Dass eine neue Image-Serie von Autor Robert Kirkman nach dessem riesigen Erfolg mit The Walking Dead für Aufsehen sorgen wird, war abzusehen. Dennoch ist es überraschend, dass sich Cinemax/HBO noch vor Erscheinen einer einzigen Ausgabe von Outcast die Rechte für eine TV-Adaption gesichert hat. Nachdem ich den ersten Comicband gelesen habe, bin ich allerdings der Meinung, dass sich diese frühe Entscheidung für den US-Sender durchaus bezahlt machen könnte. Denn Kirkmans neuester Streich ist nicht nur für sich genommen ein vorzüglicher Comic, sondern bietet sich auch durchaus für eine Aufbereitung in bewegter Form an. Fernsehserien mit klassischen Horrorthemen gibt es ja nicht gerade viele, sieht man mal vom toll inszenierten, aber eher schrägen American Horror Story ab. Hier könnte Outcast mit seinem fein gewobenen Grusel und starken Figuren eine bislang vakante Position unter den anspruchsvollen Dramaserien besetzen.
Die Thematik, welcher sich Robert Kirkman mit seinem Comic verschrieben hat, ist grundsätzlich nicht besonders neuartig. Schließlich könnte man Outcast ganz schnell mit der Bezeichnung Exorzismus-Horror umschreiben. Aber wie er damit umzugehen weiß, mit welcher Intensität er seine Handlung entfaltet, ist schon große Kunst. Das Figurenensemble ist überschaubar, alles Gesehene spielt sich in einem engen Rahmen ab. Umso wichtiger ist es also, die Beziehungen zwischen den Figuren nachhaltig auszustaffieren beziehungsweise tiefer in die Motivation und Psyche dieser einzutauchen.
Im Zentrum steht ein Mann namens Kyle Barnes, der allein im Haus seiner Eltern wohnt, irgendwo in West Virginia. Seit seiner Kindheit scheint er eine Verbindung zu Dämonen zu haben, die von Personen, die ihm nahe stehen, Besitz ergriffen haben. Nach einem Zwischenfall mit seiner Frau und seiner Tochter lebt er nun einsam und zurückgezogen. Kirkman charakterisiert Barnes von Beginn an als Antagonisten der vermeintlich dunklen Mächte. Allerdings wird erst nach und nach enthüllt, wie sehr sein Leben schon immer von Finsternis beeinflusst war und dass die Besessenen auf den „Outcast“, wie diese ihn nennen, auf besondere Weise reagieren.
Auch wenn sich die Exorzismen in diesem ersten Band in Grenzen halten, wird die Handlung von einer schaurigen Atmosphäre getragen. Und es wird deutlich, dass die Figuren deutlich vielschichtiger angelegt sind, als man das von einer regulären Horrorerzählung erwarten würde. Das trifft auch auf die Menschen zu, die Kyle Barnes umgeben und erst sukzessive eingeführt werden. Allen voran Reverend Anderson, der beim Pokern Geld für seine Gemeindearbeit gewinnt und längst erkannt hat, dass Dämonen Besitz von Menschen ergreifen. Und er weiß um Kyles besondere Hintergrundgeschichte, die ihm bei seiner Exorzismusarbeit behilflich sein könnte. Gemeinsam gehen die beiden gewissermaßen auf Dämonenjagd, noch unwissend, auf welches Terrain sie sich begeben und mit was sie es eigentlich zu tun haben.
An vielen Stellen ist Outcast ein ganz fein justiertes Drama mit einem klugen, behutsamen Storytelling. Der Plot wird beherrscht von ruhigen Momenten und starken Dialogen. Dazu passt dann auch das wunderbare Artwork von Paul Azaceta. Ich bin ein großer Fan von unaufgeregten, düsteren Bildern mit dicker Strichführung, wie sie etwa ein Sean Phillips oder ein Michael Lark produzieren. Azaceta schlägt da in eine ganz ähnliche Kerbe, womit er zur hervorragenden Stimmung in diesem Comic und zur gelungenen Entfaltung der Erzählung ein großes Stück beiträgt. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich die Handlung weiter fortsetzt und welche Richtung das Ganze einschlagen wird.
Kluge Horrorerzählung mit starken Zeichnungen; eine Serie, die in jeder Hinsicht zu gefallen weiß
Disclosure/Offenlegung: Übersetzer Marc-Oliver Frisch schreibt gelegentlich für Comicgate, Comicgate-Redakteurin Frauke Pfeiffer ist für das Lektorat der deutschen Ausgabe von Outcast verantwortlich.
Cross Cult, 2015
Text: Robert Kirkman
Zeichnungen: Paul Azaceta
Übersetzung: Marc-Oliver Frisch
160 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 22 Euro
ISBN: 978-3-86425-667-1
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