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Mercury Heat 2

Auch ein heißer Sommer in Mitteleuropa kann mit Kieron Dillens Zukunftsversion auf dem Merkur nicht konkurrieren. Die brandheiße Kriminalgeschichte von „Mercury Heat“ ist mit diesem Band abgeschlossen.

Alle Abbildungen © Dantes Verlag

Das effizienzbasierte Ausbildungssystem in Mercury Heat sieht für Jugendliche einen Persönlichkeitstest vor, dessen Ergebnis darüber entscheidet, welchen Lebensweg die Person später einschlagen kann.Die Auswirkungen dieses radikalisierten Selektionsmechanismus sind erheblich: Luiza Bora hat sich als nicht-empathiefähig erwiesen, und so ist sie dazu verdammt, auf dem Planeten Merkur ungeliebte Polizeiaufgaben zu verrichten. Meist handelt es sich dabei um  konsequente Gewaltausübung unter höchst bürokratischen Bedingungen. Dass Luiza ein technologisch aufgemotzter Cyborg ist, erleichtert ihr die Arbeit natürlich. Soweit so gut, und soweit ist dies schon Leser*innen des ersten Bandes bekannt.

Den künstlich übersteigerten Kräften der Heldin (258%) entsprechen auch die gesteigerten Gewaltdarstellungen. Viel Kraft, viel Blut.

Im zweiten und abschließenden Band dieser Science-Fiction-Story soll Luiza aufklären, warum plötzlich die Verbindung zu einer Raumstation abgebrochen ist. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang zu den plötzlich grassierenden illegalen Programmen, mit denen die Merkur-Bewohner ihre Kräfte steigern?

Kieron Gillen hat eine düstere Zukunft entworfen, in der alles dem Pragmatismus wirtschaftlicher Notwendigkeiten unterworfen ist: Menschen verbessern ihre natürlichen Fähigkeiten mit Hilfe von Kristallen, die sie stärker, klüger etc. machen.

Daraus macht Gillon aber keine politische Dystopie, sondern eher eine Groteske, einen unterhaltsamen Horror-Thriller, der sich nach wenigen Seiten als anspielungsreiches Comic-Crossover erweist, denn auf der Raumstation scheint das Virus aus der Garth-Ennis-Horrorserie Crossed ausgebrochen zu sein, das die Infizierten zu gewalttätigen Triebtätern macht.

Crossed 1 von Garth Ennis und Jacen Burrows (Panini-Verlag).

Die Welt von Crossed ist durch und brutal, eine Steigerung gewöhnlicher Zombie-Plots, weil die geistlosen Monster ihre Opfer nicht nur fressend töten wollen, sondern zunächst vergewaltigen. Wer die Serie mit voyeuristischem Genuss liest, sollte sich vielleicht Gedanken über die eigenen Vorlieben machen …

Da die blutreiche Story dieses zweiten Bandes von Mercury Heat völlig unabhängig vom ersten Band ist, können sich Einsteiger*innen rasch in diesem kompromisslosen Körperteile-Mikado orientieren. Einige Seitenhiebe und wieder auftauchende Figuren wird man dann nicht vollständig einordnen können, aber darin besteht auch nicht der Reiz von Mercury Heat.

Die bissige Satire lebt von den witzigen Dialogen und der rasanten Handlung, auch wenn die Zeichnungen von Nahuel Lopez leider nicht so lebendig sind wie diejenigen von Omar Francia, der die im ersten Band enthaltenen ersten drei Kapitel der Story zeichnete. Die Gesichter kommen immer ein wenig fratzenhaft und austauschbar daher.

Der britische Autor Kieron Gillen ist ein verlässlicher Garant für gute Unterhaltung, wie er es schon in Phonogram (Image Comics, 2006–16), The Wicked + the Divine (Image Comics, 2014–19) oder dem wilden Cinema-Purgatorio-Band Modded (Dantes Verlag 2020) zeigte, in dem Gillen zudem seine Expertise im Computerspielbereich einfließen lässt. Auch in dieser Story geht es um Lebewesen, die ihre natürlichen Fähigkeiten mit technischer Hilfe erweitern. Wem Mercury Heat gefallen hat, kann dort gleich weiterlesen.

Die zwölfteilige Serie Mercury Heat erschien zuerst zwischen Mai 2015 und August 2016 bei Avatar Press. Band 1 mit #1–6 erschien im Oktober 2022 bei Dantes Verlag (hier rezensiert für Comicgate), Band 2 enthält #1–7.

Kurzweiliges Körperteile-Mikado auf dem Merkur

7von10Mercury Heat 2
Dantes Verlag, 2023
Text und Zeichnungen: Kieron Gillen, Nahuel Lopez
Übersetzung: Jens R. Nielsen
148 Seiten, Farbe, Softcover
Preis: 20,00 Euro
ISBN: 978-3-946952-84-8
Leseprobe

 

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