und ja, es steckt tatsächlich in jeder einzelnen Schriftgröße und in jeder einzelnen Textposition ein Hintergedanke, auch wenn man das kaum glauben mag, da hier bei dem Album das Lettern aufgrund der Textfülle und der unmöglichen Blasenformen auch noch mal ewig gedauert hat. ^^ Normalerweise lässt sich ein Album an maximal einem Wochenende lettern. Hier hatte ich hingegen nach acht Stunden Arbeit immer etwa zwei bis zweieinhalb Seiten erst fertig, weil aufgrund der Blasenformen jede einzelne Zeile manuell millimetergenau eingerückt werden musste. Sollte ja gescheit aussehen und möglichst so gut wie der Originalband, also nicht so 08/15 hingeschludert wie das leider bei vielen anderen deutschen Comicalben oft der Fall ist. Hat sich aber gelohnt, denke ich. :)
Freut mich auf jeden Fall, dass dir (und deiner Familie ^^) der Band ansonsten so gut gefallen hat! :) Das laute Loslachen deiner Frau kann ich übrigens völlig nachvollziehen, so ging’s mir vom ersten Lesen auf Französisch bis heute in der deutschen Ausgabe bei jedem Reinschauen. :D