Seit nunmehr 15 Jahren gibt der Interessenverband Comic e.V., kurz ICOM, sein pralles Jahrbuch heraus, welches auch diesmal wieder recht voluminös ausgefallen ist. Kein Wunder, denn eine solche Publikation ist schließlich dazu da, Ereignisse innerhalb der Comicszene aufzuarbeiten, Rückschau zu halten und Trends zu beleuchten bzw. Prognosen zu wagen. Und dafür gab es auch im letzten Jahr wieder genug Stoff.
Ein besonders erfreulicher Aspekt des Jahrbuchs ist, dass die Autorinnen und Autoren aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen: So wird aus den Blickwinkeln von Comicjournalisten, Verlegern aber auch von Comickünstlern geschrieben, und das schafft ein breites Panoptikum.
Vor allem hat man sich dieses Jahr einen Gefallen damit getan, kein verbindendes Oberthema auszusuchen wie 2014, als der Fußball (im Comic) auch das Jahrbuch beherrschte und dadurch mancher Leser abgeschreckt wurde, der nichts für das rollende Leder übrig hat. Zumindest mir ging das so – was nicht heißen soll, dass ein ordnendes Oberthema per se schlecht wäre. Natürlich spielt in dieser Ausgabe das letztjährige Großereignis der Comicszene, der Erlanger Comic-Salon, eine gewichtige Rolle und da er zudem 30-jährigen Geburtstag hatte und auch die Gründungswehen des ICOM mit dem Salon zusammenhängen, wird ihm viel Raum gegeben. Das ist durchaus interessant, aber mit einigen Punkten können wohl vor allem diejenigen etwas anfangen, die vor Ort waren. Andererseits findet man auch als Nicht-Besucher gute Einblicke in Geschichte und Entwicklung des Salons, gepaart mit einigen durchaus kritischen Tönen.
Auffällig ist, dass sich das Thema der digitalen Comics durch das ganze Jahrbuch zieht – auch abseits der drei Artikel, die sich explizit diesem Aspekt widmen. Auch in den Interviews wird das Thema immer wieder zur Sprache gebracht und vor allem die Vertriebsmöglichkeiten und Beispiele dafür ausgelotet. Was ebenfalls mehrmals auftaucht, ist ein gewisses Gemaule bezüglich des Begriffes „Graphic Novel“, wovon zumindest ich nichts mehr hören möchte. Der Begriff hat sich mittlerweile etabliert, um eine besondere Erzählform zu kennzeichnen und den Markt weiter zu öffnen für jene, die ansonsten nicht zu Comics greifen würden, und der Szene somit mehr Akzeptanz verliehen. Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass sich manche offensichtlich lieber wieder in das alte Comicghetto zurückziehen wollen. Dort würde dann wahrscheinlich gejammert, dass die Comics hierzulande immer noch nicht ihren verdienten Stellenwert innehaben.
Passend zum Thema „gesellschaftliche Akzeptanz von Comics“ wird außerdem mit Wilhelm Busch (anlässlich von 150 Jahren Max und Moritz) ein Vorreiter der Kunstform porträtiert sowie als einer seiner „Nachfolger“ Ralf König, der 2014 seinen zweiten Max-und-Moritz-Preis gewann und durch sein Schaffen die Leserschaft für Comics in Deutschland über die Jahre stark erweitert hat. Außerdem werden wie immer jene Comickünstler vorgestellt, die im letzten Jahr den ICOM-Independent-Comicpreis gewonnen haben. Dem verdienten Verleger und Mitbegründer von Finix Comics, Marc Schnackers, der leider 2014 verstorben ist, wird ebenfalls ein Artikel gewidmet, in dem Oliver-Frank Hornig die Geschichte des ungewöhnlichen Verlags und seines Mit-Initiators Revue passieren läßt.
Generell ist die Themenauswahl des Jahrbuchs erfreulich breit gestreut und neben Standards wie der Beobachtung der verschiedenen nationalen Märkte in den USA, Frankreich und Belgien, sowie (erstmalig) Japan, findet man auch regelrechte Überraschungen wie den Artikel von Stefan Svik über Comics in Obdachlosenzeitschriften.
Man muss natürlich nicht mit allen Artikeln konform gehen, wie etwa jenem von Wolfgang Höhne über den vermeintlichen Niedergang der Spirou-Reihe. Aber zu einer lebendigen Comicszene gehören auch vielfältige Meinungen und Diskussionen – wofür eben dieses Jahrbuch ein wertvoller Beitrag ist. Nur die Trickfilme sind dieses Mal eindeutig zu kurz gekommen: Einige ausgewählte Streifen werden nur knapp besprochen, was keinen wirklichen Überblick erlaubt.
Das Jahrbuch punktet mit überwiegend lesenswerten Beiträgen und einer großen thematischen Vielfalt.
Interessenverband Comic e.V. (ICOM), 2014
Herausgegeben von Burkhard Ihme
264 Seiten, teilw. farbig, Softcover
Preis: 15,25 Euro
ISBN: 978-3-888-34945-4
Leseprobe
Offenlegung: Einige Comicgate-Autoren sind auch mit Beiträgen im COMIC!-Jahrbuch 2015 vertreten, nicht jedoch der Autor dieser Rezension.