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Währenddessen… (KW 26)

Manchmal hadert Christian mit Dario Argento. Dessen Film „Cat O’Nine Tails“ von 1970 findet er jedoch wunderbar. Und das liegt nicht nur an dem Soundtrack von Ennio Morricone.

Christian: Dario Argentos Filme haben ja seit je her ihre eigenen Gesetze und folgen oft einer Traumlogik. Das gilt nicht nur für so versponnene Horrorfilme wie Suspiria, Inferno oder Phenomena; die Krimis (oder Giallos) sind oft nicht minder seltsam. Spätestens mit Profondo Rosso von 1975 war klar, wo die Reise hingeht, denn wichtiger als Logik war allemal, dass dem Mordopfer vor dem Ableben noch ein ordentlicher Schreck mit einer mechanischen Puppe eingejagt wird. Und warum jemanden mit dem Messer ermorden, wenn man von seinem Modus Operandi doch mal spontan abweichen kann. Dann zieht Mörderin halt ihre schwarzen Handschuhe an, um kochend heißes Wasser in eine Badewanne einzulassen. Was dann folgt ist ist a) umständlich, b) unmotiviert und c) unnötig grausam, doch d) hatte Argento in Profondo Rosso aufgrund seiner Erzählmotivation offensichtlich keine andere Wahl: Nachdem der heiße Wasserdampf an den Wänden kondensiert, kann die Sterbende nämlich noch einen letzten Hinweis mit dem Finger auf die feuchten Fliesen schreiben, den die beiden Detektive im Film dann durch messerscharfe Deduktion tatsächlich finden. Dazu donnert stets aufdringlich die Orgel von Argentos Hausband Goblin, die auch nicht gerade subtile Klänge anschlägt.

Die Puppe in „Profondo Rosso“. Warum nur?

In seinem Film Cat O’Nine Tails von 1970 war diese Vermeidung von Plausibilität noch nicht in dieser Dimension absehbar. Erzählerisch lässt sich der Sprung von Cat O’Nine Tails zu Profondo Rosso ganz gut mit der Entwicklung Frank Millers vergleichen, dessen Daredevil-Comics ebenfalls sehr reif, klug und erwachsen wirken, während er spätestens ab Sin City nur noch aus dem Bauch heraus arbeitete und fast schon betont antiintellektuell war.

Auch wenn man in Cat O’Nine Tails manchmal meint, den späteren Argento bereits durchscheinen zu sehen, sieht man wenig vom teilweise nervigen Fetischismus der späteren Filme. Typisch ist jedoch schon hier die Schnitzeljagd, mit der die beiden Detektive, ein Blinder mit einem Faible für Rätsel (Karl Malden) und ein Reporter einen Mörder jagen. Dieser entpuppt sich als Mitarbeiter eines Instituts, in dem soeben der genetische Code entschlüsselt wurde, welcher einen Menschen zum Verbrecher werden lässt. Man wird, so wird es im Film formuliert, in Zukunft nur noch Babys daraufhin untersuchen müssen, ob sie diesen XYY-Gendefekt haben, schon kann man sie isolieren und so die Welt vor zukünftigen Verbrechen bewahren.

Dramatisches Finale in „Cat O’Nine Tails“.

Als wir den Film vor 30 Jahren zum ersten Mal sahen, hielten mein Kumpel und ich die Story für indiskutabel und sahen darin nur eine willkürliche Motivation für die übliche (unterhaltsame) Nummernrevue aus garstigen Morden und Detektivarbeit. Die Grundvoraussetzung, ein Mördergen wäre schuld daran, dass Menschen zu Mördern werden, fanden wir erzählerisch armselig und unmoralisch. Inzwischen mag ich die Story aber sehr gern. Mir gefällt die Nähe zu dystopischen Storys wie Philipp K. Dicks Minority Report, für Argento eine eher ungewöhnliche Referenz. In ihrer Konsequenz ist die Story auf sehr stimmige Weise paradox: Einer der Forscher findet heraus, dass er das XYY-Chromosom hat und lässt daraufhin das Testergebnis verschwinden. Erst als er von einem Mitwisser erpresst wird, wird er zum Mörder. Die unausgesprochene Pointe: Wäre das Mördergen nie diagnostiziert worden, hätte es nie eine Rolle gespielt und es hätte wohl nie einen Mord gegeben. Ein wunderbarer Mindfuck, der auch 50 Jahre später noch völlig zeitgemäß wirkt.

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