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Froh schlägt das Herz im Reisekittel, vorausgesetzt, man hat die Mittel

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„Ich finde, Comics sind für alle“

Ein Kurzinterview mit Alicia Balsmeyer, die am Workshop mit Mawil in Wiedensahl teilgenommen hat

Alicia, Du bist Schülerin und hast an dem Workshop von Mawil in Wiedensahl teilgenommen. War das Dein erster Zeichenkurs und seit wann zeichnest Du?

Der Workshop war bis jetzt mein erster richtiger Zeichenkurs. Vorher habe ich mir lediglich Zeichenbücher gekauft und durch diese die „Basics“ gelernt. Eigentlich habe ich schon immer gerne gezeichnet, allerdings ist es mit 11 Jahren erst zu meinem richtigen Hobby geworden.

Möchtest Du gerne professionelle Zeichnerin werden?

Ich würde schon gerne mein Hobby zum Beruf machen, aber das ist sicherlich nicht leicht. Ich werde erst einmal studieren und einfach nebenbei weiter machen, mal sehen was dann kommt.

Du kommst aus der näheren Umgebung von Wiedensahl. Wie präsent ist Wilhelm Busch in der Region und was bedeutet er für Dich persönlich?

Obwohl ich im selben Landkreis wohne, ist Wilhelm Busch in „meinem“ Teil eher weniger vertreten. Natürlich kennt jeder seine Geschichten, aber dass er aus unserem Landkreis kommt, habe ich auch erst kurz vor dem Workshop erfahren. Für mich persönlich ist er schon ein wichtiger Teil meiner Kindheit und nun, da ich weiß, dass er von hier kommt, ist er schon irgendwie ein kleines Vorbild.

Welche Comics liest Du gerne und welche Künstler haben Dich beeinflusst?

Früher habe ich gerne viele Mangas gelesen, aber seit ungefähr drei Jahren bin ich dann zu den amerikanischen Comics gekommen. Das letzte Jahr habe ich dann auch viele Cartoons für mich entdeckt. Wenn ich dann so zurückschaue, kann man schon Veränderungen an meinem Stil erkennen – basierend auf dem Medium, mit dem ich mich gerade am meisten beschäftigt habe.

Ein schönes Paar – der im Workshop entstandene Comic von Alicia Balsmeyer

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Wie hast Du den Kurs von Mawil erlebt, was hat Dir gefallen, was würdest Du Dir noch wünschen?

Der Kurs hat auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht. Da ich vorher eher auf das Zeichnen von einzelnen Bildern fixiert war, waren die Comics eher Neuland. Vor allem den genauen Aufbau und die wichtigsten Regeln kannte ich bis dahin noch nicht. Ich hätte mir gerne mehr Zeit gewünscht, das ganze war einfach etwas zu kurz.

Wurde Dein Zeichentalent in der Schule gefördert?

Nicht direkt. Ich habe ab der 11. Klasse an einem Kunst-Leistungskurs teilgenommen und dort wurde deutlich mehr gezeichnet als in der Sekundarstufe 1. Trotzdem haben wir uns auch viel mit Kunstgeschichte und Theorie beschäftigt.

Hast Du auch schon Verlagen Deine Comics angeboten? 

Angeboten habe ich einen meiner Comics noch nicht, das liegt wohl auch größtenteils daran, dass ich noch nie wirklich die Zeit hatte, an einem größeren Projekt zu arbeiten. Ich habe mir momentan aber fest vorgenommen, ein schon etwas länger geplantes Projekt endlich fertig zu stellen.

Wünschst Du Dir mehr Angebote wie Workshops, Lehrbücher und Foren (im Internet oder mit anderen Zeichnern in Deiner Umgebung), um Comics zu zeichnen und sich darüber auszutauschen?

Ich würde mir schon etwas mehr Workshops in der Umgebung wünschen, allerdings kann man in einer Kleinstadt auch nicht davon ausgehen, dass so etwas regelmäßig angeboten wird.

Hast Du die Ausstellung im Museum besucht? Kanntest Du einige der Gewinner des Max-und-Moritz-Preises 2014? Wie haben Dir die ausgestellten Comics gefallen?

Ich habe mir die Ausstellung angesehen, allerdings kannte ich keinen der Gewinner. Ich kenne mich in der deutschen Comic-Szene noch nicht so gut aus. Die Comics fand ich jedoch alle sehr interessant und ich probiere mir einige in der nächsten Zeit zuzulegen.

Viele der Teilnehmer beim Workshop nannten Asterix als Lieblingscomic. Manchmal gibt es Versuche, Comics extra für Mädchen und Frauen zu vermarkten und dann ist da in den Medien oft so eine Ratlosigkeit, wie man junge Menschen für Medien wie Fernsehen und Bücher gewinnen könnte. Findest Du genügend Medien, die dich interessieren oder hast du das Gefühl, dass an dem vorbeiproduziert wird, was dich interessiert?

Ich finde, Comics sind für alle. In meinem Regal stehen viele Sachen, die man pauschal eher als „Jungen-Comics“ bezeichnen würde. Persönlich denke ich, man sollte nicht direkt versuchen, für ein Geschlecht Comics zu vermarkten, sondern einfach gute Comics zu machen. Da werden sich dann auch immer Leser finden. Vorbeiproduziert wird für mich nicht. Ich fühle mich eigentlich gut aufgehoben und meine Interessen werden auch gut repräsentiert.

Stand die Idee für den Comic, den du im Workshop geschrieben und gezeichnet hast, schon vorher fest?

Die Idee für den Comic ist erst vor Ort entstanden. Vor dem Workshop wusste ich noch nicht, was mich genau erwartet.

Wie viel davon hat Mawil beeinflusst und an welchen Stellen hattest du konkrete Fragen an ihn?

Ich habe Comics oft „nur für mich“ gezeichnet und nie daran gedacht, ob andere Leute die Geschichten dann verstehen. Mawil hat mir geholfen, meine Panels so zu gestalten und anzuordnen, dass auch andere sie verstehen. Mir ist erst beim Workshop richtig klar geworden, dass die für mich verständlichen Seiten für andere gar nicht so verständlich sind.

Konntest du die Idee, die du in deinem Kopf hattest so aufs Papier bringen, wie du es gerne wolltest, oder hakte es und konnte Mawil dann helfen?

Eigentlich ging es ganz gut, die Idee umzusetzen. Wie vorhin schon erwähnt, hat Mawil mir dann größtenteils dabei geholfen die Geschichte für andere verständlich zu machen, das war dabei auch mein größtes Problem. Vor allem, da ich eine Art Krimi gezeichnet habe, musste dem Leser besonders stark klar gemacht werden, was jetzt genau wie passiert.

„Die richtige Ausstellung zum richtigen Zeitpunkt“

Museumsdirektorin Gudrun-Sophie Frommhage-Davar und Kurator Darjush Davar schauen zurück auf ihre Ausstellung Endlich Comic und werfen auch einen Blick in die Zukunft

Foto: © Stefan Svik

Foto: © Stefan Svik

Liebe Gudrun-Sophie, lieber Darjush, ein Ziel der ersten Comic-Ausstellung in Wiedensahl war es, den Max-und-Moritz-Preis länger im Gespräch zu halten und über Erlangen hinaus zu tragen. Ist Euch das gelungen?

Gudrun-Sophie: Ja, das ist es. Zum einen konnte die Schau als Auftakt in das Max-und-Moritz-Jubiläumsjahr des Landkreises Schaumburg 2015 überleiten und dadurch bis Ende Mai des Jahres in Wiedensahl gezeigt werden. Zum anderen übernimmt das neu eröffnete Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach die Ausstellung und zeigt sie ab dem 13. November 2015 bis April 2016. Zwar unter anderem Titel, da Endlich Comic für ein Comic-Museum nicht wirklich greift, aber mit den gleichen Inhalten und Exponaten.

Gudrun-Sophie, Du kommst eher von der Malerei, Darjush, Du hast das wohl größere Comic-Faible von Euch beiden. Sind da nun unbekannte Welten aufeinander gestoßen in Wiedensahl und habt ihr beide die Ausstellung ganz unterschiedlich wahrgenommen?

Gudrun-Sophie: Für mich waren es vor allem die Kontakte und Gespräche mit den Künstlerinnen und Künstlern, die das Haus besucht haben, der Austausch über die individuellen kreativen Herangehens- und Arbeitsweisen, die mir den Zugang zum Thema Comic erleichtert haben. Über den Ausstellungszeitraum habe ich dadurch immer wieder neue Aspekte für mich entdeckt. Auch der Dialog mit den Besuchern, insbesondere den jüngeren, und wie die auf die Exponate und die Aufbereitung reagiert haben, dass war für mich eine echte Bereicherung.

Darjush: Ich habe ja seit acht Jahren an verschiedenen Stellen, also auch zuhause, fleißig Überzeugungsarbeit geleistet. Und natürlich habe ich meiner Frau immer wieder mit eher malerisch gestalteten Comics, die keinem festen Seitenraster unterliegen, das Thema schmackhaft gemacht. Für mich war die Ausstellung schon ein wenig wie ein Heimspiel, da ich bis auf 18Metzger und Marvin Clifford von allen anderen Preisträgern schon Comics zuhause hatte. Insofern war es sehr reizvoll, mit den entsprechenden Originalen zu arbeiten und über die digitale Vergrößerung richtig einzutauchen. Aufgrund der langen Dauer der Ausstellung hatten die Räumlichkeiten im Dachstuhl des Geburtshauses schon etwas Familiäres. Die Leseecke mit den alten Sesseln meiner Großmutter vermisse ich noch etwas.

Wie ist Euer Fazit der ersten Comic-Ausstellung in Wilhelm Buschs Geburtshaus 2014/2015?

Gudrun-Sophie: Die richtige Ausstellung zum richtigen Zeitpunkt. Die Zusammenstellung der deutschsprachigen Preisträger 2014 hätte für die erste Ausstellung dieser Art besser nicht sein können. Und mit Ralf König als Preisträger für ein herausragendes Lebenswerk hatten wir natürlich ein sehr werbewirksames „Zugpferd“.

Darjush: Der Aufwand war zwar hoch, da wir an sehr viele Türen klopfen und uns immer wieder neu vorstellen mussten, aber das Resultat und die positiven Reaktionen von Künstlern und Besuchern zeigt, dass dieser gerechtfertigt war. Und die daraus resultierende Kooperation mit dem Kulturbüro Erlangen, i.e. dem nächsten Comic-Salon, bietet für beide Museen (Geburtshaus und Pfarrhaus), den Ort Wiedensahl und den Landkreis Schaumburg eine vielversprechende Perspektive.

Wie viele Besucher kamen?

Gudrun-Sophie: Wir hatten 2014 circa 8.000 Besucher. Im Jubiläumsjahr 2015 werden wir auf ca. 10.000 Besucher kommen. Die wenigsten „outen“ sich aber als reine Comic-Besucher, sondern schauen sich natürlich auch das Haus und die Dauerausstellung zu Leben und Werk von Wilhelm Busch an. So war es ja auch gedacht. Unsere Eintrittskarte gilt zudem für beide Wiedensahler Busch-Häuser. Daher können wir keine Zahlen für die Ausstellung gesondert nennen. Es ist aber deutlich, dass wir mehr Erstbesucher im Haus hatten. Berücksichtigt man die bundesweite Medienresonanz und die Tatsache, dass die Ausstellung weiter wandert, kann man zu Recht sagen, dass es die bislang erfolgreichste Ausstellung des Hauses war.

Wie war das Echo der Besucher, gerade der Comicskeptiker und in den Medien?

Gudrun-Sophie: Natürlich gab es auch einige Verstimmungen, die sich vor allem an den Arbeiten von Ralf König festmachen. Aber damit steht er ja auch sehr gut in der provozierenden Tradition von Wilhelm Busch. Und dass manchen Besuchern die Verbindung zwischen Buschs Bildergeschichten und den heutigen Comics nahegebracht werden muss, damit haben wir gerechnet. Es war ja auch das erklärte Ziel, den Bogen von Wilhelm Buschs Werk in die Gegenwart zu schlagen und somit seine Relevanz für die heutige Comic-Tradition zu belegen.

Darjush: Von den Lokalzeitungen, der Fachpresse und den einschlägigen Internetseiten haben wir viel Unterstützung und viel positive Resonanz erfahren. Etwas gefehlt hat uns die Rückmeldung von den überregionalen Zeitungen und dem Fernsehen. Immerhin handelt es sich um eine sehr erfolgreiche Doppelpremiere, die der Leiter des Comic-Salons Erlangen, Bodo Birk, als „historisch“ bezeichnet hat. Aber das liegt sicher daran, dass das Geburtshaus in Wiedensahl noch immer zu wenig bekannt ist und keiner damit gerechnet hat, dass wir das Thema so ernst und mit so viel Leidenschaft bearbeiten. Da wird hoffentlich im kommenden Jahr einiges leichter.

Welche Preisträger waren vor Ort und wie haben sie reagiert? Ralf König ist ja bereits Busch-Kenner. Konntet ihr neue Busch-Enthusiasten gewinnen?

Darjush: Bis auf Olav Korth (18Metzger) waren alle da und haben sich die Ausstellung angesehen. Marvin Clifford war sogar zweimal da und hat damit sicherlich auch seine Busch-Kenntnisse vertiefen können :-)
Auch Mawil und Barbara Yelin haben während ihrer dreitägigen Workshops im Alten Pfarrhaus und ihrer Comic-Lesung im Geburtshaus viel von Wilhelm Busch und seinem Heimatdorf kennengelernt. Ob da etwas „abgefärbt“ hat, werden künftige Arbeiten der beiden zeigen.

Gudrun-Sophie: Mit Ulli Lust haben wir auch über Besuche mit ihren Studenten gesprochen. Sie ist aufgrund ihrer Lehrtätigkeit in Hannover ja gewissermaßen „um die Ecke“ und war von dem Museum und der Ausstellung auch angetan.

Die Ausstellung wandert nun weiter ins Erika-Fuchs-Haus. Wie eng arbeiten die Comic-Museen in Deutschland und international zusammen?

Gudrun-Sophie: Da kann ich noch nicht viel zu sagen. Wir hatten ja erst eine Comic-Ausstellung und sind auch sicherlich kein Comic-Museum. Aber die Kontakte, die sich zu anderen Museen (Erika-Fuchs-Haus, Ludwiggalerie Oberhausen, Caricatura Frankfurt, u.a.) aufgrund der Ausstellung der Max-und-Moritz-Preisträger ergeben haben, waren sehr vielversprechend und auch sehr angenehm.

Ist 2016 eine zweite Ausstellung in Wiedensahl geplant?

Gudrun-Sophie: Ja. So ist es auch mit Herrn Birk und Frau Dr. Hentschel abgesprochen. Wir würden gern noch eine dritte Station für die nächste Ausstellung finden. Hierzu laufen die Gespräche. Und wir müssen für die zweite Auflage auch andere Geldgeber finden, da wir nicht in dem Umfang wie im Jubiläumsjahr auf Fördermittel zurückgreifen werden können.

Was wollt ihr besser machen? Die Busverbindung fiele mir spontan als nicht optimal ein.

Gudrun-Sophie: Die Bussanbindung ist sicherlich ein Thema. In Wiedensahl bekommen die Museen ja keine „Laufkundschaft“, das heißt wir müssen es den (Gelegenheits-)Besuchern so einfach wie möglich machen, von Stadthagen oder Bückeburg nach Wiedensahl zu kommen. Sicherlich werden wir im Vorfeld auch die Werbung und Pressearbeit noch langfristiger planen und noch mehr überregional arbeiten. Für die zweite Ausstellung werden wir auch auf Sponsoren und Kooperationspartner aus dem Comic-Bereich zugehen. Jetzt wissen die Leute, mit wem sie sprechen und wir haben eine tolle Referenz vorzuweisen.

Darjush: Und wir wollen auch den Landkreis stärker mit ins Boot holen. Das Thema Comic ist nicht umsonst auf der Agenda der Bundeszentrale für politische Bildung. Gerade vor dem Hintergrund zunehmender Sprachbarrieren im Land gewinnt die Vermittlung von Information und anderen Inhalten mithilfe von Bildergeschichten klar an Bedeutung. Das ist ein geeigneter Zeitpunkt, auf einen der wichtigen Urväter des Genres und die aktuelle Entwicklung der Comics in Deutschland verstärkt hinzuweisen.

 

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