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Flash Gordon – Auf dem Planeten Mongo

Das Star-Wars-Epos der 1930er Jahre, Flash Gordon, kehrt in die Buchregale zurück: Und mit ihm Alien-Drachen, Alien-Ritter und kahlköpfig-asiatische Alien-Schurken. Das darf man trashig finden – oder lieben.

Alle Abbildungen © Hannibal Verlag

Als die eigenschaftsarme Schönheit Dale Arden in einem abstürzenden Flugzeug dem Tod ins Auge blickt, hat sie Glück im Unglück, denn sie hat einen Sitzplatz ausgerechnet neben dem muskulösen Polo-Star Flash Gordon gebucht, der kurz darauf am Fallschirm herabschwebend die Muße hat, Dale Arden in seinen schützenden Armen zu halten. Ein zweifelhaftes Glück ist es, dass sie ausgerechnet im Garten von Dr. Hans Zarkov landen (man erkennt die zwielichtige Figur schon am Namen), der die Erde vor einem nahenden Planeten retten möchte, der auf die Erde zurast. Unfassbares Glück, dass die Rakete startbereit im Garten steht und nur darauf wartet, den fremden Planeten vom Kurs abzubringen. Die drei steigen an Bord, fliegen ins Weltall und – so ein Pech aber auch – landen auf dem Planeten, den sie eigentlich zerstören oder zumindest vom Kurs ablenken wollten.

Und wer dachte, dass damit auf den ersten beiden Seiten schon genügend hanebüchener Unsinn geschehen sei, wird sofort eines Besseren belehrt: Dinosaurier, ein asiatisch anmutender Kaiser, römische Arenen und jede Menge vorzeitlich dreinblickende Menschenformen. Das Science-Fiction-Setting verwandelt sich ganz unmerklich in eine bizarre Mash-up-Kulisse mit mittelalterlich-abenteuerlichen Requisiten, in der Kaiser, Sklaven, halbnackte Frauen und Krieger mit Speeren umherlaufen. So stellen wir uns die Zukunft nicht vor, und dass wir es mit einem futuristischen Weltentwurf zu tun haben, vergisst der Leser schnell.

Damit grenzt sich Flash Gordon, geschrieben und gezeichnet von Alex Raymond, von dem Science-Fiction-Klassiker Buck Rogers in the 25th Century ab, der exakt fünf Jahre zuvor, am 7. Januar 1929, erstmals erschien und als eine Inspiration für Flash Gordon diente. Ist die zukünftige Technik dort omnipräsent, könnte Flash Gordon über weite Strecken auch im Mittelalter spielen, würden nicht ab und an Raketen oder Schusswaffen vorkommen.

Alex Raymond schuf 1934 mit Jungle Jim und Flash Gordon zwei Serien für King Features, die an aktuelle Erfolgsserien anknüpften: Jungle Jim war Raymonds Tarzan, Flash Gordon sein Buck Rogers, der in den 1930er Jahren auch durch ein Radio-Hörspiel und umfangreiches Merchandising extrem populär war. Beide Vorlagen feierten am 7. Januar 1934, als Jungle Jim und Flash Gordon in den Sonntagsbeilagen erschienen, auf den Tag genau ihren fünften Geburtstag. Raymond war bis 1944 für die Serie verantwortlich, als er sich freiwillig zum Kriegsdienst meldete und seine Serie an seinen Assistenten Austin Briggs übergab. Nach seiner Wiederkehr aus dem Zweiten Weltkrieg hatte er für die Fortführung seiner Arbeit keine vertragliche Grundlage mehr und begann sodann mit seiner nächsten Erfolgsserie: Rip Kirby (1946), die er bis zu seinem Tod 1956 zeichnete.

Dieser Band umfasst die Sonntagsseiten von 1934 bis 1937. Es ist die deutsche Ausgabe der amerikanischen Flash Gordon Library Edition, deren sechs Bände seit 2012 bei Titan Books erscheinen. Die deutschsprachige Ausgabe hat ein etwas kleineres Format, ist mit 25,8 x 28,8 cm aber immer noch großzügig oberhalb aller Hosentaschengrößen. Die beiden vorangestellten Texte von Alex Ross und Doug Murray sind glücklicherweise keine lobhudelnden Vorworte, sondern informative Essays, die den Science-Fiction-Klassiker in der Biografie ihres Schöpfers und der SF-Genre-Historiografie verorten. Die Comics selbst, die im deutschsprachigen Raum in den 1970ern bei Pollischansky (1975–83, fünfzehn Bände), in den 1990ern bei Carlsen (1995–96, sechs Bände), auszugsweise erschienen, sind um die „To be continued“-Textzeilen vermindert, ansonsten getreu wiedergegeben.

Man darf kein komplexes Figurengeflecht erwarten. Keine psychische Tiefe. Keine formalen wie erzählerischen Experimente. Keine allzu stringente Handlungslogik. Starker Held liebt schöne Frau. Böser Alien-Mann will schöne Frau. Andere schöne Alien-Frau will Held. Dinosaurier und Alien-Ritter kommen! Crash. Flash Gordon lebt nicht von seiner diskursiven Komplexität oder sprachlichen Doppelbödigkeit, sondern von der Action und dem Exotismus fremdartig-furchtbarer Wesen, die den Helden Seite für Seite bedrohen. Angesichts des wöchentlichen Publikationsrhythmus‘ musste Raymond die Leser mit viel Trara bei Laune halten. Zur Identifikation taugt dieses Heldenmodell heutzutage in der Post-Tarzan-Ära wahrscheinlich nicht mehr.

Flash Gordon werden die einen aus historiografischen Gründen schätzen, weil es ein früher und populärer Science-Fiction-Comic ist, der zugleich Anleihen in den Genres der Abenteuer- und Rittergeschichten nimmt und die Superhelden der späten 1930er Jahre mitprägen wird. Andere werden den Comic aus nostalgischen Gründen wertschätzen, weil sie mit der Lektüre der alten (nicht mehr erhältlichen) Ausgaben Kindheitsgefühle verbinden oder an die Filme bzw. Serien zurückdenken müssen, etwa an die Verfilmung von Mike Hodges (1980), zu dem Queen den Soundtrack schrieb. Das sind zwei gute Gründe, die für diesen Comic sprechen. Der Hannibal Verlag hat sich mit der deutschen Ausgabe ein schönes Projekt vorgenommen, diesen Klassiker wieder besser verfügbar zu machen. Den Trash auf der Handlungsebene muss man in Kauf nehmen, aber Star-Wars-Fans kennen das ja.

Planetenreisen-Trash für Nerd-Nostalgiker

7von10Flash Gordon – Auf dem Planeten Mongo
Hannibal, 2018
Text und Zeichnungen: Alex Raymond
Übersetzung: Alan Tepper
208 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 35,00 Euro
ISBN: 978-3854456599
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