Die neue Phantom-Serie bei Zauberstern bietet alle zwei Monate eine Wundertüte.
Das seal of approval auf dem Cover setzt schon mal den Grundton: „Offiziell Fanboy geprüft“. An solchen Comics gibt es nichts zu kritisieren, denn one million Phantom-Fans can’t be wrong. Da brauchst du auch kein Watchmen erwarten oder die Raffinesse eines Neil Gaiman. Phantom ist purer Pulp und darf und soll auch gar nichts anderes sein. Die Bandbreite an Stilen indessen ist atemberaubend und bei Zauberstern dürfte man seine liebe Mühe haben, repräsentatives Material auszuwählen. Ich habe bisher lediglich fünf Hefte gelesen (Nr. 1, 2, 3, 12, 13). Das genügt für einen ersten Eindruck.
In den Heften 1 und 2 findet sich zum Großteil modernes Material aus Australien, das es noch nie in Deutschland zu sehen gab. Da musste der Leser schon mal schlucken, denn die Seiten sehen aus, als wären sie für ein Taschenbuch konzipiert, werden uns aber auf großformatigen Heftseiten präsentiert. Im Gegensatz zu den alten Bastei-Heften ist das wenig zu lesen pro Seite, dennoch ist die Story gut gewählt, denn die ungewöhnliche Geschichte um Frankensteins Monster, das aus einer Notlage heraus das Phantom in seinem Dschungel aufsucht, ist purer Fun und bietet trotzdem Drama und Sinn für Atmosphäre. Von Umfang und Erzählweise her erinnert das an ein typisches Taschenbuch des italienischen Bonelli-Verlags, ein Format, das ich sehr schätze. Ein guter Einstieg für die ersten zwei Hefte. Ich kann nur hoffen, dass er konservative Fans nicht verschreckt.
Reichlich konservativ ist in den ersten beiden Heften dann aber die Zweitgeschichte, Daily Strips aus den 1990ern, die wohl ausgewählt wurden, weil darin die Origin-Story des Phantoms rekapituliert wird und immer wieder kleine Rückblicke auf frühere Abenteuer stattfinden. Das Worldbuilding ist hier definitiv an seinen Endpunkt angelangt und die Geschichten austauschbar und ohne großen Sense of Wonder. Es fällt angenehm auf, dass das Phantom zwar einerseits eine Art white saviour-Figur ist, aber dennoch mit den vielen Eingeborenen sehr auf Augenhöhe zusammenarbeitet. Die Eingeborenen vom Stamm der Llongo leben dabei in einer vorbildlichen Synthese von afrikanischer Tradition und Moderne und wirken wie ein Leuchtturmprojekt dessen, wie die Welt sein sollte. Das ist auf sympathische Weise utopisch und ziemliches Wish-Fulfillment. Wirklich gute Comic sind diese modernen Strips von 1998 indessen nicht gerade. Sie sind hölzern erzählt und uninspiriert koloriert, immer wieder auch wiederholen sich ganze Panels und werden lediglich mit neuem Text versehen. Es sind Daily Strips, die behäbig und dabei unterkomplex erzählt sind, damit man Tag für Tag den Faden nicht verliert. Was wir in Heft 1 und 2 sehen, gehört nicht gerade zum Höhepunkt der Erzählform. Ambitioniert ist das nicht, eher rührend, dass sich Daily Strips auch 1998 noch trotzig behaupten.
Dass Daily Strips auch ganz anders sein können, beweist dagegen Heft 12 mit der Geschichte „Eine Löwin für das Phantom“ von 2012 und 13. Auch hier ist die Erzählweise so langsam, dass der tägliche Zeitungsleser über viele Wochen hinweg nie den Faden verliert, aber sie ist nicht ruckhaft und zusammengestückelt wie in Heft 1 und 2, sonder entschleunigt, in einer getragenen Erzählweise. Es gibt fast kein Panel, in dem nicht das Phantom zu sehen ist, man schaut dem Helden sozusagen bei seinem Abenteuer über die Schulter. Diese reduzierte Herangehensweise verstehen Tony de Paul und Paul Ryan meisterhaft zu nutzen, um uns dabei zusehen zu lassen, wie Phantom das Rätsel um eine Löwin löst, die sich nicht artgerecht verhält und scheinbar unbegründet aggressiv gegenüber den Menschen auftritt. Über 40 Bildstreifen hinweg geht es alleine darüber, dass der Held die Löwin betäubt, sie dann erst in die Betäubung hinein begleitet, danach auch beim Aufwachen. Das ist nicht weniger als in Meisterstück des entschleunigten Erzählens.
Neben solchen zeitlos erscheinenden Daily Strips finden sich auch moderne amerikanische Heftserien in den Zauberstern-Heften. Heft 3 eröffnet mit einigen Heften, die 2009 beim Indie-Verlag Moonstone erschienen. Die Geschichte „Flamme der Vergeltung“ (orig. „The End War“ von Mike Bullock und David Micheline) ist kompromisslos brutal und handelt von dschihadistischem Terror. Die Darstellung lässt keinen Zweifel daran, dass Terror nicht nur grausam, sondern auch zermürbend ist, der Terror in dieser Phantom-Geschichte ist außerdem perfide und richtet sich in einer zweiten Welle gezielt gegen Hilfskräfte. Eigentlich ist mir das zu grausam für einen Comic wie Phantom, von dem ich mir Eskapismus erhoffe, aber so sind die modernen Zeiten nun mal. Während die ersten beiden Kapitel der Story gut geschrieben sind, geht danach aber massiv die Luft raus und der Rest der Geschichte wird unglaubwürdig und uninspiriert mit ein paar Kinnhaken in der Wüste beendet. Kurz vor der Auflösung wird Phantom von den Schurken auch noch mal eben bildgewaltig an ein Kreuz gefesselt und zwei Panels später von einigen zufällig vorbeikommenden Reisenden befreit. Das ist unmotivierter Stuss und holprig erzählt. Die Nachfolgegeschichte vom gleichen Team ist dann handwerklich wieder recht ordentlich, aber mit Qualitätsschwankungen darf gerechnet werden.
In jeder Hinsicht sympathischer sind mir die DC-Hefte aus den 1980ern, die sich in Phantom 12 und 13 finden. Die von Mark Verheiden und Luke McDonnell gestalteten Hefte sind typisch für die Ära und solide erzählte Superhelden-Stories mit sozialkritischem Anstrich. Eine Geschichte zeigt Phantom im Clinch mit einer KKK-ähnlichen Bruderschaft in Amerika, ein anderes Mal geht es um illegale Müllentsorgung in Afrika. Eine dritte Geschichte überzeugt vor allem durch Phantoms inneren Monolog, in dem der Held sich kritisch gegenüber der Romantisierung von Piraterie zeigt, wo doch in Wirklichkeit Piraterie ein schmutziges Geschäft und Piraten verschlagenes, feiges Pack sind. Das und die zahlreichen, gut geplotteten Soap-Elemente machen diese Ära von Phantom zur Lesefreude.
Eigentlich dachte ich ja mal, Phantom spiele in Indien, auch weil Nummer 12 mit einer schönen Darstellung von Tigern aufwartet. So sollte es eigentlich ursprünglich auch mal sein, aber Serienerfinder Lee Falk hat selbst irgendwann mal den Faden verloren, wo Phantom spielt (nachzulesen in Sprechblase 247, wo uns Gerhard Förster gutes Begleitmaterial zu den neuen Serien liefert). Dessen ungeachtet überzeugt das afrikanische Setting eigentlich immer. Auch Zauberstern-Heft 13 enthält ausschließlich Hefte mit Afrika-Bezug, darunter die exklusive 48-Seiten-Story „Das Spukschloss“ die aus der australischen Phantom-Schmiede stammt. Kein Bonelli-Flair findet sich in dieser Story im Albenformat, eher erinnert diese modernisierte Adaption eines alten Lees Falk-Strips an die Comics von Dave Stevens (Rocketeer). Roy Felmang, der Zeichner, hat augenscheinlich Interesse daran, vor allem Phantoms Frau Diana als vollbusige Dschungelschönheit im knappen Felldress in Szene zu setzen, wie sie auf eigene Faust durch den Dschungel streift und in die Fänge eines bösen Burgherrn gerät. Das ist nun wirklich Eskapismus vom Allerfeinsten und ein weiteres Glanzlicht der Zauberstern-Reihe.
Dies waren sicher die ersten Phantom-Hefte, die ich seit meiner Kindheit (80er-Jahre) gelesen habe, abgesehen vielleicht höchstens von dem einen Band, der einst in der Bastei-Reihe topix erschien, der eine recht gelungene Nacherzählung der Origin-Story beinhaltet. Ich muss zugeben, dass Phantom mit seiner Totenkopfhöhle eine besonders schöne Variante einer Festung der Einsamkeit bietet und der Mythos eines generationenüberspannenden Helden, der sich stets erneuert, enorm reizvoll ist. Da wurde eine Serie reanimiert, die noch viel Erzählpotenzial birgt.