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Androiden 10 – Darwin

Wir schreiben das Jahr 2073: Viele politische Unholde des frühen 21. Jh. sind längst nicht mehr unter uns und wir alle könnten in größter Ausgelassenheit den 150. Geburtstag von Horst Tappert feiern, aber leider geht wieder einmal alles den Bach runter.

Alle Abbildungen © Splitter Verlag

Während eine kleine Gruppe internationaler Forscher*innen auf der Mondoberfläche ihren Arbeitsalltag verlebt, kündigt sich urplötzlich ein Asteorid an, der leider von niemandem auf der Erde rechtzeitig bemerkt worden ist und (wiederum leider) von so gewaltigem Ausmaß ist, dass die meisten Menschen den Einschlag bzw. die direkten Folgen nicht überleben werden.

Dem Weltuntergang kann auch etwas Erhabenes anhaften – wie eine Steigerung der „Burgunderszene“ Ernst Jüngers, der die Bombardierung von Paris mit einem Glas Burgunder (mit Erdbeeren darin) beobachtete. Hier bestaunen die Figuren den Einschlag des Meteors.

Schlimm genug, aber es kommt noch schlimmer. Die von dem globalen Kollaps schockierte Forschergruppe ist nun völlig auf sich selbst angewiesen. Und als es zu Unfällen auf der Station kommt, drohen Versorgungsengpässe das Leben auf dem Trabanten zu gefährden. „Unsere einzige Option ist die Rückkehr zur Erde“, stellen sie fest, haben aber nicht das nötige Equipment, um die elf Personen zur Erde zurückzubringen. Sie beschließen, dass einer mit der Rettungskapsel den Heimweg antritt, um dann die anderen abzuholen. Ganz rational beschließen sie, dass der Androide Darwin die größten Erfolgsaussichten habe, und so schicken sie ihn los.

Vom Meteor verschont, aber nicht von den Menschen.

Auf der Erde haben sich in Windeseile Warlords die Macht unter ihre dreckigen Fingernägel gekrallt, und sie herrschen mit Unterstützung zahlloser gesichtsloser Gewaltfanatiker ohne Rücksicht auf zivilisatorische Errungenschaften wie ein Rentensystem oder Gewaltenteilung. Stattdessen Tätowierungen, Schusswaffen und Prostituierte. Warum eigentlich müssen Postapokalypsen immer so enden? Woher kommt unsere Gewissheit, dass nach einem Ende der Ordnung völlig alternativlos eine Kaste fanatischer Mafiapunks die Herrschaft übernehmen muss? Wo ist die Dystopie, in der Fischverkäufer, Museumsführer oder diplomierte Übersetzer die Macht ergreifen – ganz im Sinne von David Brins Roman The Postman? Ganz ohne Klischee kommt Darwin also nicht aus.

Darwin gelingt es tatsächlich, zum Mond zurückzukehren, aber was er dort vorfindet, muss sogar einen Androiden erstaunen. Am Ende hält man es für göttliche Gerechtigkeit, dass die Menschheit vor die Hunde gegangen ist, und vielleicht werden die Androiden es besser machen … An diese Option knüpft wohl der Titel an, bei dem die Leser*innen (mutmaßlich) nicht an die Galapagos-Finken denken werden, sondern eher an das von Darwin geprägte Diktum vom „Survival of the Fittest“.

Die bei Splitter erscheinende Androiden-Serie (im französischen Verlag Éditions Soleil sind bislang 12 Alben erschienen) besteht aus handlungslogisch voneinander vollständig unabhängigen Alben, deren Plots weder in zusammenhängenden Welten spielen, noch von den gleichen Künstler*innen geschaffen worden sind. Nur das Thema, Künstliche Menschen, verbindet die sehr unterschiedlichen Comics (diesem Prinzip folgt auch die Serie Conquest). Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Ergebnisse dieses Projekts: Die misslungenen Bände des Genre-Vielschreibers Christophe Bec (hier rezensiert für Comic.de) oder von Sylvain Cordurié (hier rezensiert für Comicgate) lassen sich mit dem spannenden Projekt von Jean-David Morvan und Elia Bonetti (hier rezensiert für Comic.de) kaum vergleichen. Ist Darwin nun eher ein Bec oder ein Morvan?

Die Kolorierung von Alain Brions ist nicht so ‚glatt‘ wie bei vielen anderen Bänden der Androiden-Serie, sondern knüpft eher an Brions Excalibur-Stil (zusammen mit Jean-Luc Istin) an. Das Seitenlayout ist abwechslungsreich, aber doch immer konventionell – Brion enttäuscht nicht, aber er überrascht auch nicht, abgesehen von dem Twist am Ende – ein häufiges Element der Androiden-Serie.

Die Grundidee, den Androiden auf eine Rettungsmission der Menschheit zu senden, ist noch nicht so abenteuerlich wie die Entwicklungen, die auf der Erde daraus resultieren, aber das lässt sich ohne erhebliche Spoiler kaum erzählen. Kurzum: Darwin reiht sich gut in die interessante Science-Fiction-Serie ein, ist ohne Frage eher ein Morvan als ein Bec.

Sehr solider Science-Fiction-Comic

7von10Androiden 10 – Darwin
Splitter Verlag, 2022
Text und Zeichnungen: Alain Brion
Übersetzung: Swantje Baumgart
64 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 16,00 Euro
ISBN: 978-3-96792-229-5
Leseprobe

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