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Währenddessen… (KW 26)

Schwabach 1982: Immer wenn die Mutter im Supermarkt einkaufen geht, lässt sie den kleinen Christian am Heftchenstand. Da kann man ihn getrost alleine lassen. Einen Tracht Man hätte sie ihm sicher gerne gekauft.

Christian: Die 1980er haben uns wirklich umfassend geprägt. Oder haben sie uns vielleicht sogar auf ewig verdorben? Heutzutage ist ja sogar das, was damals Schrott war, geiler Scheiß, was ja irgendwie auch die damalige Kritik an allem, was (vermeintlicher) Schrott war, so herrlich sinnlos dastehen lässt. Es verleiht auch die bodenloseste Kritik so manchem Machwerk eine zusätzliche Aura – oder ist etwa das obligatorische „Wir raten ab“ des katholischen Filmdiensts nicht das eigentliche Qualitätssiegel für jeden zweiten Low-Budget-Horrorfilm der frühen 80er?

Die 80er Jahre waren auch die Ära, wo Comics am Kiosk noch so richtig schön scheiße ausgesehen haben, anders als gefühlt im ganzen Rest der Welt – ich sag nur Condor-Verlag. Aber – guess what – genau das finden wir heute wieder geil, ganz getreu dem dem Motto „Condor-Verlag! Vieles war besser als ihr Ruf“ – was vermutlich stimmt! Beim Plem-Plem-Verlag hat man ein gutes Gespür für die besondere Ästhetik des damals Grottigen, und wo Sascha Dörp mit seinem Matt Eagle den Action-Schrott der Cannon-Studios (natürlich 1980er) extrem abfeierte, legt Kloiber noch eine Schippe nach und macht aus seiner sehr speziellen deutschen Version seines Tracht-Man- und Bazi-Boy-Sonderhefts ein Quasi-Faksimile eines 1980er Superman-Hefts.

Alle Abbildungen (c) Chris Kloiber, Plem Plem Production. Links das boarische Original, rechts die limitierte deutsche Version. Gibt es auch mit Variant-Cover in höherer Auflage. Die amerikanische Silver Age-Legende Ramona Fradon hat ein exklusives Cover für das bayerische Heft gezeichnet.

Superman war zwar nie Condor sondern immer schon Ehapa, aber auch da hatte man einen ganz „besonderen“ Touch, was die Farben angeht. Wo in amerikanischen Comicheften, selbst in den ranzigsten, auf billigstem Pulp gedruckten, doch immer ein rudimentäres Gespür für stimmige Farben herrschte, wurden sämtliche Nuancen in der deutschen Version mit grellen Primärfarben gnadenlos beiseite gefegt. Dazu gab’s modernes Maschinenlettering, weil die Eltern ihren Kindern doch sicher nie was Handgelettertes kaufen würden. Und wozu auch die Arbeit machen?

An exercise in style. So schlimme Farben gab es wohl nur im Comic-Deutschland der 70er- und 80er-Jahre.

Ich hab schon seit 40 Jahren kein so scheußliches Blau, kein so grässliches Gelb, kein so ätzendes Pink auf so absurd großen Flächen gesehen. Und auch die die ins deutsche übersetzten Soundwords sind ein grafisches Elend vor dem Herrn. So war das damals. Wir hatten ja nichts anderes. Es war nicht alles schlecht.

Danke, Plem Plem, für diese schöne Zeitreise in die schönste schreckliche Comic-Ära aller Zeiten.  Aber natürlich braucht man als Komplementärheft die Original-Comicversion auch noch, das reguläre Tracht-Man-Heft „Boarische Gschichten“, in der die gleiche Story aussieht wie ein Silver Age-Heft der 60er, in den damals üblichen blässlichen, aber nuancierten Farben. Ich bin wirklich verblüfft, mit wie viel Gespür fürs Detail die beiden Versionen entworfen sind – und das Beste: der Comic ist auch noch ziemlich witzig. Als schönes Rip-Off einer Superman-Idee gibt es hier eine Miniaturstadt im Bierkrug (statt in einer Flasche), vor allem aber gibt es schöne Alltagszenen zwischen Tracht Man und Bazi-Boy, wenn Tracht Man seinen Sidekick beispielsweise in die hohe Kunst der Zubereitung von Rettich einführt. Schön, wie in der deutschen Version dann wieder einerseits viele Nuancen verloren gehen, dann aber wieder Teile der Übersetzung einen ganz eigenen Charme entfalten, wenn als Monster nicht mehr ein mutierter Obatzter auftritt, sondern eben ein mutierter „Angepatzter“. Schee.

Silver Age kann er auch. Ich glaube, man sollte mal darauf aufmerksam machen, dass Chris Kloiber inzwischen eine enorme Bandbreite an den Tag legt.

Die Story darüber, dass Tracht Man und Bazi-Boy den Saupreiß und den Sau-Bazi daran hindern, den Bayern ihr Sau-Bier unterzujubeln, ist natürlich hanebüchener Unsinn. Jedes Kind weiß doch, dass das schlimmste Bier längst aus Bayern kommt – i sag bloß Lätschenbräu! Da kämpft der Tracht Man leider einen lost cause. Ansonsten ist hier wirklich alles rundum gelungen und darüber hinaus ein richtig cleverer Meta-Comic mit feinem Gespür für 80 Jahre Comic-Geschichte. Da bleibt nicht aus, dass ich mir demnächst auch wieder die Hauptserie vornehmen werde. Die Alpendämonen auf dem Cover der aktuellen Nummer 17 machen schon mal neugierig.

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