In den 1950er Jahren erschuf der belgische Schriftsteller Charles-Henri-Jean Dewisme unter dem Pseudonym Henri Vernes die Figur Bob Morane, einen ehemaligen Airforce-Piloten, der als Agent der Zeitpatrouille Abenteuer erlebt. Diesem zur Seite steht sein bester Kumpel, der Flugzeugmechaniker Bill Ballantine. Bis heute wird die Reihe um Bob Morane fortgeführt und bringt es in Frankreich auf unzählige Romane, so dass Vernes Schöpfung dort seit Jahrzehnten bekannt bei Jung und Alt ist. Neben einer TV-Serie und einer Zeichentrickreihe entstand so ab dem Jahr 1959 auch eine Comicadaption, die in Deutschland aktuell auszugsweise von Epsilon veröffentlicht wird.
Das kongeniale Kreativduo Yann und Didier Conrad machte sich Mitte der 1980er schließlich auf, das berühmte Sci-Fi-Franchise auf die Schippe zu nehmen. Die Hauptfigur in ihrer hemmungslosen Persiflage heißt Marone, nicht Morane, und dessen Partner bekam den Namen Bill Gelatine verpasst. Die Parallelen zur Vorlage sind schon auf den ersten Blick unverkennbar. Das endet nicht bei den leicht variierten Namen, sondern wirkt bis hin zur markanten Covergestaltung. Yann schrieb als Szenarist einen an und für sich relativ trägen Zeitreiseplot. Die Szenen werden oft verstörend abgehakt aneinandergereiht und mit einer Off-Stimme versehen, die jede Dynamik aus der Story absorbiert, in dem sie das gerade Gezeigte nüchtern zusammenfasst. Und hier liegt das Problem, das manche Leser, mich eingeschlossen, mit Bob Marone haben dürften: Als eigenständiger Comic funktioniert er nur sehr eingeschränkt. Denn es handelt sich hier nur vordergründig um einen Funny-Titel der Marke Helden ohne Skrupel (das vom gleichen Kreativduo stammt), sondern vielmehr um einen zynischen Kommentar, der das angestaubte und spießige Vorbild aufzubrechen versucht.
Der Humor ist bitterböse, der erotisch aufgeladene Subtext hart. Vor allen Dingen ist die homosexuelle Beziehung von Bob und Bill als maximale Provokation angelegt. Denn eine solch offene Darstellung in einem Mainstream-Comic ist ja immer noch eine Seltenheit, vor allem wenn man das Entstehungsjahr und die Tatsache, dass man einen Funny-Titel vor sich hat, bedenkt. Und immerhin hat man aus zwei guten Kumpels, wie Henris Vernes sie kreiert hat, mal eben ein Liebespaar gemacht. Nur, ohne die Comics zu Bob Morane zu kennen, ohne die „richtigen“ Figuren vor sich zu haben, fällt der Umgang mit dieser anspielungsreichen Hommage schwer. Natürlich kann man den Comic auch ohne Vorkenntnisse lesen und darf sogar seinen Gefallen an der einen oder anderen Absurdität finden. Ein Gagfeuerwerk, wie man es aufgrund anderer Werke des Autors vielleicht erwarten würde, findet jedoch nicht statt. Zudem sind die Zeichnungen von Didier Conrad, der jüngst von Albert Uderzo das Zepter des Asterix-Zeichners übernommen hat, in diesem Frühwerk noch etwas ungeschliffen bzw. unbeständig.
Yann und Conrad konzipierten den Zweiteiler „Der weiße Dinosaurier“ für das französische Spirou-Magazin. Carlsen Comics, das die beiden Alben bereits vor vielen Jahren veröffentlichte, legt jetzt die Gesamtausgabe vor, ergänzt um einige Skizzen und unveröffentlichte Seiten. Dazu gibt es noch ein kurzes Vorwort von Henri Vernes höchstpersönlich und ein ausführliches Nachwort von Andreas C. Knigge, dem Urgestein der deutschen Comicszene.
Übrigens erschien 2013 in Frankreich sogar ein drittes Album, für das Yann und Conrad sich mit dem Zeichner Yoan (Donjon, Spirou und Fantasio) zusammenschlossen. Ob man dieses auch in deutscher Sprache zu sehen bekommen wird oder ob es bei der ursprünglichen, „klassischen“ Story bleiben wird, ist wohl noch nicht geklärt.
Verdiente Neuauflage einer interessanten Sci-Fi-Parodie; ohne sich mit der Vorlage beschäftigt zu haben, macht der Band aber nur halb so viel Sinn
Carlsen Comics, 2015
Text: Yann
Zeichnungen: Didier Conrad
Übersetzung: Peter Müller, Marcel Le Comte
112 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 19,90 Euro
ISBN: 978-3-551-76525-3
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