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Bis an die Grenzen des Machbaren! – Interview mit Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld

Sie lernten sich einst als Abrafaxe-Zeichner beim Mosaik-Magazin kennen. Seit 2012 lassen sie in ihrer gemeinsamen, zehnbändigen Reihe Das UPgrade den ersten Superhelden der DDR auf die Comicwelt los und wurden mit viel Lob und dem ICOM-Preis für den besten Independentcomic 2013 bedacht. Andreas Völlinger hat sich im Mai 2014 in einem Café in Berlin-Friedrichshain mit dem Kreativduo Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld über ihre gemeinsame Arbeit und vor allem das Thema Comicfarben unterhalten – ein Gespräch, das ungeahnte Ausmaße annahm!

Anmerkung: Zum Zeitpunkt des Interviews waren Band 1 und 2 von Das UPgrade im Zitty Verlag erschienen, Band 3 brachten die Künstler 2014 im Eigenverlag heraus. Mittlerweile wird die Serie in erweiterten Hardcoverausgaben bei Cross Cult neuveröffentlicht. Band 2 ist soeben erschienen, Band 3 soll im März 2016 folgen. Das Interview erschien ursprünglich im Comicgate-Magazin 8.

Ulf S. Graupner (links) und Sascha Wüstefeld beim Interview. Foto: Andreas Völlinger

Comicgate: Wie habt ihr die Story für Das UPgrade entwickelt? Habt ihr den Plot für die gesamte Storyline aufgeschrieben und verfasst darauf basierend dann jeweils ein Script für jeden Band?

(Ulf Graupner und Sascha Wüstefeld sehen sich an und lachen.)

Graupner: Das ging bei uns schon ganz verschwurbelt los, als ich irgendwann eine Idee hatte, auf der wir aufgebaut haben, aber die mittlerweile gar nicht mehr in der Geschichte vorhanden ist. Das war wie ein Sprungbrett für die eigentliche Idee. Die Story haben wir wirklich durch wochen-, nein, jahrelanges Diskutieren entwickelt.

Wüstefeld: So zwei Jahre hat das ungefähr gedauert. 2009 bis 2011, und dann ging die ernsthafte Arbeit am ersten Band los. Wir haben damals natürlich eine grobe Aufstellung gemacht, was in welchem Band passiert. Aber weil die Arbeit so lange dauert und man ständig wieder neuen Einflüssen ausgesetzt ist und neue Ideen hat, ist es so gefasst, dass man immer wieder was Neues einbauen und auch andere Dinge weglassen kann, auf die man keine große Lust mehr hat – ohne dass das Gesamtgerüst zusammenfällt. Es soll ja hauptsächlich uns selber Spaß machen (lacht).

Aber es steht ein Storygrundgerüst für alle zehn geplanten UPgrade-Bände?

Graupner: Ja, aber ein mageres Gerüst, an dem man immer noch etwas ändern kann. Nicht grundlegend, doch es kann zum Beispiel mal passieren, dass wir zwei Bände in der Reihenfolge vertauschen.

Wüstefeld: Im Prinzip ist das eine der Grundfragen, die uns oft von Lesern gestellt wird: „Na, habt ihr auch die Geschichte insgesamt im Kopf und wisst ihr genau, wie es weitergeht?“

Scribbles zu einer Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Scribbles zu einer Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Für in dieser Hinsicht oft enttäuschte Comicleser eine berechtigte Frage an die Autoren …

Wüstefeld: Ja klar, also das Ende steht auf jeden Fall fest. Und wir wissen auch, welche Figur sich wohin bewegt und so weiter. Womit wir gerade anfangen, ist, den Figuren in den Comics entsprechende persönliche Hintergründe zu geben, welche die Hauptmotivation darstellen werden für das, was sie in den nächsten acht Bänden machen. Aber um auf die Arbeit am einzelnen Heft zurückzukommen: Es ist nicht so, dass bei Beginn jede Seite und jede Szene schon feststeht. Es sind mindestens 50 Prozent des jeweiligen Heftes, die wir uns wirklich erst in dem Moment, in dem wir dran arbeiten, ausdenken. Es muss natürlich immer in den Gesamtzusammenhang reinpassen und das schränkt unseren Spielraum wieder etwas ein. Im Großen und Ganzen ist es aber eine ziemlich lebendige Arbeitsweise und das ist wichtig, weil wir uns ja auch als Menschen verändern und nicht vorstellen können, in acht Jahren – nein, es sind ja nur noch sieben Jahre, wie wir vorhin erfreut festgestellt haben – noch dieselben Interessen haben wie zu Beginn der Serie.

Graupner: Es kann auch passieren, dass plötzlich ein anderer Comic mit einem ähnlichen Thema erscheint, der unser Ende hat. In so einem Fall können wir immer noch ein bisschen rumschnitzen, denn es ist eben nicht alles in Stein gemeißelt.

Wüstefeld: Das ist ja auch bei vielen Fernsehserien so. Die haben ein Grundgerüst, aufgrund dessen sie wissen, worauf es hinauslaufen soll, aber sie wissen weder, wie viele Staffeln sie schaffen, noch, welche Figuren gut funktionieren und welche nicht. Es gibt auch Negativbeispiele wie Lost, wo die mangelnde Planung zu offensichtlich wurde und man am Ende ziemlich enttäuscht war. Ich glaube, enttäuscht wird man bei uns nicht sein (lacht). Aber bei uns ist es ja auch noch lange nicht so weit. Jetzt wollen wir erst mal die Figuren beleuchten. Die Hauptfiguren, die man eigentlich noch gar nicht richtig kennt. Wer ist Cosmo Schleym? Wo kommt der her? Und was für ein Typ ist Ronny eigentlich genau? Im dritten Band geht es hauptsächlich um Cosmo, da ist auch kaum DDR drin.

Vorzeichnung zu einer Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Vorzeichnung zu einer Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Um vom großen Storybogen auf die Arbeit am einzelnen Heft zu kommen: Wie nehmt ihr die Seiten selber in Angriff?

Graupner: Sehr unterschiedlich …

Wüstefeld: Na ja, also beim zweiten Band war es ein bisschen chaotischer als beim ersten. Aber generell ist es schon so, dass wir, bevor wir uns über die Zeichnungen Gedanken machen, eine Aufteilung der Handlung vornehmen. Wir schneiden vom großen Storybogen eine Scheibe ab, die das Heft wird. Das macht Ulf, der dann diesen Handlungsabschnitt auf die 44 Seiten verteilt. Und das ist eigentlich unser Script. Es gibt auch keine Dialoge, die entstehen erst später.

Graupner: Manchmal schreibe ich vorher schon etwas Text in die Seite rein, wenn es mir in den Sinn kommt. Aber das ist nicht zwingend.

Wüstefeld: Der Rest entsteht dann beim Arbeiten. So, wie es uns passt und wie es uns richtig vorkommt. Wir lesen uns immer wieder diese Seitenaufteilung durch, und dann machen wir uns an die Scribbles. Und bei dieser Scribblearbeit entsteht dann eigentlich erst die richtige Einteilung der Handlung, also wie viele Seiten jeder Storyanteil bekommt. Wenn das erst mal steht, dann ist ein Moment erreicht, in dem wir ziemlich zufrieden sind. Diese Scribbles sind aber noch total rough. Beim dritten Heft haben wir es übrigens anders gemacht und uns zusammengesetzt, weil ich wollte, dass Ulf auch mal mitscribbelt (lacht).

Ulf, wie leicht fällt es dir denn, die Zeichenarbeit komplett an Sascha zu übergeben? Du bist ja selber auch Zeichner.

Graupner: Das fällt mir leicht. Es soll ja auch alles aus einem Guss sein, obwohl … Darf ich das schon verraten?

Wüstefeld: Ulf zeichnet diesmal auch zwei Seiten! Das hat aber auch einen bestimmten Sinn bezüglich der Handlung. Ich finde es übrigens allgemein auch besser, wenn vor Beginn schon alles niedergeschrieben ist, aber das kriegen wir meistens zeitlich nicht hin, weil wir immer zu spät anfangen. Und so müssen wir uns halt mit dem zufrieden geben, was wir bis dahin geschafft haben. Speziell beim zweiten Band war es halt so extrem, dass nur ein ganz grobes Gerüst fertig war und ich schon mit den Seiten anfangen musste. Ich habe dann zu Beginn etwas ins Blaue hineingescribbelt.

Wie geht’s nach den Scribbles weiter?

Wüstefeld: Ich mache das ja am Computer. Und wenn ich damit fertig bin, ziehe ich die Scribbles auf das normale Zeichenformat und arbeite dann direkt auf ihnen und tusche sie. Wir haben das so beim Mosaik gelernt, dass die eigentliche Zeichnung beim Tuschen entsteht. Dass man da nicht einfach Linien nachziehen, sondern es als das eigentliche Zeichnen auffassen soll. Je lockerer die Vorzeichnung ist, desto mehr Raum hat man später beim Tuschen. Bei Zeichnungen, die vorher schon sehr ausgearbeitet waren und bei denen beim Tuschen nur die Linien nachgezogen wurden, habe ich oft das Gefühl, dass die Vorzeichnungen schöner waren.

Tuschen einer Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Tuschen einer Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Graupner: Gerade bei Arbeitsteilung zwischen Zeichner und Inker trifft das häufig zu. Ich lese gerade OMAC von Jack Kirby. Im Sammelband sind auch die Bleistiftzeichnungen enthalten, und da sieht man deutlich, was alles beim Tuschen verloren gegangen ist. Einerseits, weil die Künstler extremen Zeitdruck hatten, andererseits erkennt man, dass der Inker einen bestimmten Blick nicht hinbekommt. Was Kirby mit zwei Bleistiftstrichen hinkriegt, zum Beispiel Augen, sieht dann ganz anders aus. Nur wegen eines winzigen Pinseltupfers, der daneben ging, weil der Tuscher selbst nicht so richtig zeichnen kann. Heute würde man bei Kirbys Zeichnungen vielleicht einfach den Kontrast erhöhen und sie gar nicht mehr tuschen.

Wüstefeld: Und ich kenne das von mir selbst! Je detaillierter meine Vorzeichnung ist und je besser sie mir gefällt, desto höher ist die Gefahr, dass ich das beim Tuschen nicht mehr so hinkriege, was total frustrierend ist. Man darf die Vorzeichnung eigentlich noch nicht so richtig gut finden. Dann hat man auch noch genügend Motivation, sie beim Tuschen richtig schön hinzubekommen.

Graupner: Die Motivation beim Tuschen sollte immer sein, etwas verbessern zu wollen, und nicht, die Linien der Vorzeichnungen möglichst genau nachzuziehen.

Fertig getuschte Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Fertig getuschte Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Was ist denn bei dem gesamten Arbeitsprozess Vorzeichnen/Tuschen/Kolorieren allgemein euer Lieblingsteil?

Graupner: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich mach alles gleich gerne. Vorzeichnungen, Tusche und Farbe. Bei der Vorzeichnung muss ich mich aber am meisten konzentrieren, da hör ich dann auch keine Musik. Da brauche ich richtig Ruhe. Beim Tuschen hingegen kann ich auch Hörspiele hören.

Wüstefeld: Bei mir ist es so, dass ich die Vorzeichnungen und Tusche als einen Arbeitsschritt wahrnehme, weil da bei mir kaum Zeit zwischen liegt. Ich mache auch oft die Vorzeichnung von einem Panel und inke das gleich, weil ich sehen will, wie es dann aussieht. Ich glaube, die Figurenzeichnung ist für mich der schönste Arbeitsschritt. Jedenfalls, wenn es so gelingt, wie ich es mir vorgestellt habe, was eher selten der Fall ist. Aber manchmal hat man das Gefühl „Heute gelingt alles“, und das ist dann die absolute Krönung. Und was die Farben angeht: Ich sehe mich eigentlich nur als Zeichner, und das Anlegen der flachen Farben macht mir überhaupt keinen Spaß. Es sieht furchtbar aus, und meistens geht die Zeichnung dadurch irgendwie kaputt.

Flat Colors einer Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Flat Colors einer Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Graupner: Und dein ursprünglicher Farbplan, den du noch beim Zeichnen im Kopf hattest, wird dabei erst mal ein bisschen zerstört.

Wüstefeld: Und dann kommt noch diese Schattenversion der Seite, auf die ich auch nie Lust habe, weil es solch ein mechanischer Ablauf ist. Das Licht kommt nun mal von irgendwo und demnach fallen dann die Schatten. Da muss ich nie groß nachdenken, sondern gehe alles nacheinander durch. Aber dann kommt der Moment, wo alles ganz gut aussieht und man fängt an, die Farben noch mal zu verstellen, so dass sie richtig schön zusammenpassen, und das macht wiederum total Spaß. Das ist dann die andere Krönung, wenn man merkt, dass man eine funktionierende Seite geschaffen hat. Ich arbeite ja auch viel mit einzelnen Panels, die ich später in die Seite einsetze, und wenn das dann passt, wie ein Legostein oder Puzzleteil, ist das ein cooler Moment.

Sascha, wie lange brauchst du im Durchschnitt für eine Comicseite?

Wüstefeld: Eigentlich bin ich ziemlich schnell. Was lange dauert, ist halt dieser innere Kampf, ob es wirklich gut ist. Es gibt Seiten, für die brauche ich nur einen Tag – komplett für alles: Vorzeichnungen, Hintergründe, die ich trickfilmartig ohne Konturen male, Tusche und Farben. Wenn ich länger brauche, liegt es meist daran, dass ich mit irgendetwas unsicher bin. Aber wenn es richtig gut läuft, schaffe ich eine komplette UPgrade-Seite an einem Tag. Jetzt wird mancher wahrscheinlich denken: „Moment, dann brauchst du doch nur 44 Tage für so ein Buch!“

Fertige Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Fertige Doppelseite aus Das UPgrade 1, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Aber du musst ja auch noch mit anderer Illustrationsarbeit Geld verdienen.

Graupner: Ja, zum einen musst du noch andere Jobs erledigen, und zum anderen geht es rein körperlich einfach nicht.

Wüstefeld: Ich habe jetzt mal vier Seiten in drei Tagen gemacht, wobei eine Seite eher eine Vignette war, und danach hatte ich so ein unglaubliches Bedürfnis, mich mit Freizeit zu belohnen. Es gibt aber auch Künstler, die noch viel mehr schaffen, zum Beispiel Olivia Vieweg. Die macht so viel, es ist unglaublich. Da habe ich unheimlich Respekt vor. Aber sie ist ja auch zehn Jahre jünger (lacht). Oder Mawil, der mir letzten Dezember erzählt hat, dass er im März 2014 mit seinem Kinderland-Buch fertig sein und noch über hundert Seiten zeichnen muss. Und er hat es geschafft! Ich wünsche mir, ich hätte für alles so eine Lösung parat, dass mir das auch gelingt. Dass es auf Anhieb klappt. Aber ich bin ja auch irgendwie gefangen in diesem Anspruch, den inzwischen auch unsere Leser haben. Ich stelle mir dann immer vor, dass die sagen, „Ja, man sieht, dass er nachgelassen hat“. Solche Sprüche hat man im Kopf. Und dann dauert es so lange, weil man versucht, wieder etwas zu toppen, was vorher erschienen ist. Was aber nie gelingt. Meist denkt man dann, „Die letzten Hefte waren eben doch besser“. Ich denke das eigentlich immer. Ich finde immer, dass die zurückliegenden Sachen besser waren und frage mich, warum ich das nicht mehr so hinkriege. Ich befinde mich eigentlich seit zwanzig Jahren gefühlt in einem totalen Abstieg. (Gelächter von Ulf) Ich habe noch nie erlebt, dass ich mal dachte: „Hey cool, ich bin so gut drauf, ich könnte jetzt alles in der maximal besten Version hinkriegen.“

Zum Glück ist das nur dein subjektiver Eindruck. Habt ihr trotz aller Selbstkritik bisher eine Lieblingsseite oder -sequenz in den ersten drei UPgrade-Bänden; eine, die genau so geworden ist wie geplant oder gar besser als gedacht?

Wüstefeld: Das kann ich dir ganz klar sagen. Es ist eine Szene, bei der wir uns erst gar nichts gedacht haben, nämlich, wenn in Band 1 Ronnys Eltern in dieser Besprechung im VEB Jenapharm sitzen und die Wunschkind-Pille präsentiert wird. Aus künstlerischer Sicht bin ich damit total zufrieden! Ganz unerwartet, die Szene musste halt gezeigt werden. Aber es hat wirklich alles hingehauen: die Figuren, die Farben, der Panelablauf. Jetzt schau ich immer auf diese Seiten und denke: „Scheiße, das wirst du nie wieder so hinkriegen.“

Und bei dir, Ulf?

Graupner: Ich habe ja nur das Layout und die Textgestaltung verantwortet. Aber da ist eigentlich die Seite mit der kreisförmig angeordneten Schrift mit dem Impressum in Band 2 meine Lieblingsseite.

In so gut wie allen Rezensionen zum UPgrade werden die Farben erwähnt – und das meist lobend. Wie seid ihr denn die Farbplanung angegangen, und warum habt ihr euch für diese bestimmte Farbpalette entschieden?

Graupner: (lacht) Also, wir sind ja keine Werbeagentur, die sagt, „Wir müssen diese Linie fahren und haben diese bestimmte Farbpalette und es ist jetzt Herbst und da nehmen wir nur Olivgrün und Orange“ oder so. So war es bei uns überhaupt nicht.

Wüstefeld: Ich weiß aber, dass viele Comickünstler das so machen …

Ja, es gibt einige Zeichner oder Koloristen, die es auf diese Art angehen.

Graupner: Okay, wenn du eine reduzierte Farbgebung geplant hast und nur zwei oder drei Farben verwenden willst, dann brauchst du so was natürlich. Aber bei uns ist das wirklich sehr frei und ganz szenen- und stimmungsabhängig. Insofern konnten wir das gar nicht von vornherein planen. Bei uns ist es auf jeder Seite anders, und das ist das persönliche Farbempfinden von Sascha, ohne einen großen Masterplan dahinter.

Wüstefeld: Es gibt aber schon so gewisse Farben, die ich immer wieder verwende. Es ist immer sehr viel Gelb drin, weil das einfach auf mich persönlich gemütlich wirkt. Selbst die Szenen, die eigentlich eine gewisse Kälte ausstrahlen sollen, koloriere ich immer sehr gelb und später regele ich sie dann mit viel Schmerzen in ein kaltes Blau runter. Dieser Prozess läuft manchmal über Wochen. Es gibt im dritten Heft eine Szene, die spielt in dieser Höhle, die man schon aus dem zweiten Heft kennt, und da drin soll es halt kalt sein. Ich habe sie aber automatisch schön gelb und warm koloriert, weil ich mich so wohler fühlte. Ich habe diese Seite dann über eine Woche lang immer wieder aufgemacht und kälter ins Blaue runtergeregelt, bis ich das Gefühl hatte: “Okay, jetzt sieht es wirklich kalt aus.“ Ich mache die Seiten zur Farbnachregelung eigentlich immer wieder auf, es ist wie ein endloses Karussell. Dann passt die Seite nämlich nicht mehr zu jener und so weiter …

Farbbeispiel aus Das UPgrade 2, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Farbbeispiel aus Das UPgrade 2, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Und dabei sieht es so unheimlich durchgeplant aus bei euch. Ich habe einfach vorausgesetzt, dass ihr von Anfang an einen bestimmten Plan hattet, was diesen Look angeht.

Graupner: Auch wenn wir den ansatzweise hatten, es wird alles während des Arbeitsprozesses immer wieder angeglichen und gegenseitig korrigiert. Wenn du tagelang auf eine Stelle guckst, dann siehst du die Fehler einfach nicht mehr. Als ich zum Beispiel den frisch gedruckten Band 2 aufgeschlagen habe, sah ich, dass ein Zeilenabstand auf der Credits-Seite anders war. Das hatte ich vorher wochenlang nicht gesehen!

Wüstefeld: Es bringt schon viel, wenn man die Seiten vorher selbst ausdruckt. Der Monitor verzerrt ja eigentlich nichts, aber aus irgendwelchen Gründen merkst du bestimmte Sachen erst beim Ausdruck: Wieso hat der denn da winzige Hände? Oder: Hier ist ja ein richtiger Farbklecks drauf, den ich auf dem Monitor aber gar nicht wahrgenommen habe. Ich lasse auch alles erst mal eine Weile liegen, bevor ich wieder drauf schaue. Und dann schaue ich sie mir nach ein paar Tagen noch mal an und dann noch mal. Eigentlich bin ich nie fertig mit einer Seite, sondern sie ist irgendwann fertig, weil sie für den Drucktermin fertig sein muss! In Sachen Planung haben wir keine Bibel, in der von vornherein alles festgelegt ist. Aber ich glaube, das wirkt so, weil im UPgrade die Seiten, die ganz typische Comicseiten sind, sich in einem bestimmten Stilrahmen bewegen, es aber auch immer wieder Seiten gibt, die aus grafischen oder storytechnischen Gründen rausknallen. Und diese Seiten sind so wichtig, denn sie untermauern den Stil, den man auf den anderen Seiten sieht, als Stil. Durch sie wird das Herkömmliche gefestigt. Ich bin nie ein Fan von solchen Comic-Stilbibeln gewesen, in denen zu viel festgelegt ist und Dinge endlos durchgeplant werden, weil man sich dadurch zu sehr einschränkt. Dadurch wäre mir wirklich die Motivation genommen, weil ich mich auch immer selber überraschen will. Natürlich gibt es dann auch mal krasse Fehlschläge. Unsere Arbeitsweise ist schon relativ chaotisch. Wir müssen uns gegenseitig immer wieder an gewisse Dinge erinnern wie „Da sah die Farbe doch so aus, das müssen wir wieder so machen“. Da wir aber bloß zwei Leute sind, bleibt es trotzdem überschaubar.

Graupner: Und wir brechen dann auch einfach mal Regeln. Zum Beispiel die Weltall-Seite in Band 3 hat eine ganz andere Farbe als jene in Band 1 und 2. Ganz bewusst, weil dann nämlich die Anschlussszene besser passt.

Wüstefeld: Es gehört zu guter Gestaltung dazu, dass du gewisse Regeln aufstellst und die dann mit Genuss brichst.

Wart ihr beim UPgrade je versucht, es wie viele Regisseure zu machen, die in Filmen, die in der DDR spielen, gerne die Farben ganz stark entsättigen und dann oft noch so ein Grau-Braun drüberlegen?

Graupner: Die Städte waren ja auch wirklich recht grau, weil die Häuser langsam verfallen sind und kein Geld da war, um etwas daran zu machen. Aber als Kind hast du das nicht so wahrgenommen. Oder du wurdest gerade dadurch für Farben sensibilisiert, so dass du in diesen Grautönen noch Farben erkannt hast oder jedenfalls unterschiedliche Grautöne. Wie Loriot sagen würde: „Das ist ein frisches Steingrau.“ Vielleicht hat man dadurch wirklich mehr Nuancen wahrgenommen. Umso bunter kam uns dann der Westen vor.

Wüstefeld: Aber gerade das wollten wir im UPgrade nicht. Wenn es jedoch Sinn machen würde an einer bestimmten Stelle, würden wir es natürlich so machen. Es kommt ganz darauf an, was man vorher gezeigt hat. Wenn man vorher eine ganz bunte Szene gezeigt hat und man den Leser wieder in eine andere Realität zurückbringen will, dann müssen sich die Farben auch extrem unterscheiden. Jede Szene hat eine gewisse Grundfarbigkeit, die dann auch bis zu ihrem Ende durchgehalten wird. So dass man bestimmte Örtlichkeiten auch an den Farben wiedererkennen kann. Farben spielen für uns schon eine riesige Rolle, aber leider ist das Kolorieren so aufwändig geworden. Manchmal hätte ich doch gerne einen Assistenten, der wenigstens diese Flatcolors macht.

Graupner: Aber immer, wenn ich mir aus Zeitgründen habe helfen lassen, habe ich letztendlich genau soviel Zeit gebraucht, um alles wieder zu korrigieren. Ich bin da so pingelig geworden. Ich sage dann, „Hast du gut gemacht, aber ich muss doch noch mal dran“ und sitze dann eine Woche da und überarbeite alles. Wenn ich es selber mache, geht es schneller und sieht gleich so aus, wie ich es mir gedacht habe.

Farbbeispiel aus Das UPgrade 3, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Farbbeispiel aus Das UPgrade 3, © 2014 by Graupner & Wüstefeld

Ihr kommt ja gerade aus der Druckerei wegen des dritten Bandes, und soweit ich weiß, wart ihr auch beim Druck der vorherigen Bände dabei und habt den Druckern über die Schulter gesehen …

Graupner: Wir sind immer dabei, ja. Es wird furchtbar, wenn wir aus Kostengründen mal irgendwo in Thailand drucken lassen müssen …

Andere Künstler haben ihre Arbeit zu diesem Zeitpunkt ja schon lange in andere Hände gegeben. Habt ihr schon dermaßen schlimme Erlebnisse mit Druckereien gehabt, dass ihr das nicht könnt?

Graupner: Wir wissen halt, was alles schief gehen kann. Wir haben es schon erlebt, wie ein Druck zum ersten Mal durchläuft und man das Ergebnis sieht und denkt: „Das geht ja überhaupt nicht!“ Das erste meiner Bücher, bei dessen Andruck ich dabei war, das war Ritter Runkel, ein Roman, für den ich Illustration und Layout gemacht hatte. Das Buch hatte ein braunes Cover, es sollte ein dunkles Kastanienbraun sein. Das haben die einfach nicht hingekriegt. Die erste Auflage war auch nicht so hoch, da haben die sich nicht so Mühe gegeben und eine alte Maschine genommen. Das Braun ging dann oben in Richtung Violett und unten Richtung Spinatgrün. Und der Drucker hat das nicht gesehen oder wollte es nicht sehen. Wäre ich nicht dabei gewesen, hätten die Cover aller Bände dann so ausgesehen. Und nach solchen Erfahrungen ist man halt lieber dabei.

Wüstefeld: Es ist schon leicht neurotisch (lacht).

Musstet ihr denn beim UPgrade-Druck schon eingreifen?

Wüstefeld: Beim zweiten Band gab es ein Problem. Da war die Druckmaschine irgendwo nicht ganz sauber und man sah, nachdem ein Bogen durchgelaufen war, auf dem nächsten Bogen plötzlich Teile des vorherigen Drucks. Wir haben das mit bloßem Auge gesehen und die Drucker haben es abgestritten. Das war eine ganz unangenehme Situation und ja wirklich keine Kleinigkeit.

Cover Mosaik 3/1981

Cover Mosaik 3/1981

Ihr habt beide beim Mosaik angefangen, Ulf hat von 1993 bis 1999 und Sascha von 1997 bis 2001 dort gearbeitet, und ihr wart auch danach beide immer wieder für den Mosaik-Verlag tätig. Inwiefern hat euch diese Mosaik-Schule, wie ihr sie mal in einem Interview genannt habt, geprägt? Und was kann man überhaupt unter der Mosaik-Zeichenschule verstehen?

Graupner: Das war eine Beeinflussung, die schon in der Kindheit begann. Ich habe natürlich schon als Kind Mosaik gelesen und den Stil gut gefunden. Das war, als noch Hannes Hegen die Leitung innehatte. Und so ähnlich habe ich dann zwangsläufig auch gezeichnet. Man kannte ja auch kaum etwas anderes, und die FRÖSI-Comics [FRÖSI war eine Kinderzeitschrift in der DDR] haben mir im Vergleich nicht so toll gefallen. Ich kannte auch kaum was aus dem Ausland. Nur mal ein einzelnes Micky Maus-Heft oder einen Marsupilami-Comic, ich glaube, der stammte aus einem Lupo Modern, dem aber der Umschlag fehlte. Da hieß das Marsupilami auf Deutsch noch Kokomiko und wurde noch von Franquin selbst gezeichnet, und ich glaube, das hat mich auch etwas beeinflusst. Aber als ich damals angefangen habe bei Mosaik, war es noch mal was ganz anderes, zu sehen, wie es handwerklich gemacht wurde, und mit Lothar Dräger und Lona Rietschel zu arbeiten.

Die Pythia Sibylla, Lona Rietschel 1994

Die Pythia Sibylla, Lona Rietschel 1994

Lona Rietschel war damals die Chefzeichnerin?

Graupner: Na ja, ich glaube nicht, dass sie mehr verdient hat als die anderen. Es gab damals keine Position wie Chefzeichner. Aber sie war die stilprägende Zeichnerin.

Wüstefeld: Es gab auch andere, die ähnlich lange dabei waren. Aber Lona wurde einfach dadurch stilprägend, dass sie die beste Zeichnerin war. Eine andere alt gediente Zeichnerin hat mal etwas enttäuscht zu Ulf gesagt: „Ich weiß schon, ihr Jungen wollt alle nur zeichnen wie Lona.“ Und es stimmte, es war immer mein Traum, so wie Lona zeichnen zu können.

Was genau macht ihren Stil aus?

Wüstefeld: Ja, der Lona-Strich … Es wurde dafür sogar ein Wort geprägt, nämlich „lonös“. Man musste damals wissen, was das bedeutet, wenn man beim Mosaik anfangen wollte. Das Ideal des Verlags war es, nur noch Zeichner einzustellen, die so zeichneten wie Lona. Das hat auch jeder versucht, der zu unserer Zeit da angefangen hat. Es gab speziell einen, der das geschafft hat, und zwar Jens Fischer. Er kam so nahe an Lonas Stil ran, dass es auch für alle anderen eine Motivation war, es so hinzukriegen. Man konnte seine und ihre Zeichnungen kaum noch auseinander halten.

Graupner: Er hat auch einfach unglaublich viel geübt. Schon lange bevor er beim Mosaik angefangen hat.

Tutanchamun, Lona Rietschel 1994

Tutanchamun, Lona Rietschel 1994

Wüstefeld: Dieser Lona-Stil ist einfach ziemlich speziell, man kann ihn kaum mit etwas anderem vergleichen. Sie war auch diejenige, von der ich gelernt habe, erst mit dem Pinsel richtig zu zeichnen und nicht schon vorher. Ihre Vorzeichnungen sind kaum zu verstehen. Das sind so Liniengebilde, aus denen sich erst mit dem Pinsel die richtige Zeichnung ergibt. Was bei mir etwas anders ist als bei Ulf, ist der Umstand, dass ich erst nach der Wende beschloss, Comiczeichner zu werden, und damals natürlich schon viele andere Sachen kannte. Aber gerade dadurch habe ich gemerkt, wie einzigartig das Mosaik im Vergleich zu anderen Comics ist. Vor allem die alten Hegen-Sachen aus den 50er Jahren, die haben so einen abgefahrenen Stil, das ist LSD. Du kannst kaum fassen, was die damals gemacht haben und wie aufwändig. Du hast da Figuren, die aussehen wie Schreckgespenster mit Falten und grüner Haut, die sich durch total aufwändig gestaltete Szenarien bewegen. Das ist ein ganz eigenartiger, beeindruckender Stil. Die alten Cover sehen auch jetzt noch unheimlich toll aus. Gerade im Vergleich zu anderen Comics fand ich das damals so richtig gut. Und so habe ich gemerkt, dass es da eine bestimmte Stil-Schule gibt. Da war etwas drin, was man kaum erklären kann. Sehr großzügige Zeichnungen mit unheimlich dicken Outlines und ganz ‚öligen‘ Linien, wie wir sie immer genannt haben.

Graupner: Da werden ganz viele Einflüsse aus dem Jugendstil deutlich. Du kannst ja eigentlich für jeden Comiczeichner wie über eine Art Stammbaum zurückverfolgen, woher er seinen Stil hat. So etwas würde ich gerne mal als Buch umsetzen. Einen Stammbaum, anhand dessen man sehen kann, wer den größten Einfluss auf welchen Zeichner hatte und dann wiederum, wer der größte Einfluss für den Zeichner vor ihm war. Das ist wahnsinnig interessant.

Also sind die Mosaik-Zeichner aus den 1950ern und Lona Rietschel eure Haupteinflüsse?

Wüstefeld: Lona auf jeden Fall. Zeichnerisch sieht man das wahrscheinlich gar nicht mehr so richtig. Wer momentan noch so durchschimmert bei mir, ist vermutlich Alessandro Barbucci. Ich glaube, viele italienische Zeichner, die ich sehr mag, sind in meinen Stil eingeflossen. Das Ideal für mich, wie ich mir einen Comic vorstelle, ist eigentlich ein eingefrorener Trickfilm. Mit Figuren, die flacher aussehen als die Hintergründe. Ich weiß gar nicht, woher dieses Ideal kommt. Ich habe als Kind eigentlich gar nicht so viele Disneyfilme geguckt. Ich könnte ansonsten auch gar keine anderen Zeichner nennen, die sich künstlerisch stark auf mich ausgewirkt haben. Das muss wahrscheinlich jemand anderes machen, man kann das selbst vielleicht gar nicht so gut einschätzen. Sag doch mal, Ulf! (lacht)

Graupner: Man muss ja schon von den Sachen ausgehen, die du damals kanntest. Dieser Einfluss kommt vielleicht auch von den alten Mosaik-Heften aus den 50er Jahren, speziell aus der Weltraumserie. Da gibt es so beeindruckende Hefte … Die Digedags landen auf einem Planeten, der von einem Atomkrieg heimgesucht wurde und fahren durch diese Trümmerlandschaft. Es gibt so viele Hintergründe, die einfach nur gemalt sind, ohne Konturen, und davor hat man diese vereinfachten, konturierten, flach kolorierten Quasi-Trickfilmfiguren.

Mosaik 31/1959, Hannes Hegen. © Tessloff Verlag

Mosaik 31/1959, Hannes Hegen. © Tessloff Verlag

Wüstefeld: Und bestimmt bin ich noch von ein paar alten Anime beeinflusst wie Akira, und Franquin steckt wahrscheinlich auch noch viel in meinen Zeichnungen.

Das sind ja doch schon eine ganze Menge Einflüsse. Du hast wohl recht: Wenn andere den Einfluss eines Künstlers in deinen Zeichnungen ausmachen, der dir gar nicht bewusst ist, ist auch was dran.

Wüstefeld: Ich glaube sogar, da ist das meiste dran. Wenn ich an einem Comic arbeite, gucke ich mir immer sehr ungern andere Comics an, höchstens die, die überhaupt nichts mit meinem Stil zu tun haben. Weil ich ansonsten wieder abgelenkt werde oder gar deprimiert bin und versuche, dem jeweiligen Künstler nachzueifern. Daher lese ich gerade Terry & The Pirates. Da besteht keine derartige Gefahr.

Wer weiß, vielleicht sieht der nächste UPgrade-Band ja nach Milton Caniff aus.

Wüstefeld: (lacht) Warum eigentlich nicht? Der hat toll geinkt.

Es ist für Comiczeichner wahrscheinlich unmöglich, einen Comic zu lesen, ohne irgendwelche Inspiration daraus zu ziehen. Und wenn man nur herausfindet, wie man es nicht machen will, oder?

Wüstefeld: Das auf jeden Fall.

Graupner: Und es fallen einem auch immer die Fehler auf. Das ist eine Berufskrankheit.

Wüstefeld: Adam Hughes finde ich übrigens auch klasse! Ich habe ein Buch mit Covern von ihm – es gehört eigentlich Flavia [Scuderi, Saschas Frau] –, in dem er die Entstehung jedes einzelnen Covers beschreibt. Und das finde ich sehr beeindruckend. Mich beeindrucken allgemein die Arbeitsmethoden anderer Zeichner, wenn man immer wieder merkt, wie unglaublich vielfältig es sein kann, mit nur einem einzigen Programm wie Photoshop zu arbeiten. Wie unglaublich viele Wege es da gibt. Ich verstehe es nie, wenn Leute mich fragen, ob ich ihnen zeigen kann, wie ich die Farben mache und ob ich mal einen Kurs geben könnte. Die wären zutiefst enttäuscht, dass bei mir eigentlich gar nichts dran ist – außer tausend Ebenen. Das ist eigentlich das Hauptmerkmal an meinen Photoshop-Files, dass die extrem groß sind, weil ich immer so viele Ebenen nutze. Für jede Kleinigkeit gibt es bei mir eine Ebene. Das ist eigentlich reine Unsicherheit. Ich bewundere das bei anderen, wenn die sagen: „Ich hab hier nur eine Ebene mit Schatten und eine mit Farben“, und am Ende sieht deren Ergebnis vielleicht sogar besser aus als meins. Ich würde gerne reduzierter arbeiten, manchmal zwinge ich mich auch dazu nach dem Motto „Okay, heute nur hundert Ebenen“, aber meistens habe ich tausend Ebenen, die ich ständig an- und ausschalte. Das ist ja das Coole an Photoshop: Du kannst alles, was dir einfällt, sofort umsetzen. Letztendlich landest du aber immer wieder bei Sachen, für die es Regeln gibt. Farbkontraste durch Kombination von hellen und dunklen Farben oder leuchtenden und matten Farben.

Das klingt, als ob dich das Kolorieren reichlich stresst.

Wüstefeld: Mal ganz ehrlich: So viel Spaß mir die Farbe auch immer macht, eigentlich ist es nur ein notwendiges Übel. Wenn ich koloriere, will ich es auch richtig machen, aber es ist etwas, das mich unglaublich verlangsamt. Man will eigentlich weitererzählen, aber muss erst mal innehalten und die Seite kolorieren. Und es dauert viel länger als das Zeichnen.

Graupner: Aber dafür erzeugst du damit auch eine Menge Witz, zum Beispiel durch deine typischen roten Wangen und roten Nasen. Ich habe so viele Sachen von Sascha gesehen, dass ich mittlerweile immer bei meinen eigenen Figuren denke: „Moment, die sehen ja total blass um die Nase aus. Da muss ich noch was machen!“

Wüstefeld: Ich finde es halt immer komisch, wenn Figuren das nicht haben. Denn an Wange, Nase und auch am Ohr ist die Haut ganz dünn, und wenn Comicfiguren dort nicht wenigstens einen leichten roten Schimmer haben, dann wirken sie wie aus Wachs.

Graupner: Früher ist mir das nicht aufgefallen, weil ich es nicht anders kannte.

Wüstefeld: Okay, die Digedags in den alten Mosaik-Comics waren ja auch recht einfache Gestalten, da wäre es komisch gewesen, wenn sie rote Nasen gehabt hätten. Die Nase war bei denen ja auch so ein Extraelement, das sie draufstecken hatten.

Abrafaxe-Zeichnung zu Lehrzwecken von Lona Rietschel für Ulf Graupner, 1993

Abrafaxe-Zeichnung zu Lehrzwecken von Lona Rietschel für Ulf Graupner, 1993

Apropos alte Mosaik-Comics: Ich bin in Westdeutschland aufgewachsen, aber als ich klein war, standen in unserer Ferienwohnung aus irgendeinem Grund zwei Mosaik-Sammelbände. Ich habe die gerne und oft gelesen, fand es aber immer merkwürdig, dass es darin keine Sprechblasen gab. Warum war das eigentlich so?

Graupner: Die wurden von Hannes Hegen aus künstlerischen Gründen weggelassen. Alle dachten immer, das sei Zensur, aber er hat sie wirklich aus freien Stücken aus den Panels verbannt. Erst haben sie eckige Sprechblasen gehabt, die dann irgendwann alle in einer Reihe nebeneinander, entweder unten oder oben im Bild, angeordnet waren. Dann hat man sich wohl gedacht: „Machen wir sie doch gleich ganz drunter.“ Und dann haben sie Erzähltexte verfasst, mit Dialogen mit Anführungsstrichen, und diese unter die Bilder gesetzt. So konnte man das Bild erst richtig durchkomponieren.

Wüstefeld: Das ist so ein Luxus!

Würdet ihr auch gerne so arbeiten?

Wüstefeld: Ich glaube, dass die Kinder es damals alle doof fanden. Aber sie mussten es kaufen, es gab ja nichts anderes (lacht). Ein Comic ohne Sprechblasen ist natürlich der absolute Traum für Zeichner, weil dann nichts im Bild rumhängt. Wir versuchen bei uns immerhin, die Sprechblasen auch farblich zu integrieren. Das ist auch so ein Ding, das mir bei anderen Comics schon oft negativ aufgefallen ist, wenn in einer dunklen Situation plötzlich knallweiße Sprechblasen auftauchen. Das stört so sehr und ich finde es so schrecklich, dass wir angefangen haben, die Sprechblasen zu färben. Was sich langsam zu einer Art Chimäre entwickelt hat, denn jetzt müssen wir das immer machen.

Graupner: Aber wir machen es ja gerne.

Wüstefeld: Ja, wir machen es gerne. Aber manchmal schrauben wir echt lange dran rum.

Graupner: Die Szene ändert sich ja auch im Hintergrund, und dann muss diese Färbung auch wieder zur Hintergrundfarbe passen. Und die eine Figur spricht dann erst in Blau und dann in Grün.

Wüstefeld: Und das ist das Coole an der Arbeit mit Ulf! Ich hätte mich vielleicht nicht getraut, einer Figur eine grüne Sprechblase zu geben, obwohl sie vorher eine blaue hatte. Aber er sagt dann: „Sieht doch gut aus und es muss ja hier grün sein, damit es zu den Hintergrundfarben passt.“ Das ist einer der Gründe, warum unsere Zusammenarbeit so super funktioniert. Ich sehe mich ja eher als jemand, der das Arbeitsmaterial für Ulf liefert, der dann die Seiten durch die Gestaltung erst so richtig fetzen lässt.

Noch mal kurz zu eurer Zeit beim Mosaik zurück: Wie lief es denn da mit den Farben?

Graupner: Als ich damals angefangen habe, wurde noch auf Papier koloriert. Da gab es einen Andruck auf Aquarellkarton in Hellblau und dann eine Folie mit der schwarzen Linie drauf, die angeklebt und dann immer aufgeklappt wurde. Und sie haben dann mit Aquarellfarben und Gouache-Farben, also teilweise deckend, die hellblauen Flächen ausgemalt. Ich habe erlebt, wie es auf Computer umgestellt wurde, und wir konnten erst gar nicht glauben, wie das funktionieren soll.

Hast du damals auch koloriert?

Graupner: Ich hab damals nur ein Titelbild, das ich gezeichnet hatte, koloriert. Und einmal mit Jens Fischer zusammen eine Rückseite. Ansonsten gab es spezielle Koloristen. Zwei oder drei Leute hatten wir da immer sitzen. Bis dann André Kurzawe kam und alles allein geschafft hat, der war wahnsinnig schnell.

Mosaik in der SUPERillu, Panel aus Folge 392, Ulf S. Graupner

Panel aus Abrafaxe-Onepager #392, Ulf S. Graupner. © Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag GmbH

Wüstefeld: Übrigens war Ulf gar kein unwesentlicher Farbeinfluss für mich. Weil er der erste war, den ich kannte, der wirklich alles alleine gemacht hat. Und damit immer zu einem unglaublich zufriedenstellenden Ergebnis gekommen ist. Ulf hat nämlich jahrelang die Mosaik-Folgen für die SUPERillu gemacht. Es ging noch relativ einfach los. Ich weiß, dass er noch mit den ersten Seiten von zu Hause ins Mosaik-Studio kam, um dort zu kolorieren, weil er noch nicht alles alleine hingekriegt hat.

Graupner: Ich habe mich ja selber in Photoshop eingearbeitet. Als ich mich damals selbstständig machte, habe ich mir einen Computer gekauft und losgelegt, und manches wusste ich noch gar nicht.

Wüstefeld: Da gab es so bestimmte Aussprüche von Ulf, die sich mir eingebrannt haben. Er ist ja über zehn Jahre älter als ich, ich war damals wirklich sehr jung, als ich beim Mosaik angefangen habe. Beispielsweise, dass man sich überlegen muss, wo das Licht herkommt – das weiß ich von Ulf. Oder auch, dass man Mut zu nichtbunten Hintergründen haben sollte. Das hat mich bei Ulf total beeindruckt. Er hat es nur durch Farbe erreicht, dass die Figuren total herauskommen, so dass man das Gefühl hat, sie seien dreidimensional. Das kriege ich bis heute nicht so hin. Und auch generell die von ihm verwendete Farbpalette. Die hatte immer so etwas leicht … altmodisch ist immer so ein böses Wort. Sie war eben …

Klassisch.

Wüstefeld: Genau!

Abrafaxe-Onepager #487, Ulf S. Graupner (Text Jens U. Schubert, © Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag GmbH)

Graupner: Ich habe immer darauf geachtet, für den Hintergrund nur gebrochene Farben zu verwenden, also keine leuchtenden, reinen Farben, es sei denn, es handelt sich um etwas, das total wichtig ist für die Handlung. Ansonsten sind die aktiven Elemente ja meist die Figuren, und die sollen auch die lebendigen Farben bekommen, während die Sachen, die ruhen und nichts mit der Handlung zu tun haben, diese toten Farben haben. Dadurch erzählst du auch mit der Farbe etwas, die Farbe unterstützt die Handlung. Es gibt ganz schreckliche Gegenbeispiele. Du musst nur das aktuelle Micky Maus-Heft aufschlagen oder ein Lustiges Taschenbuch. Obwohl die es jetzt manchmal wenigstens versuchen mit gebrochenen Farben, kriegen sie es nicht hin. Sie machen dann gleich alles, auch die Figuren, komplett matt. Dann erkennt man fast schon die Figur nicht mehr im Bild und muss sie suchen. Sie lassen halt vieles in Asien kolorieren, wo alles unter Zeitdruck durchgepeitscht wird, von Leuten, die noch nie etwas von Farbtheorie gehört haben.

Apropos Farbtheorie: Ulf, du hast Trickfilm studiert und davor in der DDR eine Ausbildung zum Werbe… wie war doch gleich die Berufsbezeichnung?

Graupner: Gebrauchswerber. Da gab es zwei Berufe in diesem Bereich: Werbemittelhersteller und Werbegestalter. Die Gestalter haben das Schaufenster dekoriert und die Hersteller haben, wie der Name schon sagt, das Material, die Schrift und so weiter hergestellt.

Hast du da schon über Farbe gelernt oder kam das erst im Trickfilmstudium?

Graupner: Da hatten wir auch schon mit Farben zu tun, in der Ausbildung habe ich einiges über Farben gelernt. Was ich dort nicht erfahren habe, habe ich mir dann selbst beigebracht. Ich habe nämlich nebenbei noch mit Ölfarben gemalt und mir viele Bücher, auch antiquarische, zum Thema besorgt. Da standen teils Sachen drin, die man heute nirgendwo mehr findet. Darin wurde auch oft der Farbgeschmack der jeweiligen Zeit gelehrt. Aus einem Buch aus den 1920ern habe ich bis heute etwas behalten, worüber ich ansonsten nie jemanden habe sprechen hören. Es geht da um farbige Schatten und wie sie entstehen, woher die Farbe im Schatten kommt. Wenn man zum Beispiel eine Winterlandschaft hat und der Schatten auf dem Schnee blau ist. Wieso ist er blau und nicht rot oder grün? Das kommt daher, dass der Himmel sich im Schatten reflektiert. Es kommt immer auf die Farbe des Himmels an, welche Farbe der Schatten hat. Wenn es ein düsterer Tag ist, sind die Schatten eben grau. Und wenn die Sonne scheint, sind die Schatten auf weißem Untergrund blau und auf gelbem Untergrund tendieren sie ins Grünliche. Die Himmelfarbe multipliziert sich mit der des Untergrunds, und natürlich kommt noch etwas Dunkles durch den Schatten hinzu. Das Buch heißt Wege zur Bildung des Kunstgeschmackes, die Autorin war Suse Pfeilstücker, und das besagte Kapitel hatte den Titel „Vom Farbigsehen der Schatten“. Sie hat das sehr schön beschrieben mit Wäsche, die auf dem Wäscheplatz ausgebreitet auf der Wiese liegt, und auf ein weißes Stück Leinen fällt ein blauer Schatten.

(lacht) Ich merke schon, deine Einflüsse in Sachen Farbe gehen wirklich viel weiter zurück als gedacht.

Graupner: Das hat mich damals angeregt, auch selber Sachen in der Natur zu beobachten. Und auch genauer hinzugucken bei Filmen und Illustrationen.

Wüstefeld: So geht es mir auch. Man guckt sich eigentlich alles, was einem gefällt, tausendmal länger an, als man es normalerweise machen würde. Gerade, wenn man sich mit einem ähnlichen Thema befasst. Und wenn man sich viel mit Farben beschäftigt, achtet man überall auf sie. Das kann auch eine ganz flächige Grafik sein, die eine interessante Farbkombination hat. Was Farben betrifft, sind vor allem klassische Gemälde sehr ergiebig. Man kann da viel lernen, weil es ja früher keine Farbfotografie gab und die Künstler daher einen ganz anderen Wert auf Farben gelegt haben. Die haben wirklich versucht, mit unglaublich aufwändigen Studien Stimmungen zu übertragen, die man heute durch Fotografien einfängt. Daher stecken in alten Gemälden viele, viele Dinge drin, die man sich auch für die Comickolorierung abschneiden kann. Was auch viele gute Koloristen machen. Es hat sich in der Kolorierung ja allgemein extrem viel gewandelt, hauptsächlich durch den Computer. Was heute als Farbstandard für Comics gilt, das war ja vor 20 bis 30 Jahren undenkbar. Da war man schon froh, wenn man so ein paar flächige Farben unterbekommen hat, weil dann schon der Speicher voll war. Mir ist beispielsweise aufgefallen, dass diese kolorierte Akira-Version, die ich mal eine Weile ziemlich gut fand, mich jetzt total enttäuscht. Das sieht mittlerweile wirklich nicht mehr gut aus. Es war ja eigentlich eh eine Vergewaltigung eines tollen schwarz-weißen Comics, aber jetzt fallen mir die Farben richtig negativ auf. Du kannst bei jedem Farbeffekt ganz genau sehen, wie sie es gemacht haben, und das darf heute nicht mehr so sein. Der Computer als Arbeitsmittel bietet ja eh viel Angriff für Kritik nach dem Motto „Du machst es dir einfach“, daher ist es unheimlich wichtig, dass jeder Künstler, der mit dem Computer arbeitet, seinen eigenen Stil findet und so arbeitet, dass du den Computereinsatz beim fertigen Comic möglichst nicht mehr wahrnimmst.

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Doppelseite aus Mosaik – Kaiser, Krieger, Löwenjäger, Sascha Wüstefeld. © 2011 Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag GmbH

Was sind für euch Beispiele von besonders gelungener Comickolorierung?

Wüstefeld: Chris Ware ist in Sachen Farben auf jeden Fall ein Vorbild. Er geht mit Farben einfach toll um. Alleine die vielen kolorierten Outlines, die ich inzwischen auch sehr gerne mache, weil es eine gewisse Feinheit reinbringt, wo man als Leser erst mal denkt: „Wie haben die das hingekriegt, dass es so transparent wirkt an der Stelle?“ Du musst eigentlich nur eine Outline kolorieren und hast schon einen ganz aufwändigen Look, es wirkt gleich so wertig. Das ist ein schöner Effekt, den Chris Ware ganz oft nutzt. Und dann natürlich die Mosaik-Farben in den alten Heften aus der sogenannten Weltall-Serie, das kann ich gar nicht oft genug sagen. Da gibt es zum Beispiel Unterwasser-Covermotive, auf denen ganz abgefahrene Farben drauf sind, und trotzdem passen die alle zusammen. Es sieht immer warm aus, es sieht immer freundlich aus …

Graupner: Und es kommt noch der natürliche Gilb vom Papier dazu als Gelbton, den wir jetzt künstlich erzeugen. Wer weiß, wie das in dreißig Jahren aussieht …

Wüstefeld: Ja, wir versuchen künstlich das extreme Weiß des Papiers heutzutage mit Gelb zu übertünchen, was eigentlich bei uns überall drüber liegt.

Das ist vielleicht der Aspekt, den manche Leute bei euch als nostalgisch ausmachen, aber nicht genau festmachen können, was es ist.

Wüstefeld: Das kann sein. Aber ich glaube, da spielt auch generell noch die Silhouettenhaftigkeit der Figuren mit rein. Wichtig für gelungene Kolorierung ist auch noch etwas, das ich von Ulf gelernt habe – was aber jeder Kolorist wissen sollte –, dass nämlich warme Farben nach vorne kommen und die kalten nach hinten. Aber man kann das natürlich auch umdrehen, das funktioniert auch, je nachdem, was man gerade zeigen will. Und auch, dass man mit Farbkontrasten arbeitet. Es gibt dafür ja diese Farbkreise. Ich habe mir da ein Plug-In für Photoshop gekauft, so dass ich immer gleich vor Augen habe, was die Komplementärfarben sind.

Graupner: Ich habe mir als 15-/16-Jähriger, inspiriert durch dieses Buch, das ich schon erwähnte, einen Farbkreis mit einem Dreieck gebastelt, in dem sich die Komplementärfarben gegenüberliegen. Man kann es drehen, wie man will, und die drei Farben passen jeweils zusammen. Das Ding habe ich heute noch. Aber das hat man auch irgendwann im Kopf.

Wüstefeld: Ich nutze es auch nur, wenn ich eine neue Idee brauche für eine Seite. Vieles machst du einfach schon automatisch und merkst erst hinterher, dass du das Farbdreieck verwendet hast. Ich habe aber auch gelernt, dass alles erst mal in schwarz-weiß funktionieren muss.

Was sind denn für euch Comics, die in Schwarz-Weiß so gut rüberkommen, dass sie nicht koloriert werden sollten? Sascha hat ja schon Akira erwähnt.

Graupner: Max und Moritz! Obwohl die ja ursprünglich sogar dafür gedacht waren, auf den Bilderbögen koloriert zu werden.

Wüstefeld: Ich empfinde das bei vielen frankobelgischen Comics so, wenn ich mal eine Schwarz-Weiß-Ausgabe in die Hand kriege. Franquin funktioniert zum Beispiel in Schwarz- Weiß viel besser oder auch Morris, der in Schwarz-Weiß so richtig seine Kraft entfaltet. Wenn man sich seine Lucky Luke-Comics in Schwarz-Weiß anguckt, sind die Farbversionen im Vergleich meistens schrecklich. Das hat dann ja auch nicht Morris selbst, sondern irgendwer vom Verlag gemacht.

Graupner: Die Verlage haben früher wirklich kaum Wert auf die Farben gelegt und die Leute, die am billigsten waren, dafür eingesetzt.

Wüstefeld: Selbst Asterix ist teilweise schrecklich koloriert. Immer blau-grün, blaue Himmel, grüne Wälder … und das war’s. Dass durch Farben mal Stimmung entsteht, passiert in den alten Asterix-Bänden fast nie. Nur in den neueren Bänden kommt es vor, dass mal ein paar Seiten gut gelungen sind. Aber eigentlich sind da auch heute immer die Schwarz-Weiß-Versionen am schönsten. Da merkt man, wie viel Farbe auch kaputtmachen kann.

Graupner: Mir fällt noch ein Comickünstler ein, dessen Farben ich gut finde: Yves Chaland [Bob Fish, Die Abenteuer von Freddy Lombard]. Ich weiß nicht, ob er seine Comics selbst koloriert hat, aber die sind jedenfalls wirklich gut geworden. Und die Sachen von Moebius … Bei ihm sieht man auch wieder den Jugendstil- Einfluss.

Wüstefeld: Ein aktueller, gut kolorierter Comic ist zum Beispiel Love von Federico Bertolucci. Der gefällt mir sehr gut. Und Wagner [von Saschas Frau Flavia] ist ausgezeichnet koloriert (lacht).

Graupner: Auf keinen Fall kolorieren sollte man die Comics von Craig Thompson.

Habt ihr mal Jeff Smiths Bone in der alten Schwarz-Weiß-Fassung und der neuen Farbversion verglichen? Da gab es ja eine wilde Diskussion unter Fans, ob das gelungen sei.

Graupner: Ich hab die Farbversion mal durchgeblättert und sie hat mir im Vergleich nicht gefallen.

Wüstefeld: Ich finde es als Experiment nicht so schlecht, mir persönlich gefällt es aber auch nicht. Das ist so ein Zugeständnis an den Massenmarkt. Doch wenn das Publikum dadurch erweitert wird …

Szene aus Mosaik Heft 270/1998

Szene aus Mosaik Heft 270/1998, Ulf S. Graupner. © Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag GmbH)

Viele Leute lesen heutzutage ja ausschließlich Farbcomics und finden Schwarz-Weiß-Comics weniger attraktiv. Eine starke Ausnahme sind natürlich Mangaleser. Könnt ihr euch eigentlich vorstellen, mal einen Schwarz-Weiß-Comic zu machen?

Wüstefeld: Unbedingt. Ich wünschte, das ganze UPgrade wäre schon in Schwarz-Weiß!

Graupner: Das kann man ja irgendwann für den Sammelband machen.

Wüstefeld: Oder eher in Graustufen. Das würde ich wirklich gerne machen. Nicht ganz schwarz-weiß, aber schattiert mit Graustufen. Eigentlich ein bisschen mangamäßig. Ich wollte ja auch mal eine Weile Mangazeichner werden, aber irgendwie bin ich dann immer weiter in diese Euro-Richtung abgerutscht. Mir gefällt dieser Raster-Look total gut. Damit kann man tolle Sachen machen. Es gibt ja mittlerweile schöne Programme dafür.

Ja, die Rasterfolienzeit ist zum Glück vorbei.

Wüstefeld: Diese Folien waren ja so unglaublich teuer.

Graupner: Ich habe früher auch mal Rasterfolien verwendet und noch welche zuhause, die jetzt nicht mehr funktionieren, weil sie eingetrocknet sind. Und man sieht auf den alten Zeichnungen, wie sich die Folie vom Rand her zusammenzieht. Die kann man heute nicht mehr einscannen.

Wüstefeld: Echt, ist das so?

Graupner: Ja, die Folie löst sich teilweise und teils zieht sie sich zusammen.

Merkt ihr eigentlich, dass euch die gemeinsame Arbeit am UPgrade bisher künstlerisch weitergebracht hat?

Graupner: Mit jemandem wie Sascha zusammenzuarbeiten, der sich auskennt und Feedback annimmt und auch gibt, bringt einen schon weiter. Man steigert sich dadurch. Wenn ich andererseits was für Knax zeichne, ist es eher so, dass die dich runterdrücken. Die sagen dann so was wie: „Die Mauer ist doch sonst immer grau, warum machst du die jetzt braun oder grün?“ Und ich sage, „Das ist die Farbstimmung auf dieser Seite“, und beginne mit meinen Farbtheorien, aber bei denen ist das mehr ‘Malen nach Zahlen’. Ich muss mich dann so stark zurücknehmen, dass es mir manchmal schwer fällt. Beim UPgrade können wir wirklich an die Grenzen gehen und uns gegenseitig noch befeuern.

Wüstefeld: Bis an die Grenzen des Machbaren!

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Dieses Interview erschien ursprünglich im Comicgate-Printmagazin 8 mit dem Titelthema „Farbe in Comics“. Wer Lust auf mehr ausführliche Artikel zum Verhältnis von Comics und Farbe bekommen hat, kann das Magazin hier bestellen.

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