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Währenddessen… (KW 30)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Stefan: In der Masse der Comics und der Flut angeblicher Mega-Events, Klassiker, Bestseller und preisgekrönter „Meisterwerke“ den Überblick zu bewahren und den Comic auszuwählen, der tatsächlich essentiell, unterhaltsam und noch in Jahrzehnten wichtig und spannend zu lesen ist, kann mühsam sein. Mit seinen Anthologie- und Klassiker-Bänden, oder mit der „Offiziellen Marvel-Comic-Sammlung“, aber auch der „Marvel-Superhelden-Sammlung“, der „Batman Graphic Novel Collection“ und der „Star Wars Comic-Kollektion“ bietet Panini zwar bereits viele und schöne, gute Comics in edler Aufmachung und zum fairen Preis an, aber will ich wirklich sämtliche Bände einer Reihe kaufen, um dann ein nettes Motiv im Regal zu sehen, welches die Aufdrucke auf den Buchrücken ergeben? Und was soll ich mit einem Band, in dem ausschließlich Comics von Angel oder Invisible Woman sind, oder wieso soll ich einen Comic nochmal kaufen, den ich bereits besitze?

Die neue Reihe „Marvel-Must-Have“ verwendet keine Verkaufsmaschen wie bedruckte Buchrücken und hat dünneres, glänzendes Papier als z.B. die Anthologie-Bände. Die goldene Farbe auf dem Cover wirkt sehr hübsch, das Format des Buchs ist leicht größer als ein Standardcomicheft. Als Bonusmaterial gibt es zwei, drei Seiten mit Skizzen, eine Covergalerie, Angaben zu den Künstlern und gut sieben Seiten mit illustrierten Erläuterungen des jeweiligen Comics. Bei ähnlichen Superhelden-Sammelbänden von anderen Verlagen wurden in der Vergangenheit holprige Übersetzungen und Rechtschreibfehler in den Comics bemängelt. Das ist hier nicht der Fall, wobei ich bisher erst zwei der Comics gelesen habe.

Avengers: Heldenfall erzählt die Geschichte vom vorrübergehenden Ende der Gruppe. Durch eine Reihe von Katastrophen lichten sich die Reihen der Rächer. Eine besondere Rolle wird dabei Scarlet Witch zuteil. Als Film wäre die Handlung dieses Comics eindeutig zu dünn, aber als Comic funktiert diese Story aus 2004/2005 bestens. Die Zeichnungen von David Finch sind eine Augenweide. Brian Michael Bendis blickt zurück auf die bewegte Geschichte der Rächer. Gegen Ende dürfen Iron Man, Jarvis, Captain Marvel und andere ihr liebstes Erlebnis mit der Gruppe Revue passieren lassen, zeichnerisch opulent als Splashpages inszeniert. Wer das MCU liebt, sollte diesen Comic keinesfalls verpassen!

Wolverine: Old Man Logan gab es in abgewandelter Form bereits auf der großen Leinwand zu sehen. Der Film ist sehr düster, ernst und zeigt – das ist schon sehr bitter – Schauplätze der aktuellen USA, die so abgewrackt aussehen wie es zu einem Endzeitfilm passt. Kein Wunder, dass sich dort so viele Menschen abgehängt und hoffnungslos fühlen, während Superreiche weiter expandieren. Mir persönlich gefällt der Comic besser als der Film und anders als Heldenfall ist diese Geschichte von Mark Millar und Zeichner Steve McNiven bereits ein Film, nur eben einer auf Papier. Etwas fade ist das zwanghaft wirkende Auftauchen populärer Figuren von Venom bis Kingpin und das Ende ist so absurd brutal, dass es dem Comic von 2008/2009 etwas an Würde und Glanz raubt. Ansonsten ist dieser Western-Roadtrip in einem dystopischen Amerika grandios. Die Handlung läuft geschmeidig und elegant. Witz, Action und Dramaturgie stimmen.

Logan hat sich zur Ruhe gesetzt. Warum, erfahren wir nach und nach in Rückblenden. Aktuell kann er die Pacht für sein Grundstück nicht bezahlen. Die USA wurden in Regionen aufgeteilt, die von Schurken wie Dr. Doom, dem Kingpin oder – im Fall der Westküste, an der Logan mit Frau und Kindern lebt – von den Kindern des geistesgestörten Hulk kontrolliert wird. Da passt es gut, dass der fast blinde Hawkeye auftaucht und Logan einen gut bezahlten Deal anbietet, bei dem genug herumkommt, um die Familie zu retten. Also geht es Richtung Osten. Eine sehr stimmungsvolle, mitreißende Geschichte über den Niedergang der USA und die Frage, was all die Kämpfe der Superhelden letztlich erreicht haben.

Weitere spontane Empfehlungen der Reihe „Marvel-Must-Have“: Civil War sowie Daredevil – Der Mann ohne Furcht.

Niklas: Das mit dem RPG-Maker erstellte Spiel Always Sometimes Monster ist nach fünf Jahren immer noch genauso, wie ich es in Erinnerung hatte. Es ist total von sich selbst überzeugt und glaubt, eine wichtige Message zu haben. Als erfolgloser Autor oder Autorin fahren wir quer durch Amerika, um rechtzeitig zur Hochzeit unseres Ex aufzutauchen. Dabei müssen wir Ärzte erpressen, Wahlen manipulieren und Rennen gewinnen, um am Ende vielleicht doch noch glücklich zu werden. Das Spiel stellt uns vor schwierige Entscheidungen, die auf den ersten Blick grau, aber komplex erscheinen, vor allem aber werden wir am Ende als die schlimmste Person aller Zeiten dastehen. Denn am Ende ist jeder manchmal immer ein Monster … was auch immer das heißen soll.

Sometimes Always Monster hat viel zu erzählen. Über die Liebe, über Politik, das Leben, die Natur des Menschen, und das Subtilität etwas für Leute ohne Liebe für die Kunst ist. Wenn das Spiel eine Aussage trifft, dann werde ich als Spieler auch verdammt noch mal darauf hingewiesen, dass es jetzt etwas Bedeutendes zu sagen hat, selbst wenn das Gesagte aus dem Mund des hiesigen Trailerparkpfarrers kommt, der gerade sein Autor repariert, um mich mit dieser Rostschleuder noch rechtzeitig zur Hochzeit zu bringen. Das alles wird übrigens immer ernst genommen. Denn Always Sometimes Monster ist Kunst. Ein arrogantes Machwerk, das von zwei Checkern gemacht wurde, denen man im Spiel übrigens immer wieder begegnen kann, die glauben den Code für das Leben geknackt zu haben. Es ist eine erzählerische Katastrophe, ein unreflektiertes Melodrama, wie es sie sonst nur bei Erstlingen von unerfahrenen Autoren gibt (ich kann da ein Lied von singen). Ich liebe es.

Dieses Spiel ist mein The Room (ein Schundfilm von Tommy Wiseau) unter den Videospielen. Ein Machwerk so eitel und bizarr, dass ich mich köstlich amüsiere. Ich lache nicht mit den Machern, sondern darüber wie sie es gemacht haben. Always Sometimes Monster will realistisch sein, aber meine Abenteuer bis zur Hochzeit haben längst nichts mehr mit der Realität zu tun. Es will über die Liebe und das Leben predigen, holt dann aber doch nur muffige Werte aus kitschigen Liebesromanen und Predigten von erzkonservativen Priestern heraus. Dieses Spiel sollte in Schreibseminaren vorgestellt werden, um den Student*innen zu zeigen, wie man eine ernsthafte Geschichte nicht erzählen sollte. Es ist großartig. Man muss Always Sometimes Monster gespielt haben, um es zu glauben.

Interessanterweise sind die eingestreuten Minispiele durchaus kompetent und unterhaltsam. Neben einem Autorennen darf man Kartons schleppen, Schweine schlachten, Weed anbauen, auf Katzenrennen setzen und in den Boxring steigen. Gerade diese Kämpfe besitzen wirklich Charme, da sie auf einen einfachen, aber ausgeklügelten Kampfsystem basieren, um das man ein eigenes Spiel hätte stricken können. Ein Rocky-Simulator, das wäre es doch gewesen. Aber nein, Always Sometimes Monster wollte deep sein. Und ich lache weiterhin Tränen.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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