Wenn queere Comics bisher den Weg in ein deutsches Museum fanden, dann konnte man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Ralf Königs Arbeit in der Ausstellung thematisiert wurde. Das Schwule Museum* in Berlin hat nun mit „SuperQueeroes – Unsere LGBTI*-Comic-Held_innen“ die erste allgemeine Ausstellung zum Thema „queere Comics“ in einem deutschen Museum auf die Beine gestellt. Die international ausgerichtete Comicschau wartet mit einer sehenswerten Bandbreite auf, von der des Königs Werk natürlich ein verdienter Teil ist – jedoch nur einer von vielen.
Von Tom of Finlands stilbildenden Muskelschwulen über die in den USA gestartete Bewegung der schwulen und lesbischen Undergroundcomics, die erst nur versteckt angedeuteten, dann immer offener dargestellten queeren SuperheldInnen bei den großen US-Verlagen bis zum ersten Manga mit einer schwulen Figur, der sich an ein Mainstreampublikum richtet, ist eine breit gefächerte Menge an Material dabei. Neben Comics und Comicfiguren werden auch deren Rezeption und das Selbstverständnis ihrer SchöpferInnen thematisiert. Über die LGBTI*-Comicszene hinaus bekannte KünstlerInnen wie Alison Bechdel, Howard Cruse und Superhelden-Zeichner Phil Jimenez sind hier ebenso vertreten wie viele Indie- und UndergroundzeichnerInnen. Auch für ComickennerInnen lohnt sich der Rundgang, nicht nur wegen der sehenswerten Exponate, darunter viele Originalzeichnungen, sondern zudem, weil Ecken der Comiclandschaft beleuchtet werden, die man nicht so auf dem Radar hat. Denn wer kennt hierzulande schon queere Figuren in italienischen Genrecomics oder polnische Webcomics mit lesbischen Heldinnen?
Die begleitenden Informationstafeln auf Deutsch und Englisch sind vorbildlich – man merkt, dass die KuratorInnen teils aus der Comicszene stammen oder ihr eng verbunden sind – und eröffnen auch Nicht-ComicspezialistInnen die Chance, in die Materie einzusteigen. Zudem werden öffentliche Führungen angeboten.
Einziges Manko: Für meinen Geschmack hätte die etwas gedrängte Ausstellung noch weitaus größer (und großzügiger präsentiert) sein und gut und gerne alle Räumlichkeiten des Museums belegen können (wo zeitgleich noch zwei andere Ausstellungen laufen). An Material und Künstlern hätte es wohl nicht gemangelt. (Dann wäre vielleicht auch Platz für BoysLove-Manga aus Deutschland gewesen, die mein Kollege Michel Decomain hier schmerzlich vermisst.)
Aber bevor ich vollends in die Falle des nimmersatten Comicbegeisterten tappe: Für durchschnittliche MuseumsbesucherInnen ist dieser Querschnitt durch die Vielfalt von queeren Comics und Figuren in seiner aktuellen Größe vermutlich schon ziemlich erschlagend. Und auch mit allen Wassern gewaschene Comicbegeisterte können durchaus ein paar Stunden mit Schauen und Lesen dort verbringen und danach im Museumsshop in einer kleinen feinen Auswahl queerer Comics stöbern. Im Großen und Ganzen kann ich die ansprechend umgesetzte Ausstellung Comicfans wie auch anderweitig Neugierigen nur ans Herz legen.
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