Aktuelles
Schreibe einen Kommentar

Währenddessen… (KW 49)

Christian und Niklas, beides Freunde des unterschlagenen Films, haben sich einige rare Perlen der Filmgeschichte angesehen.

Christian: Pedro Gonzalez wurde als „der wilde Mann von Tenerifa“ bekannt. Gonzalez litt an  Hypertrychose, einem Gendefekt, der zu übermäßigem Haarwuchs führt. Gemäß Wikipedia hielt man ihn am Hof Heinrichs II zunächst als Affen, später wurde er jedoch in die höfische Gesellschaft integriert. Leicht hatten er und seine Kinder, die ebenfalls den übermäßigen Haarwuchs hatten, nie. (Das Bild von Pedro Gonzalez hängt im Schloss Ambras in Innsbruck, im gleichen Saal wie das Bild von Vlad Tepes a.k.a. Dracula.)

Letzte Woche wurde auf Pro 7 eine sehenswerte CSI: Las Vegas-Folge ausgestrahlt, in der der Mord an einem an Hypertrychose erkrankten jungen Mannes aufgeklärt wird. Zentrale Figur der Filmhandlung ist dessen Schwester, die selbst vor der Welt zurückgezogen lebt, da sie auf Grund ihrer Behaarung stets nur Ausgrenzung erfahren hat. Die Episode ist menschlich berührend, auch deswegen, weil sie keine allzu leichte Auflösung gegen die Angst vor Ausgrenzung anbietet, sondern den Wunsch nach Abschottung bis zuletzt als plausibel darstellt. Das Problem, wie man mit so willkürlichen Abgrenzungsmechanismen umzugehen hat, wird an den Zuschauer zurückgespielt. Die CSI-Folge löst den Konflikt nicht für uns auf, sensibilisiert aber auf unaufdringliche Weise.

Ein sehr schönes Easter-Egg der Folge ist, dass einer der Ermittler sich durch den Fall an den Film Das Tier 2 erinnert fühlt und sagt dabei allen Ernstes: „Egal was alle andern sagen, Teil 2 ist besser als Teil 1.“ Das ist natürlich eine steile Ansage, denn Joe Dantes Werwolf-Klassiker The Howling ist immerhin einer der wichtigsten und besten Horrorfilme der 1980er, während Teil 2 dagegen trotz Starpower mit Christopher Lee recht bilig produziert wurde und vor allem, was Spezialeffekte aussieht, oft improvisiert wirkt. Aber auch Howling 2 hat seine Fans und von Koch Media erhielt der Film eine wunderbare BluRay-Veröffentlichung mit schöner Sonderausstattung. Im lesenswerten Booklet wird der Film von Stefan Jung sehr kompetent eingeordent und dessen Stärken herausgearbeitet, ohne die Defizite zu leugnen. Vor allem lobt Jung, wie viel Raum der Film sich nimmt, das ausschweifende Leben der Werwolfsekte und deren Rituale und Orgien zu zeigen, die diese in ihrer Heimat Transylvanien feiern. Da kriegt man glatt selbst Lust, ein Werwolf zu sein. Aber Achtung: Die Werwölfe töten alles Fremde und schonen auch sich selbst wenig. Während der Corona-Pandemie müsste man sie wohl der Fraktion der Maskenverweigerer zuordnen, die sich wenig um Eindämmung scheren und brutal auf das Überleben der Stärksten setzen. Zwischen den Exzessen der Werwolfqueen Stirba in ihrem Schloss und den Exzessen von Ilsa im Führerbunker ist es dann auch nur noch ein gradueller Unterschied. Man sollte also schon vorsichtig sein damit, wem man seine Sympathien zukommen lässt. So gesehen ist es kein Wunder, dass der Regisseur Philippe Mora auch immer wieder Exploitation-Filme, aber auch Dokumentationen über die Nazi-Zeit gedreht hat.

Howling 2, Exzesse in Transylvanien. Bild von der BluRay „The Howling 2“, Koch Media.

Howling 2 ist ein sehenswerter, fantasievoller Film, den man wohlwollend ansehen sollte, der aber in Sachen Ausstattung locker wettmacht, was an Spezialeffekten bisweilen billig wirkt. Christopher Lee soll der Film im Nachhinein peinlich gewesen sein, aber es ist ja nichts Neues, dass Künstler ihr Werk im Nachhinein falsch bewerten. Immerhin war Ozzy Osbourne sein letztes Black Sabbath-Werk „Never Say Die“ auch immer unangenehm, während ich viele Stücke davon für Höhepunkte seines Schaffens halte (Junior’s Eyes, Air Dance, Shock Wave). Ich sehe Howling 2 mit sehr liebevollen Augen und sehe ihn gerne auch ein zweites und drittes Mal. Auch der Sountrack ist sehr anhörenswert.

Niklas: Ich hatte mal wieder Lust auf Italowestern, also habe ich mir den originalen Django von 1966 und Zwei Himmelhunde im Wilden Westen von 1972 gegeben. Django kannte ich schon und hatte ihn als  einen Film in Erinnerung, von dem man die ersten 35 Minuten sehen kann und danach wird er künstlich in die Länge gezogen. Ich hatte recht. Sobald Django zeigt was in seinem Sarg steckt, ist der Film vorbei. Danach wird alles nur ein bisschen billiger und weniger elegant gemacht wie beim Vorbild Für eine Handvoll Dollar. Wenn es das Geheimnis des Sargs und den großartigen Soundtrack nicht gäbe, wäre Django es nicht wert, gesehen zu werden, schon gar nicht, dass man gefühlt hundert Filmen den Namen der Hauptfigur draufdrückte. Aber die sind leider Kult. Verdammt.

Zwei Himmelhunde im Wilden Westen, im Original Ben und Charlie, ist dagegen ein richtiges Goldstück. Der Film erzählt episodenhaft die Geschichte der beiden Gauner Ben und Charlie, zwei Streithähne, die sich am Ende aber immer wieder zusammenraufen. Wir sehen, wie sie es erst als Glücksspieler und dann als Bankräuber versuchen, nur um am Ende doch wieder bei null anzufangen. Das ist alles recht lustig gemacht, mit viel ausdrucksstarker Mimik, ein paar guten Sprüchen und einen Toilettengag. Was mich aber wirklich fasziniert, sind die ernsten Momente, die gerade gegen Schluss zunehmen. In diesem Momenten zeigt sich, wie zerbrechlich die Freundschaft zwischen den beiden ist und warum der mürrische Charlie sich immer wieder vom stets lächelnden Ben lossagen möchte. Es ist eine dieser schädlichen Freundschaften, die bereits zu lange besteht, als dass man sich noch im Guten trennen könnte, aber die wohl auch nur das Schlechteste scheiden wird. Es ist schon erstaunlich, wie viel die Darsteller aus so einem kleinen Film rausholen.

Ich habe allerdings das Gefühl, dass Zwei Himmelhunde im Wilden Westen sich in einem anderen Szenario besser aufgehoben gefühlt hätte. Zum Beispiel zur Zeit der  italienischen Stadtstaaten, während eines der vielen Kriege zu dieser Zeit. Denn die Figuren und der sarkastische Humor erinnern mich eher an Umberto Ecos Mittelalterroman Baudolino oder andere Schelmenromane, in denen Charaktere ihrer miserablen Existenz entkommen möchten, was aber immer durch viel Pech verhindert wird. Ben und Charlie gehören für mich zu den klassischen Schelmen, die ihr Leben lang von Gott oder ihrer Hybris davon abgehalten werden, etwas aus sich zu machen. Wenn etwas mehr Geld da gewesen wäre, hätte man aus Zwei Himmelhunde im Wilden Westen vielleicht einen großen Film machen können. So ist es ein kleiner Film, den ich froh bin, wenigstens einmal gesehen zu haben.

 

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.