Niklas ist wieder da. Er hat Geschichten aus dem Weltall im Gepäck.
Niklas: Sollte die Menschheit jemals versuchen, das All zu besiedeln, könnte es Jahrhunderte dauern, bis wir den nächsten Planeten erreichen. Das ist bekannt. Autoren wie Brian W. Aldiss haben dieses Konzept genutzt, um unterhaltsame Romane wie Non-Stop zu schreiben. Darin machte sich Aldiss Gedanken darüber, welche Gesellschaftsordnungen sich in einem riesigen Raumschiff herausbilden würden, wenn alles was man kennt, die Wände des interstellaren Vehikels sind. Anstatt ganz realistisch dabei zu sein, war Non-Stop eine Mischung aus Abenteuer-, Fantasy- und Science-Fiction-Roman, in dem sich auch über das Wesen des Menschen Gedanken gemacht wurde.
Colony Ship, ein Rollenspiel des Iron Tower Studio, nimmt diese Idee einer Welt aus Stahl und konzentriert sich vor allem auf den Kampf zwischen verschiedenen Fraktionen. Nach einer Meuterei haben sich drei größere Gruppierungen zu den Herrschern eines Generationsschiffes aufgeschwungen. Ein fragiler Waffenstillstand herrscht, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zum letzten Gefecht zwischen Militaristen, Kapitalisten und religiösen Fundamentalisten kommt. Als Schatzsucher finden wir eine alte Maschine, die das Gleichgewicht der Macht endgültig zerstören könnte. Werden wir uns für den größten Gehaltsscheck oder unsere Ideale entscheiden? Welchen Unterschied macht das schon, wenn wir den Zielplaneten nie erreichen werden?
Das sind Fragen, über die sich Colony Ship keine Gedanken macht. Es erzählt eine solide Geschichte, aber der eigentliche Fokus liegt auf den individuellen Entscheidungen und Builds der Spieler*innen. Denn die Systeme des Spiels erlauben es, wahlweise einen silberzüngigen Verhandlungskünstler, einen geschickten Techniker oder eine Soldatin mit einem lockeren Finger am Abzug zu spielen. Diese Vielfalt an Attributen und Fertigkeiten spiegelt sich auch in der Lösung von Quests wieder. So manches Gefecht lässt sich mit der richtigen Dialogwahl entscheiden, und als findiger Dieb kann meine Figur sich auch einschleichen und ein kleines Vermögen zusammenstehlen. Das macht Spaß und da ein Durchgang 10 bis 15 Stunden dauert, bin ich auch motiviert, öfter einen neuen Durchgang zu starten und zu sehen, wie ich dieses Mal das Schiff ins Chaos stürze.
Es ist nur schade, dass das Spiel abgesehen von seiner visuellen Level, unter anderem mit sehr bizarren Monstern oder visuell beeindruckenden Pflanzen, nichts aus seiner Prämisse macht. Zwar gibt es hier und da Lippenbekenntnisse über die philosophischen Konflikte der Fraktionen, aber am Ende stellen sich alle nur als Heuchler heraus. Das ist zwar auch ein Statement, aber es schränkt die Geschichte auf ein nihilistisches Thema ein, das gut zu einem Rollenspiel passt, aber menschliche Beziehungen nur auf einen reinen Überlebenskampf um Ressourcen reduziert.
Trotzdem, jetzt möchte ich einen weiteren Durchgang starten, denn die Systeme bieten mir weiterhin so viele Möglichkeiten, wie mich die Geschichte eingrenzt.
Colony Ship ist auf Steam und GOG erhältlich. Eine deutsche Übersetzung von Non-Stop, Starship: Verloren im Weltraum ist beim Mantikore Verlag erhältlich.
Trailer zu Colony Ship: