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Währenddessen… (KW 21)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Stefan: Am Sonntag, 26. Mai 2019, sind Europawahlen. Ein guter Anlass, sich auf einer der legalen Streamingplattformen Michael Moores Film Fahrenheit 11/9 anzusehen, in dem die Frage beantwortet wird, wie es allen Ernstes dazu kommen konnte, dass Donald Trump US-Präsident wurde.

Zugegeben: der Stil von Moore ist eigenwillig; es wirkt nicht unbedingt zweckmäßig, wenn man Trump mit Hitler vergleicht und auch manch anderes ist arg klamaukig. Ohnehin ist das Thema Trump schon so oft beleuchtet worden, dass inhaltlich kaum Neues aus dem Film zu entnehmen ist. Besonders denkwürdig sind aber die Teile, in denen die Demokraten und deren Stars wie Hillary Clinton und Barack Obama auftauchen, die offensichtlich stark von finanzstarken Unternehmen beeinflusst sind. Peinlich deren PR-Auftritte: Obama will beweisen, dass das bleiverseuchte Trinkwasser von Flint, der Heimatstadt des Filmemachers, unbedenklich ist, indem er so tut als ob er ein Glas eben diesen Wassers trinkt – die Kamera beweist, dass er nicht mal daran genippt hat. Solche Gesten sorgen für Frust bei Wählern. Doch aus diesem Frust Populisten zu wählen, ist definitiv der völlig falsche Weg, wie Moore dann doch sehr überzeugend schildert. Eine eindringliche Aufforderung, wählen zu gehen und die Demokratie zu stärken, und ein durchaus kurzweiliger und informativer Dokumentarfilm, der die Menschen zu Wort kommen lässt, die tatsächlich die Mehrheit der US-Bevölkerung bilden: Rednecks aus der Mitte Amerikas – was im Übrigen die abfällige Bezeichnung für Arbeiter ist, die früher rote Halsbänder trugen, um ihre Sympathie für Gewerkschaften zu demonstrieren – interessant, dass daraus eine abfällige Umschreibung wurde…

Ansonsten habe ich mir den neuen Output von Weissblech-Comics reingezogen und wurde wunderbar unterhalten:

Captain Berlin 9 führt eine Story aus Heft 1 fort und lässt den Cap gegen die Riesen-Ilse kämpfen. Zeichnerisch ist das schon etwas enttäuschend, was Martin Trafford da aufs Papier gebracht hat, zumindest dann, wenn man den Anspruch hat, solch klaren, superheldentypischen Bilder wie die von Rainer F. Engel in der zweiten Story des Hefts zu bekommen: Die Gremlins vom BER ist eine der lustigsten Geschichten der Reihe und das Amüsanteste, was es bisher an Satire über den Berliner-Pannen-Flughafen gab. Ganz großes Kino. Und okay: Traffords Stil funktioniert für die Geschichte, aber die Grobschlächtigkeit der Gesichter dürfte nicht allzu viele Leser von Superheldencomics begeistern.

Hammerharte Horrorschocker #53 bietet drei Kurzgeschichten, die erzählerisch und zeichnerisch auf Top-Niveau sind und gut unterhalten. Piraten, Erster Weltkrieg und Schottische Sage sind die drei Welten, in denen die Comics spielen. Das hat nichts mit Krickelkrackel und Trash zu tun, den manche Leser von Weissblech Comics befürchten könnten, nein, dass ist höchst professionelles Comichandwerk – Hut ab, Levin Kurio, Guido Kühn, Sebastian de Andrade, Falko Kutz und Annette Schulze-Kremer!

Zombieman #2 ist auf ähnlichen Pfaden unterwegs wie Zombie Terror: Weißblech Comics erkundet die Ideen von The Walking Dead und überträgt sie auf den deutschsprachigen Raum. Das ist clever, lustig und sehr unterhaltsam. Erfrischenderweise ist der Zombie hier mal der Held, und der sieht etwas so aus wie das Maskottchen von Iron Maiden: Ed the Head. Goldig wie er sich aufregt, als man ihm im Krankenhaus aus falsch verstandener Rücksicht Bregenwurst serviert – ich habe herzlich gelacht.

 

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Niklas: Manchmal fühle ich mich alt. Manche meiner liebsten Computerspiele sind inzwischen halb so alt wie ich.

Vampire – The Masquerade: Bloodlines ist eines dieser Spiele. Es kam zu einer Zeit heraus, in der die meisten Videospieler*innen sich Computer-Rollenspiele nur im Fantasy-Kontext vorstellen konnten (mit dem einen oder anderen Science-Fiction-Szenario, das unter all den Schwertern unterging). Bloodlines dagegen spielte in unserer modernen Zeit, im antiken Jahr 2004, als George W. Bush das Schlimmste war, was der Welt je passieren konnte und Vampire sich ständig in Nachtclubs aufhielten. Als frischgeborener Blutsauger muss ich in der komplexen Halbwelt der übernatürlichen Wesen versuchen zu überleben, während alles und jeder mich rumschubst. Die Lage eskaliert, als plötzlich ein mysteriöser Sarkophag in L.A. eintrifft. Alle mächtigen Strippenzieher der Stadt versuchen, des Artefakts habhaft zu werden. Wieso und weshalb finde ich bald heraus, denn mein Charakter steckt mittendrin und wenn ich nicht aufpasse, sterbe ich bald ein zweites Mal.

Einer der stärksten Aspekte Bloodlines ist die Handlung. Mit einer einfachen Prämisse – die Ermittlungen rund um den Sarkophag und die Jagd nach diesem – haben die Entwickler ein komplexes Garn um Intrigen, Manipulation und Macht gestrickt. Getragen wird die Geschichte hauptsächlich von knackigen Dialogen, die alle vollvertont sind und von Figuren mit komplexer Mimik vorgetragen werden. Soll heißen, das Gespräch zoomt auf die Gesichter meiner Gesprächspartner, die sich mit mir anfreunden, mich verabscheuen oder nur leidlich dulden.

Das ist heutzutage Standard, aber damals wirkten diese Gesichter geradezu realistisch. Es half auch, dass sie sehr lebhaft geschrieben waren. Zwar bediente sich Troika vieler Klischees (der Deutsche mit dem schrecklichen Akzent, der reiche Schnösel, die heißblütige Rebellin), aber die Figuren sind so geschrieben, dass sie glaubhaft wirken. Heute, beim Wiederspielen nach 15 Jahren, fühlt es sich an, als ob man alten Freunden wieder begegnet. Manche der Klischees sind schlechter gealtert als andere, ebenso bin ich mir bei einigen Bemerkungen der Figuren nie sicher, wo die Figur anfängt und der Autor aufhört.

Was auch nicht so gut gealtert ist, sind die Kämpfe. Na gut, die waren auch nie gut. Ich kann entweder im Nahkampf mit der Feueraxt auf meine Feinde einschlagen, in der Hoffnung zu treffen, oder mit Revolvern und Schrotflinten sie aus der Ferne aufs Korn nehmen. Da die meisten Waffen selbst mit der höchsten Skillung böse verziehen, benutze ich die nie, außer in den Endkämpfen, in denen der direkte Angriff die einzige Möglichkeit ist. Damit verrät Bloodlines leider auch sein sonstiges Gameplay, denn die meisten Quests lassen sich auf unterschiedliche Art lösen. Hacken, Schlösser knacken, schleichen oder Figuren im Dialog überzeugen sind alles völlig legitime Möglichkeiten, um die zahlreichen Nebenaufgaben abzuschließen.

Apokalyptische Kulte machen die Nacht unsicher, Vampirjäger haben es auf mich abgesehen und hinter der Entführung eines geliebten Menschen steckt so viel mehr, als ich auf den ersten Blick erkenne. Bloodlines bietet erstaunlich viel Inhalt, dafür dass es vergleichsweise kurz ist. Beim ersten Durchlauf sollte man im Durchschnitt 40 Stunden brauchen, ich habe es jetzt mit einigen wenigen Abstürzen in knapp 27 Stunden geschafft. Wenn Troika es also geschafft hätte, diese spielerische Vielfalt ins Finale zu übertragen, dann tja … dann wäre das Spiel noch besser geworden als es sowieso schon ist!

Die düstere Atmosphäre hat sich auch gut gehalten. Bloodlines fühlt sich erwachsen an, wenn es in seine übernatürliche Welt sehr menschliche Themen wie Rache, Gewalt und Missbrauch einarbeitet. Ich könnte jetzt nicht den Finger darauflegen, warum hier so gut funktioniert, was sich in anderen Spielen oft bemüht anfühlt. Ich denke, es liegt daran, dass das Spiel seine Figuren ernst nimmt – Humor gibt es trotzdem reichlich.

Alles in allem ist Vampire the Masquerade: Bloodlines tatsächlich immer noch so gut, wie ich es in Erinnerungen habe. Nach viermaligen Durchspielen sehe ich schon die einen oder anderen Alterserscheinungen, aber Spaß macht es mir weiterhin. Heutzutage kann man sich das Spiel auf GOG und Steam kaufen, was man wirklich tun sollte. Denn Bloodlines war nicht nur ein kommerzieller Flop, sondern verbuggt bis zum Geht-nicht-mehr. Selbst heute arbeiten noch Fans an großen Patches, in die sie außerdem noch Content hinzufügen, der das Spielerlebnis bereichern soll. Die digitalen Versionen auf den offiziellen Plattformen haben das originale Spiel erhalten und die schwersten Bugs beseitigt und so gefällt es mir auch am besten. Persönlich würde ich aber die GOG-Version empfehlen, da das Spiel auf Steam recht temperamentvoll wirkt.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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