In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Niklas: Ich habe noch mehr Kurosawa geschaut. Ich könnte jetzt etwas zu Das Schloss im Spinnwebwald (Throne of Blood auf englisch) sagen, der meine liebste Adaption von MacBeth ist und den ich sogar für besser als Yojimbo von letzter Woche halte. Mach ich aber nicht. Denn leider kann ich nicht mehr sagen, außer dass Das Schloss aus meiner Sicht stringenter und tragischer erzählt ist und insgesamt runder wirkt, auch wenn Kurosawa den Film vor Yojimbo drehte. Den analytischen Teil kann der unterhaltsame YouTuber Kyle Kalgren viel besser erkläre und werdet erleuchtet.
Stattdessen möchte ich über Yojimbos Sequel Sanjuro schreiben, weil es so vollkommen anders ist. Wo der Vorgänger ein düsterer Film über Korruption und Gier ist, ist sein Nachfolger… eine Komödie über Etikette und oberflächliche Beurteilungen. Der Hauptcharakter aus dem ersten Film nimmt sich neun naiver Samurais an, die versuchen den Kammerherrn eines gewaltigen Schlosses zu befreien. Mehr als einmal muss er die Idio-, äh ungestümmen Jungspunde vor den Intrigen des Feindes schützen, während er sich durch die Gassen des Anwesens schleicht. Er weiß, wie dumm das Ganze ist, aber diesmal tut er das Richtige. Warum? Das weiß er wohl selber nicht. Wahrscheinlich ist es Karma nach all dem Chaos im letzten Film.
Der Großteil der Handlung findet in der Burg tatt. Das alleine macht ihn schon interessant, da Protagonisten und Antagonisten sich am selben Ort aufhalten, aber trotzdem nicht sicher über ihre jeweiligen Stärken und Schwächen sind. Wir haben es hier also mit einem in sich geschlossenen Mikrokosmos zu tun, in dem nur Leute von Rang Zugang oder Ausgang besitzen. Auch die Intrige der Bösewichte ist simpel, aber effektiv: Der Kammerherr soll ein Geständnis unterschreiben und dann hingerichtet werden. Kommt jemand vorbei, um das Ganze zu überprüfen? Wahrscheinlich nicht, da der Fürst des Clans wohl weit entfernt lebt. Das Geständnis würde auch keiner infrage stellen, da kein Mann von Ehre so etwas fälschen würde und das Protokoll eingehalten werden muss. Interessant ist auch, dass die Protagonisten den Entführten erst suchen müssen, um zu wissen wo er sich befindet, so groß und abgeschottet ist dieses Schloss.
Darum hätte man eine komplexe und intrigenreiche Handlung weben können, Sanjuro hingegen macht es zu einem leichtherzigen Kammerspiel, in der die Guten sich verstecken, während die Bösen sich verwirrt am Kopf kratzen. Der Leibwächter aus Yojimbo behandelt die jungen Samurai außerdem wie ein strenger Vater seine Söhne, nur um dann seinerseits nach dem Tadel der freundlichen (und meiner Ansicht nach sehr betrunkenen) Frau des Kammerherrn verschämt den Kopf zu senken. Während Yojimbo den Menschen als amoralische Bestie darstellte, glaubt Sanjuro an das Gute in uns, wenn zum Beispiel ein Gefangener zunächst Morddrohungen gegen die Hauptfiguren ausspricht, nur um sich nach gutem Zureden der Frau des Kammerherrn aus eigenem Antrieb in sein Gefängnis (einen Schrank) begibt und später den unerfahrenen Kriegern mit freundlichem Rat zur Seite steht. Solche Szenen gehören zu den Highlights dieses Films, der nie mein Favorit sein wird, dessen Prämisse und warmherzigen Momente ich aber weiterhin interessant finde.
Interessant ist auch das Ende. Das ähnelt dann doch wieder Yojimbo und dem Schloss im Spinnwebwald und wirkt nach den leichteren Szenen zuvor sogar noch einmal viel düsterer, als in den Vorgängerfilmen. Denn wo diese schon von Anfang an hoffnungslos waren, so gab uns Sanjuro Grund zur Freude und zeigt nun, dass das mittelalterliche Japan keine Zeit war, in der man ausgebildete Krieger mit scharfen Schwertern unterschätzen sollte, egal ob man nun über oder mit ihnen lachte.
Julian: In der letzten Woche widmete ich mich wieder einmal meiner Lieblingsband Jethro Tull, die in diesem Jahr ihr fünfzigjähriges Bandjubiläum feiern. In den letzten Jahren veröffentlicht Ian Anderson zusammen mit Steven Wilson großartige Remixes der alten Alben. Nun etwa „Heavy Horses“.
Zwischen „A Passion Play“ und „Songs From The Woods“ gab es eine Phase der Orientierungslosigkeit. Alben wie „Minstrel In The Gallery„, „War Child„ oder auch „Too Old To Rock And Roll: Too Young To Die!“ sind heute weitestgehend unbeachtet und doch gehören zumindest Minstrel und Too Old To Rock And Roll zu den besseren Alben der Band. Songs wie „From A Dead Beat To An Old Greaser“ und besonders „Too Old To Rock And Roll: Too Young Too Die!„ wurden Hits, aber auch das oft übersehene „The Chequered Flag (Dead Or Alive)“ – Anderson kritisiert es im begleitenden Buch stark – darf als eine der schönsten Tull Balladen bezeichnet werden. Allein für dieses Kleinod lohnt bereits die Wiederentdeckung des Albums.
Und dann ist da noch eine beinahe vergessene Arbeit von Dave Gibbons, damals ein unbekannter Zeichner, der für die Mannen um Ian Anderson einen Comic zum Konzeptalbum anfertigte und dem die Aufgabe zukam, auf zwei LP Coverseiten eine logische Geschichte zu erzählen (Gibbons erinnert sich ausführlich an den Entstehungsprozess im Begleitbuch von „Too Old To Rock And Roll: To Young To Die! – The TV Special Edition„).
Ray Lomas, der als Rockmusiker seine besten Tage bereits hinter sich hat, gewinnt in einer Quizshow eine Waschmaschine, trifft auf Salamander (eine Frau mit üppiger Oberweite), man stiehlt ein Taxi und sinniert über das Leben und sich selbst. Sie lädt ihn zu einer Party ein und unter dem Vorwand sich aufhübschen zu wollen trennt sie sich von Ray.
Als dieser merkt, dass er versetzt wird, kehrt er in seinen Geburtsort zurück, unternimmt dort einen Motorradtrip, sinniert erneut über das Leben, baut einen Unfall und fällt ins Koma. Als er erwacht muss er feststellen, dass seine Musik plötzlich gehört wird und er wieder mit jungen Frauen verkehren kann. Der Comic endet mit dem Hinweis auf eine nächste Ausgabe, die von seinem Weg zum Star erzählen wird.
Obschon Dave Gibbons sich für den Comic verantwortlich zeigte und wohl auch genug kreative Freiheit besaß – ein für Anderson eher untypisches Zugeständnis – darf der Fans nicht zu viel erwarten. Einzig die grafische Seite überzeugt, doch wird die quadratische Seitenarchitektur des Originals in der Neuausgabe dem rechteckigen Buchformat untergeordnet, was eine Neuanordnung der Panels nach sich zieht und den Lesefluss nachhaltig stört. Die im Original exakt durchdachte Panelaufteilung wirkt nun zusammengewürfelt. Trotzdem darf sich nicht nur der Dave Gibbons, sondern insbesondere auch der Jethro Tull Fan freuen, dass diese Obskurität nun der Öffentlichkeit erneut zugänglich gemacht wird.
Weiterhin bietet eine zweite CD den Song Strip Cartoon, der ein Jahr später als B-Seite von The Whistler (vom Album Songs From The Woods) veröffentlicht wurde, sich aber trotz des Titels (und im Gegensatz zu Serge Gainsbourgs / Brigitte Bardots Comic Strip) nicht um Comics, sondern Politiker mit Vorliebe für junge Mädchen dreht. Life’s no bowl of cherries; it’s a black and white strip cartoon.
Einen Teilscan des Comics findet sich auf der Webpage von Jethro Tull:
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