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Elektra 1 – Blutlinien

„Ich weiss, dass du da bist. Deine Rüstung knistert.“

Knistern tut’s im gesamten Comic und das nicht gerade selten. Und dabei leider auf eine ziemlich unangenehme Art. Wie, wenn noch ein Stück Alufolie an der Schoki klebt und man drauf beißt und dann so: ieeeh, eklig! Man fischt das Stück aus dem Mund, macht sich dabei die Finger dreckig, wischt sich die Schokospucke an der Hose ab und kaut weiter auf dem Süßen herum. Und dieser leicht metallene Geschmack, eingebildet oder nicht, er bleibt. Schlechtes Gewissen befällt einen: warum esse ich auch so einen Mist? Apropos …

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© Panini Comics

Die Geschichte von „Blutlinien“ ist schnell zusammengefasst: Elektra, die „Assassine“, wird beauftragt, Cape Crow, ebenfalls „Assassine“, zu jagen. Der Weg führt sie auf eine Insel, wo sie bei ihrer Jagd Konkurrenz von Scalphunter und Lady Bullseye bekommt, die – erraten – auch „Assassinen“ sind. Ganz klar handelt es sich hier um einen Assassinen-Comic. „Assassin“ stammt aus dem Englischen (eigentlich Persischen, aber wir wollen das nicht unnötig verkomplizieren) und bedeutet „Attentäter“. Was hat man sich dabei gedacht, den im Deutschem quasi-ungebräuchlichen Begriff so stehen zu lassen? Wird etwas bedeutsam, weil man es oft genug erwähnt? Die Inhumans sind Marvels neue Mutanten, die Assassinen Paninis neue Inhumans … oder so?

Jedenfalls: Das Ganze kommt grafisch wahnsinnig episch und aquarellmäßig daher, aber schon recht ansprechend, muss man zugeben. Doch inhaltlich leider sehr, sehr dünn. Der Name der Insel (sie heißt Monster Island) weist ja bereits subtilst darauf hin, wer oder was da noch so passieren könnte, deshalb werde ich die paar verbliebenen Plotpoints, die übrig bleiben, nicht spoilern.

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© Panini Comics

Da bleibt einem nur, sich an den guten Dialogen zu erfreuen. Zum Beispiel …

Elektra: „Ich sag das nur einmal. Waffen weg und runter von der Insel. Der Cape-Crow-Job gehört mir.“

BÄM? Eher nicht. Und drei Seiten später …

Elektra: „Bist besser als gedacht.“
Lady Bullseye: „Ich weiß.“
Elektra: „Es gibt nur ein Ende“
Lady Bullseye: „Weiß ich auch.“

Dabei gibt es den Spezialfall mit den zwei Enden. Aber davon scheint Lady Bullseye noch nie was gehört zu haben.

Das englische Original ist zwar inhaltlich aufgeblasen, aber immerhin stilistisch elegant geschrieben. Das geht in der Übersetzung an vielen Stellen über Bord: „Beim Auftauchen explodiert die Welt vom alleinigen Klang meines Herzens zu allen Stimmen des Sumpfes, die mich gleichzeitig rufen.“ Nope, das macht keinen Sinn. Wie gut, dass es insgesamt nicht so viel Text ist und dass man diesen im Zweifel auch überspringen kann, weil er nichts enthält, was sich nicht aus den Bildern ableiten ließe. Dies führt dazu, dass man die 120 Seiten ziemlich schnell durch hat. Und nach anfänglichem Gähn-Faktor nimmt die Geschichte in der Mitte immerhin ein wenig Fahrt auf und man kann sich an diversen gelungenen grafischen Sequenzen von Zeichner Del Mundo erfreuen. Die Erfahrung als Co-Autor von J.H. Williams III bei Batwoman hat Szenarist Blackman in Sachen Seitenlayout wohl nachhaltig inspiriert. Jedenfalls benutzt sein Zeichner ebenfalls etliche doppelseitige Splashpages, vor allem in der Exposition zu Beginn des Bandes. Del Mundo überzeugt als grafischer Erzähler: die Farbgestaltung, der Erzählfluss, dazu der Tuschestrich, der an den großen Sienkiewicz erinnert. Das alles wirkt gekonnt und kohärent.

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© Panini Comics

Handwerklich hat Panini bei der deutschen Version gute Arbeit geleistet. Papier- und Druckqualität liegen definitiv über dem Niveau des amerikanischen Originals. Der Bonus am Ende des Bandes, also die Variant-Cover, sowie die Vitae der Schöpfer – alles nice to have. Aber natürlich keine echten Kaufgründe. W. Haden Blackman und Mike Del Mundo: Das sind immerhin Namen, die klingen wie ein schönes Versprechen. Neues, Aufregendes, Eloquentes hätte man sich von den Herren hinter diesen klangvollen Triolennamen erwartet. Aber vielleicht auch, weil man bei Elektra immer noch an Frank Miller denkt, an Superhelden für „Mature Readers“. Dabei hat sich die Figur längst überlebt. Eingeführt in der Daredevil-Serie, zu Ruhm gekommen durch ihren tragischen Tod, wieder- (und immer wieder-)belebt, von Miller selbst, dann vom Marvel-Konzern, und nun der dritte Versuch einer monatlichen Serie mit der sexy Attentäterin. Ja, ich habe „sexy Attentäterin“ geschrieben und wenn sich das komisch und nicht mehr zeitgemäß anhört, dann weil’s so ist. Fun fact von Wikipedia, zum Ersten: „Elektra was ranked 22nd in Comics Buyer’s Guide’s 100 Sexiest Women in Comics list.“ Genau das ist das Problem.

Marvel will mehr Diversifikation und das ist zu begrüßen. Muslimische Ms Marvel und weiblicher Thor, ein neuer Black Widow-Agentencomic, ein lustiger Space-Opera-Comic mit einem sprechenden Waschbären: alles prima. Aber wer braucht den x-ten Aufguß der sexy Killerin, einen Typus, den man schon in den Neunzigern öde fand? Elektras Kostümdesign ist immer noch entsprechend. Ein bisschen Zirkus, ein bisschen Bondage, irgendwie cool und peinlich zugleich. Würde sich perfekt für eine Wrestlingbühne eignen. Fun fact von Wikipedia, zum Zweiten: „Miller initially based the character’s appearance on Lisa Lyon, a female bodybuilder.“ So weit, so stimmig. Warum aber eine um Unauffälligkeit bemühte Auftragskillerin überhaupt halbnackt und mit signalroten, immerzu flatternden, an ihre Oberschenkel und Arme befestigten Bändchen durch die Gegend läuft? Achja, ich hör schon auf. Ist ja nur ‘n Comic, ne? Aber eben kein besonders guter.

Gescheiterter Versuch aus dem Hause Marvel, eine Qualitätsserie etwas abseits des Superheldengenres zu etablieren.

Elektra 1 – Blutlinien3von10
Panini Comics, 2015
Text: W. Haden Blackman
Zeichnungen: Mike Del Mundo
Übersetzung: Carolin Hidalgo
124 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 16,99 Euro
ISBN: 978-3957983343

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