In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Christian: AC/DC? Seriously?
Letztes Jahr war 40-jähriges Jubiläum der Highway to Hell-Scheibe. Zu diesem Anlass wurde auch das ursprüngliche australische Cover der Scheibe gezeigt, welches nicht das altbekannte Bandfoto mit Angus‘ Teufelshörnern zeigt, sondern vielmehr zwar das bekannte Bild, aber in einer stark verfremdeten Optik, die Malcolm, Angus, Bon, Phil und Cliff hinter lodernden Höllenflammen verschwinden lässt. Dazu im Vordergrund ein Bass-Griffbrett als Autobahn straight to hell. Der amerikanischen Plattenfirma war dieses Cover zu höllisch.
Was für eine Fehleinschätzung: Das flammenbefreite Bandfoto ist viel satanischer als das Achterbahndesign des Originalentwurfs. Die gemalten Flammen und die Gitarrenseiten-Autobahn verleihen dem Cover den Charme einer Fahrgeschäft-Kirmesgaudi. Ohne den Mummenschanz, reduziert auf das etwas zu dunkle Foto, Angus‘ Hörner, Bons Pentagrammanhänger und Malcolms Visage ist klar: Those dudes mean serious business. Richard Donners Film Das Omen zieht seinen Grusel schließlich auch daraus, dass er nicht im klassischen Gothic-Look der Hammer-Filme daherkommt, sondern die meiste Zeit von Upper class-Menschen in ihren Anzügen handelt.
Ich hab die Highway to Hell-Scheibe kennengelernt auf der Höhe des Heavy Metal/Satanismus- Scare, der aus Amerika auch zu uns herübergeschwappt kam. In der Schule wurde zur gleichen Zeit das höchst einflusreiche Machwerk „Wir wollen nur deine Seele“ herumgereicht, welches darüber aufklärte, wie sehr unsere Seele Schaden nimmt durch diese Rockmusik. Außerdem machten White Metal-Bootlegs auf Tape die Runde, also christlich-fundamentalistische Rockmusik straight from the US-Bible Belt. Da konnte man dann Bands wie Bloodgood, Stryper, Leviticus, White Cross, Neon Cross, Barren Cross oder Messiah Prophet kennenlernen – und das war nun wirklich much more spooky als Angus‘ Teufelshörner. (Einige wenige Gruppen wie Trouble, King’s X oder Resurrection Band waren ja sogar richtig gut, aber das meiste war Bible Belt Bull.)
Letztendlich hat dann aber doch die dunkle Seite gesiegt. Ronnie James, Ozzy oder Bon erzählen eben doch die besseren Geschichten. Auch war die sexuelle Ambiguität von AC/DC weitaus interessanter als Glenn Kaisers (Resurrection Band) unglaublich feurige Sermons über Jesus, in denen er unter anderem warnte, dass Rassismus, Hass, Drogen, Bigotterie, Kindesmissbrauch und schwules Leben einen geradewegs in die Hölle führen. Immerhin zeigte uns viele Jahre später die schöne Vertigo-Serie American Virgin, dass der christliche Fundamentalistenkomplex für gute Comicserien taugt.
Dass christlicher Eifer etwas Negatives sein kann, hätte ich als kleiner Bub ja nicht für möglich gehalten, und die Worte „Sie leben in einem Polizeistaat“ hätte mir wahrscheinlich ein „Gott sei’s gedankt“ entlockt, denn dann könne man ja wenigstens sicher sein, dass man keine Angst vor Gangstern haben muss. Aber heute wissen wir ja, dass „Up is down and black is white“ nicht nur ein Punisher-Titel ist, sondern auf eine kurze Formel gebracht, wie die Dinge eben liegen. Und Alkohol ist schließlich auch eine Droge.
Trotzdem ist „Highway to Hell“ auch ein tragisches Lied, vergleichbar vielleicht nur mit „Rehab“ von Amy Winehouse. In beiden Liedern feiern die Musiker, dass sie sich zu Grunde richten. Und in beiden Fällen war es aber nicht lustig.
Dann ist die Hölle also doch kein so schlechter Ort? Fragen wir doch Sabrina Spellman.
Julian: Nun sind wir also bereits in der dritten Sabrina–Staffel angekommen und ich muss zugeben, dass mich die bisherige Umsetzung etwas enttäuschte. Handlungen, die wir bereits in Riverdale hatten, netflixtypische Zugeständnisse, die zu sehr von der eigentlichen Storyline abwichen, grobe Abweichungen vom Comic, der aus der Feder des Showrunners stammt (!), diverse sexuelle Selbstfindungssubplots und eine unfassbar banale Musik, für die „dezent“ einer groben Verharmlosung nahe kommt. Das alles wurde einzig durch Hauptdarstellerin Kiernan Shipka wirklich gerettet.
Meine Lust, Staffel 3 zu schauen, hielt sich somit eher in Grenzen. Umso überraschter war ich dann von dem, was da kam. Die Handlung der Comicvorlage war abgearbeitet, somit konnte man sie auch nicht mehr igno- oder konterkarieren. Alles begann wie immer mit banaler Musik. Dann aber steigt Sabrina in die Hölle hinab, die sich deutlich vom magischen Land Oz beeinflusst zeigt, inklusive Blood-Red-Brick-Road, affenähnlichen Dienern, Hexe, Blechmann usw. Hinzu kommen grafische Einfälle, wie man sie so im Zusammenhang mit Satanismus selten sah. Besonders zur finalen Krönungsszene wird dies überdeutlich. Keine schwarzgewandten Marilyn-Manson-Pappnasen (ich selbst schätze Manson und bin tief betrübt, dass seine Alice-im-Wunderland-Variante wohl ein Trailer bleiben wird), die zu schlechter Musik tanzen, nein, ganz im Sinne Anton LeVeys glänzt diese Hölle durch Opulenz und Dekadenz. Man trägt gepuderte Perücken und ausladende Kleider, als befände man sich im 18. Jahrhundert, was bisweilen an Bram Stokers Dracula (der Film von Francis Ford Coppola ist gemeint) einen pervertierten französischen Hofstaat, Hieronymus Bosch und/oder italienische Opernbühnenbilder erinnert. Diese Opulenz wirkt deutlich unheimlicher, gar brutal, auf den Zuschauer und es würde hier eigentlich nur noch eine gute Musik fehlen (denn die ist nach wie vor oft unterdurchschnittlich – bisweilen aber auch durchaus gut). Eine Opernarie hätte sich angeboten.
Davon abgesehen wird dieses Mal heftig an der Blasphemieschraube gedreht und auf allerlei biblische Erzählungen angespielt. Hinzu kommen Zitate aus Dracula, The Wicker Man, Der Golem und anderen Horrorfilmen/Büchern. Was ich im letzen Comicgate-Printmagazin zu The Chilling Adventures Of Sabrina schrieb, passt hier erstmals komplett. Drehbuchautor Aguirre-Sacasa übertrifft sich hier selbst. Einzig die Schülerband von Sabrinas Freunden nervt – und zwar auf eine Art, wie die Elternband in Eine himmlische Familie zu nerven wusste.
Weiterhin scheint Sabrina nun in Thornhill (Cheryl Blossoms altes Haus) zu leben – zumindest vermute ich das, da die Kulisse deckungsgleich ausfällt. Und ja: Es erfolgt ein Besuch in Riverdale, wir treffen einen South-Side-Serpent und Nathalie Boltt (Penelope Blossom) hat einen Gastauftritt, wenn auch nicht in ihrer Riverdale-Rolle.
Also los, liebe Leser, fliegt! Fliegt vor den Fernseher!
*evil-laughter*
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