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Devolution

Apokalypse as usual: Die Welt steht am Abgrund – wir wussten es doch längst –, die Mehrheit ist maßlos, verlogen, bigott und unsozial. Aber das Schlimmste ist, dass der Untergang damit noch gar nicht so richtig begonnen hat. Es wird noch viel schlimmer – aber langsam: Auch Endzeitgeschichten wollen vom Anfang her erzählt werden …

alle Bilder © Splitter-Verlag

Raja lebt in einer Welt, deren Untergang in wenigen Panels nacherzählt wird: Eine handyfixierte, gewaltaffine und konsumbereite Menschheit ist im Begriff, alle sozialen Errungenschaften in die Tonne zu treten und den Alltag in einen Hobbesʾschen Tagtraum zu verwandeln, in dem jeder jedermanns Wolf ist.

Die Wissenschaft (böse, böse) scheint einen Ausweg gefunden zu haben, indem sie mittels eines viralen Wirkstoffs (DVO-8) ein Hirnareal deaktivieren, das den Glauben an Gott steuert. Denn darin vermuten sie die Wurzel allen Übels. Treffenderweise wird dies, so scheint es, zunächst im Nahen Osten eingesetzt, erweist sich aber als ansteckend – und voller Nebenwirkungen: Die Menschen mutieren zu hirnreduzierten Schlachtmonstern, Pflanzen entwickeln sich evolutionär zurück und Tiere werden zu urzeitlichen Killerbiestern. Nun ist wirklich jeder jedermanns Wolf. Die Menschheit ist komplett zurückentwickelt, abgesehen von einer kleinen Gruppe amerikanischer Soldaten, deren Impfung sie schützt (sicherlich kein Kommentar zum sinkenden Impfschutz in Deutschland), und der Vollwaise Raja, deren Eltern an dieser Apokalypse medizinisch mitverantwortlich gewesen sind.

Selbst schuld: Wie so oft ist der Untergang nur eine gerechte Strafe für die eigene Hybris (vgl. den Film I am Legend, 2007, bzw. die Romanvorlage von Richard Matheson), was hier bedeuten würde, dass die wissenschaftliche Skepsis an der Religiosität das größere Übel wäre als die Religion selbst. Ein interessantes Gedankenspiel, das leider fortan keine Rolle mehr spielen wird, denn nach dem ersten Heft spielt dieser Aspekt faktisch keinerlei Rolle mehr. Stattdessen wird es actionreich: Raja stößt auf ihrem Weg nach San Francisco, um dort ein Re-Devolutionsserum zu finden, auf die chauvinistische Soldateska um den Anführer Gil. Das Lager schützt die Truppe vor den Monstern, die vor den Mauern lauern, und es ist eine Anhäufung von Insignien des Amoralischen: Gils Kahlkopf wird von einem Hakenkreuz geschmückt, Totenschädel werden als dekorative Architekturelemente verwendet, die amerikanische Flagge hängt, symbolhaft für die Umkehrung aller Werte, demonstrativ falsch herum: Ein gut gefüllter Galgen im Bildhintergrund komplettiert das Schreckensszenario, das Raja mit einigen anderen Insassen gern wieder verlässt. Natürlich stößt diese Flucht auf Gils Widerwillen, und schon kann die abenteuerliche Jagd durch die Welt monströser Spinnen, riesenhafter Moskitos und fleischfressender Dinosaurier beginnen.

Die Welt vor der Apokalypse ist nicht die beste …

Raja entdeckt schließlich, dass es – auf dem Mond – noch normalmenschliche Überlebende gibt, die dort nicht etwa unfreiwillig gelandet sind, sondern als Teil eines perfiden Plans. Die globale Katastrophe erweist sich als planmäßige Säuberung der Erde, nach dessen Vollzug die lunaren Kolonisten die Erde wieder besiedeln werden. Diese „schöne neue Welt“ ist aber noch grausamer als die alte: Sogar lonely wolfs wie der militant-faschistoide Gil, Symbol des Bösen in der alten wie auch neuen Welt, haben keine Chance gegen die evolutionär zurückgeworfenen und dann erneut mutierten Bestien. Die Welt ist ein Ort geworden, auf dem letztlich selbst Wölfe keinen Platz mehr finden.

Rick Remender hat ein düsteres apokalyptisches Szenario geschaffen, in dem Gott und Mitmensch keinerlei Trost bieten. Wissenschaft, Religion und Militär (letzteres ganz kolossal) sind gescheitert, und es bleibt nur eine ebenso bunte wie fleischfressende Welt, die aus 1950er B-Movies entsprungen zu sein scheint, übrig. Die Idee, Religion und Wissenschaft derart in einen Konflikt miteinander zu setzen, ist wirklich vielversprechend und hätte an das thesenstarke Buch The God Gene von Dean Hamer (2005) anknüpfen können. Leider verliert dieser Faden nach dem ersten der fünf Hefte, welche dieses Album enthält (die komplette Miniserie), stark an Bedeutung. Es folgen vier diskursarme Hefte, die sich voll und ganz der Action widmen. Jonathan Wayshak ist ein toller und drastischer Zeichner, ein Fan des Monströsen, dem gerade in Close-Up-Panels starke Charakterisierungen gelingen – wenngleich auch manches sehr trashverliebt und apokalypsekitschig daherkommt. Leider ist das Duo etwas arg konventionell im Seitenlayout – ganz im Gegensatz etwa zu Deadly Class von Remender und Zeichner Wes Craig.

Es gibt zahllose Versionen des Weltuntergangs, und es braucht einige gute Ideen, um zu den besseren davon zu gehören. Devolution (was zugleich nach einer devilish evolution klingt) gehört nicht zu den schlechten, aber es fehlt an der konsequenten Story, um zu den wirklich großartigen zu gehören.

Weltuntergang as usual

Devolution7von10
Splitter, 2017
Text: Rick Remender
Zeichnungen: Jonathan Wayshak
Farben: Jordan Boyd
Übersetzung: Bernd Kronsbein
160 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 24,80 Euro
ISBN: 978-3-958391390
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