In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Christian: Was treiben eigentlich die Helden meiner Jugend? – Teil 2. Peter Milligan ist genauso wie Grant Morrison einer der ganz großen Vertigo-Autoren der ersten Stunde. Leider ist er nie so berühmt geworden – was zu verkraften wäre, wenn nur seine Bücher etwas besser in Umlauf gehalten worden wären, z.B. sein Shade –The Changing Man, eine der Comicserien, die DCs Vertigo-Imprint erst möglich (und vor allem nötig) machte. Aber Shade ist leider nie über drei Paperbacks hinausgekommen, man muss nach wie vor in Back-Issue-Boxes nach alten Heften wühlen oder die Reihe bei Comixology runterladen.
Womit wir schon die erste Parallele zu Sarah Burrini hätten. Auch ihrem Ponyhof waren nur drei Printausgaben vergönnt, bis Panini dann zu früh den Stecker wieder zog. Lag wohl an dem eckigen Humor, der die Einordnung knifflig machte, um Sarah Burrini gleich noch selbst von ihrer Webseite zu zitieren. Eckig sein kann Milligan aber auch – und wie! Erinnert sei nur an die Shade-Story um die Statue der griechischen Göttin Pandora, die Shade mit seiner Superkraft des Wahnsinns mehrmals zum Leben erweckt. Das ist verrückter, eckiger, philosophischer Spaß, mit eckiger und klarer Linie gezeichnet von Glyn Dillon, der ebenso mühelos mit Milligan arbeiten konnte wie Chris Bachalo, Brendan McCarthy oder Mark Buckingham, die ebenfalls viele Shade-Stories zeichneten. Von Buckingham beispielsweise sind die Zeichnungen für die Episode, in der Shade eine neue Wohnung in einer Ritze im Bürgersteig findet – eine Story wie ein The Who-Song. (Can you see the real me?)
Wenn man das links abgebildete Panel aus Das Leben ist kein Ponyhof Band 1 genau betrachtet, dann wird für den an Shade geübten Leser offensichtlich, dass sich Sarah Burrini schon sehr lange für Milligans Shade-Comics begeistert haben könnte. muss, denn natürlich sind auch Pilz, Elefant, Nutellaglas und Sarahs lebend gewordene Frisur scheinen der gleichen „Area of Madness“ entsprungen zu sein wie Milligans Außerirdischer vom Planeten Meta. Alleine durch die Farben schon ist wird mancher das Panel fast für eine Hommage halten. (Absatz geändert am 11.06.2019 um 15:02. CM)
Kürlich hat Sarah Burrini mit Milligan eine achtseitige Edgar-Allan-Poe-Adaption für die Anthologie-Reihe Snifter of Terror gestaltet, erschienen bei Ahoy-Comics in den USA. Man kann schon sagen, dass Milligan und Burrini nahe dran sind, a perfect match zu sein: Ähnlicher Humor, eine ähnliche gesellschaftspolitische Sensibilität und ein Zeichenstil, mit dem Milligan schon immer gut umgehen konnte. Offensichtlich verstehen sich die Künstler auch noch auf persönlicher Ebene, was hoffen lässt, dass es zu einer weiteren gemeinsamen Arbeit kommen könnte. Aber der Ponyhof braucht ja auch Pflege.
Julian: Ich war diese Woche beim Kiss-Konzert in Hannover, dem vorletzten Gastspiel der Band auf deutschem Boden. Nach der Genesis-Reuinion Tour vor ungefähr zehn Jahren eine weitere Band, die ich seit meiner Kindheit liebe und unbedingt live sehen wollte. Fun Fact: Unter den knapp 14.000 Gästen waren auch Klaus Meine und Rudolf Schenker von den Scorpions, alte Freunde der Band um Gene Simmons und Paul Stanley, die vor einer halben Ewigkeit und während der unmaskierten Zeit im Vorprogramm der Band spielten, nun aber ebenfalls zu den Klassikern des Hardrock (und meinen Lieblingsbands) zählen.
Die Setlist war an diesem Abend etwas gewöhnungsbedürftig, aber gut durchdacht. Aus fast jeder Phase der Band gab es ein Stück zu hören, als Opener natürlich das grandiose und perfekt getimte „Detroit Rock City“ („It’s 9 o’clock“ erklang gegen 21 Uhr) und zum Finale „Rock ‚n‘ Roll All Night“. Aber auch „Beth“, von Eric Singer am Glitzerpiano, mit digitalem Rosenregen und Streicherplayback vorgetragen, oder, als kleine Varianz zur sonstigen „End Of The Road“-Setlist, „Calling Dr. Love“, wurden gespielt. Lediglich „Music from the Elder“ mied man komplett – für mich als Fan des Albums eine (zu erwartende) Enttäuschung. Aber auch Klassiker wie „Strutter“ fehlten schmerzlich. Highlights indes „Love Gun“, von Paul Stanley auf einer Plattform inmitten des Publikums vorgetragen, sowie ihr Discohit „I Was Made For Loving You“ (bei dem das Publikum völlig ausflippte). Im Angesicht der Kontroversen um diesen Song innerhalb der Kiss-Army zeigt sich wieder einmal: Was man hört und vorgibt zu hören unterscheidet sich meist sehr, wenn man sich unbeobachtet wähnt.
Die Bühnenshow war bombastisch und toppte sogar die Leningrad Cowboys auf ihrer 2000er Tour (mein erstes Konzert). Es knallte, zischte, explodierte an jeder Ecke, Feuerräder, Raketen und Blitgewitter lenkten die Aufmerksamkeit von der Musik ab (was besonders in Improvisationsteil auch bitter nötig war – einziger Virtuose der Band ist und bleibt derzeit der etwas unbeliebte Tommy Thayer) und trieben die Feinstaubbelastungswerte in die Höhe. Gene Simmons schwebte zig Meter über der Bühne, wo bisweilen auch Eric Singer verweilte und spuckte Blut und Feuer. Die Videowände wurden bestmöglich genutzt, Kiss-Luftballons und Konfettiregen bespaßten das Publikum. Man spielte übrigens mit Originallogo.
Einzig der Soundmix wusste nicht zu überzeugen. So gut die Jungs bei Stimme sind, so fürchterlich wurden Bass und Kickdrum betont, die dem Bassbereich einen wenig differenzierten Sound verliehen. Ja selbst die „Vorband“, David Garibaldi, ein Maler, der zwar keine große Kunst produziert, unterhielt mit Portraitmalereien von Mick Jagger, Alice Cooper und Kiss.
(Anmerkung der Redaktion: Der passende Kiss-Comic zur Abschiedstour erscheint in den USA bei Dynamite.)
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