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Währenddessen … (KW 27)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Alex: „Der beste Anime seit Akira!“ Ein Claim, der wohl viele Videothekengänger durch die 1990er-Jahr begleitet haben dürfte. Allzu oft konnten dann leider recht enttäuschende Filme diese vollmundige Versprechung nicht erfüllen. Akira hat bis heute seinen Status als Kultfilm erfolgreich verteidigt und genießt den Ruf eines der einflussreichsten Animationsfilme der 1980er-Jahre. Jetzt hat der kanadische Elektroproduzent Bwana dem Soundtrack des Films von Katsuhiro Otomo eine Frischzellenkur verpasst. „Capsule’s Pride“ ist eine Mischung aus der Filmmusik von Shoji Yamashiro und Samples aus der englischen Sprachfassung des Animes. Bwana hat damit nicht nur bewiesen, dass die Postapokalypse durchaus tanzbar sein kann. Vielmehr hat er dazu gleich eine audiovisuelle Inszenierung mitgeliefert, indem er Versatzstücke der Dialoge mit animierten Bildern kombiniert.

Insgesamt sind auf diese Weise für „Capsule’s Pride“ neun Tracks entstanden, die Bwana über LuckyMe kostenfrei zugänglich gemacht hat. Ein kurzer Vergleich zeigt, dass die neuen Stücke insgesamt deutlich an Fahrt gewonnen haben und damit ein actiongeladenes Cyberpunkspektakel in Neo-Tokyo steigen lassen. Da sie gespickt sind mit Zitaten, lohnt der Ausflug zu ihren Ursprüngen: zum Anime und vor allem zum Original Soundtrack, der überraschend gut gealtert ist. Aufgeführt wurden die Stücke durch den Chor Geinoh Yamashirogumi unter der Leitung von Shoji Yamashiro. Der entstandene Original Soundtrack ist ebenso wie Neo-Tokyo ein fragiles Pastiche mit diversen Bruchstellen – hier laut und voll unbändiger Energie der Motorradbande, dort nachdenklich und leise, wenn ätherische Synthesizermelodien die Winde über den Hochhäusern der Metropole nachahmen. Die Kompositionen setzen sich aus grundverschiedenen Einflüssen zusammen, die gerade vor der Zukunftskulisse merkwürdig fremd wirken. Gerade dieser Kontrast steigert aber die Faszination, die von ihnen ausgeht. Traditionelle Instrumente wie das javanische Gamelan treffen auf Synthesizer, dazu vielfältige Chorstimmen: vom Ritualgesang japanischer Buddhisten, dem Shōmyō, über Elemente des balinesischen Tanzdramas Kecak bis hin zu den markerschütternden Gutturallauten des japanischen Nō-Theaters. Nicht zuletzt spiegelt sich darin die seltsame Rätselhaftigkeit von Akira wider, die in Bwanas Bearbeitung gemildert und gefällig rüberkommt.

LR2

Rena Titanon, Volksheldin und Wrestlerin

Christian: Währenddessen lese ich gerade die frühen Love and Rockets-Stories von Jaime Hernandez. Im Gegensatz zu den soeben bei Reprodukt erschienenen Stories sind diese frühen Geschichten wie von einem anderen Stern. Einerseits geht es um das Alltagsleben einiger schräger Mädels, allen voran Maggie the Mechanic, die man aus Speedy kennt, gleichzeitig ist aber alles, was um sie herum passiert, viel größer als die Wirklichkeit: Wenn Maggie zur Arbeit geht, dann ist das stets eine Exkursion ins Unbekannte, beispielsweise um in einer Bananenrepublik ein Raumschiff zu bergen, das im Urwald abgestürzt ist. Ihr nächster Vorgesetzter ist der Superstar unter den Mechanikern, Rand Race, ein sogenannter „Prosolar Mechanic“, dem die Frauen zu Füßen liegen. Außerdem gibt es die schöne Penny Century, die mit Dinosauriern ringt und dabei von H. R. Costigan, dem Milliardär hofiert wird, und Rena Titanon, eine Profi-Wrestlerin, die gleichzeitig auch Aktivistin gegen korrupte Regierungen in Südamerika ist. Das ganze ist abwechselnd schnoddrig oder episch erzählt, machmal sehr lustig, dann mit einem Schlag wieder überraschend ernsthaft und politisch – vor allem aber nie langweilig.

Keine Ahnung, weshalb wir bei uns immer nur diese ernsten, komplexen späteren Stories wie „Der Tod von Speedy“ zu lesen bekommen und nie die frühen, surrealen Episoden. Beim Avant-Verlag klappt’s doch auch mit antiquierter Trash-SF a la Lone Sloane. Aber Reprodukt will Love and Rockets bei uns einfach als alltagsrealistische Graphic Novel vermarkten und blendet die Elemente der Reihe, die dem Realismus der späteren Episoden widersprechen, weitestmöglich aus. Dabei ist die Reihe bis heute untrennbar mit ihren surrealen Wurzeln verstrickt.

Alle Abbildungen: © Fantagraphics Books

Alle Abbildungen: © Fantagraphics Books

Daniel: Währenddessen versuche ich gerade von Atlantis zu entkommen. Ja, Atlantis, die sagenumwobene Insel, die mit all ihrem Reichtum im Meer versunken ist. Ich und einige verfeindete Entdecker greifen gerade noch die letzten Schätze ab als Atlantis untergeht. Im Brettspiel Survive: Escape from Atlantis spielen 2-6 Spieler gegeneinander. Was genau auf der Insel passiert ist und welche Schätze gefunden wurde, weiß man nicht. Denn es geht nur noch ums nackte Überleben. Dazu bewegt man seine Entdecker-Meeple von der Insel auf Boote und schippert sie zu vier sicheren Insel an den Ecken des Spielbretts. Klingt erstmal simpel. Simpel sind die Regeln auch, aber das Brettspiel wird sehr schnell zu einem Kleinkrieg. Wer erreicht zuerst das rettende Boot, wie lang wird auf Mitfahrer gewartet. Und dann warten ja noch Hai, Wale und Seeschlange, die jeder Spiel steuert. Auch wenn bei Survive viele im gleichen Boot sitzen, kommt es auf Diplomatie und Timing an, wann man am besten wieder aussteigt und lieber auf den nächsten Delfin wartet. Dieses Spiel ist nichts für harmonische Menschen, aber sehr wohl für Familien, die Spaß verstehen und gerne mal den anderen kurz vor dem Ziel den Weg abschneiden. Fantastische sind auch die unterschiedlich großen Plättchen, der langsam verschwindenden Insel gestaltet. Es entsteht eine kleine 3D-Landschaft, der es zu entkommen gilt. Survive: Escape from Atlantis (von Stronghold Games) gehört zum Pflichtprogramm für jede Spielsammlung.

Survive

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