![]() |
![]() 300
Mit meiner Filmprognose lag ich ja derbe daneben:
Der Film sollte eigentlich ein gutes Gegengift zu
überambinitionierten Projekten wie Troja oder Alexander werden, weil
hier ganz bewusst krachende Action und umwerfende Massenschlachten im
Vordergrund stehen, nicht irgendein pseudo-historischer
Relevanzanspruch.
Tja. Und ausgerechnet 300 ist nun öffentlich viel politischer
gelesen und diskutiert worden als all die anderen Historienschinken.
Xenophob. Homophob. Rassistisch. Faschistisch. Das sind die Adjektive
in den Feuilletons und Blogs am häufigsten fielen. Nicht ganz zu
unrecht. All das lässt sich auch schon in Frank Millers literarischer
Vorlage finden. Und da hatte ich kein Problem damit. Ganz ehrlich
gesagt: Es ist mir da nicht einmal so aufgefallen.
Was verschiedene Gründe haben könnte: Vielleicht liegt es daran, dass ich den Comic nicht so ausführlich gelesen habe wie Watchmen oder V for Vendetta, sondern immer mal wieder einfach weitergeblättert habe, wenn mich Millers Dialog nervte. Immerhin ging es, für mich, in 300 darum, dass Frank Miller visuell beeindruckende Schlachtgemälde wuchtig aufs Papier klatscht.
In The Dark Knight Strikes Again sagt sich Superman von der Menschheit los und wird zu einer Art Gott, zu Nietzsches Übermenschen, der natürlich seine Rolle im Dritten Reich fand. Millers Helden sind immer Militaristen: Batman, der am Ende von The Dark Knight Strikes Again
sogar sein eigenes Tötungsverbot aufhebt, denn der Zweck heiligt die
Mittel. Daredevil. Robocop. Der Ronin. Dwight, Marv und Hartigan in Sin City.
Martha Washington in der eponymen Serie ist eine Soldatin. Der Einsatz
der Waffe, das Kriegerethos, das zeichnet Millers Helden aus. Millers
Weltbild scheint in der Hinsicht dem Weltbild der Gesellschaft in Starship Troopers zu entsprechen. Da ist es nur konsequent, dass Miller sich auf den militaristischsten aller Stadtstaaten konzentriert.
Den Kriegern steht der Rest der Welt gegenüber: Korrupte Polizisten,
verlogene Politiker, homosexuelle Nazis, perverse Priester, politisch
überkorrekte Linke, hasserfüllte Rechte und der einfache Bürger, der
zwar eine Meinung aber keine Ahnung hat. Man kann mal eine Checkliste
erstellen, wieviele dieser Klischees sich in jedem beliebigen Comic von
Frank Miller finden lassen. In seinen Comics verhindern diese
Bremsklötze, die meist auch optisch deutlich negativ dargestellt werden
(obwohl Frank Miller selber etwas frettchenhaftes an sich hat und eher dem Yellow Bastard ähnelt als Marv oder Batman), dass die vernünftigen Krieger die Welt retten können.
Diesen Faschismus und Militarismus habe ich allerdings, und
vielleicht bin ich da Heuchler, beim Lesen seiner Comics an die Seite
drängen und mich ganz auf die Geschichten und die Blder einlassen
können. Vielleicht auch weil er den Lackmus-Test für Verrückte im
Comicbereich (noch) nicht erfüllt: An die geistige Umnachtung eines Dave Sim, mit seinen religiösen Offenbarungen und frauenfeindlichen Erkenntnissen reicht er halt bisher nicht ran.
Dann wiederum, Millers Major Opus Holy Terror, Batman
- das er selbst als “Propaganda” beschreibt und in dem Batman sich im
Kampf mit Osama Bin Laden messen wird - ist noch nicht erschienen. Und
schon die Grundidee klingt arg danach, dass Miller damit in
davesim’sche Gefilde des Wahnsinns eindringen wird. Subtilität war
Millers Forte noch nie, warten wir also mal ab wie in dem potentiellen
Trainwreck die Araber und die al-Quaida dargestellt wird.
Und trotzdem funktioniert das. Vielleicht eben weil man hier bewusst das Künstliche an den Szenen hervorhebt und nicht wie etwa in Spider-Man oder Final Fantasy die Computereffekte die Aufgabe haben “realistisch” auszusehen. (Ich hasse es, wenn in Spider-Man II
plötzlich ein CGI-Spidey einen CGI-Doc-Ock verkloppt… man sieht dass es
ein Computereffekt ist und ist erstmal augenblicklich raus aus dem
Film. Das gleiche Spektakel gab es auch bei der von Bud Spencer
inspirierten Neo-gegen-hunderte-Smith-Einlage im zweiten Matrix-Film.) Es ist ein bisschen ironisch, aber eigentlich schuldet 300 da sehr viel dem Herrn George Lucas und den neuen Star-Wars-Filmen:
Die Schauspieler müssen sich den Effekten anpassen. Nicht umgekehrt.
Aber: Es funktioniert hier. Der Film wirkt da wie aus einem Guss.
Dabei schuldet der Film visuell Leni Riefenstahl mindestens ebenso
viel wie modernen Videospielen. Der Riefenstahl-Faktor ist ziemlich
klar ersichtlich und nicht von der Hand zu weisen: Die Spartiaten sind
muskelbepackte, eingeölte, aufrechte Männer, die sich auch direkt aus Olympia in diesen Film hätten verirrt haben können.
Die Videospielästhetik hätte man wohl vor ein paar Jahren noch als
Musikvideoästhetik beschrieben, aber seitdem Männer wie Mark Romanek
oder Spike Jonze auch in Hollywood Erfolg haben, ist man da
vorsichtiger geworden. 300 setzt auf unzählige Effekte, die ich primär mit Videospielen verbinden würde: Die Zeitlupenästhetik eines Max Payne, das blutige Metzeln durch unzählige Gegnerhorden eines God of War (man hätte übrigens die stilisierte Gemetzel aus den Zwischensequenzen problemlos in 300 schneiden können, ohne dass es aufgefallen wäre), die akrobatischen Einlagen aus Total Overdose, die Fatalities aus Mortal Kombat, das Verlangsamen und Beschleunigen der Zeit aus Viewtiful Joe und nicht zuletzt die Cinekills aus Prince of Persia: The Two Thrones.
Bei einigen der Metzelpassagen, wenn Leonidas im Vorbeigehen und in
einer flüssigen Bewegung ein gutes Dutzend Perser abschlachtet, hatte
ich darauf gewartet, dass der Off-Sprecher gleich ein “awesome combo”
oder zumindest ein “flawless victory” von sich geben würde.
Auf der Videospielebene funktioniert auch das Gemetzel: Die Perser
sind keine Menschen, nicht einmal Untermenschen, sondern Kanonenfutter.
Schwertfutter. Es hat schon seinen Grund, dass man deren Gesichter nie
sieht. (Und wenn doch, dann sind es Horrorkreaturen mit nichts
Menschlichem an sich.) Die Armee der Perser hat hier keine andere
Funktion als die “awesomeness” der Spartiaten darzustellen, aber kein
Mitleid oder ähnliches abzugreifen. Die werden so eingesetzt, wie die
weit über 2.000 namen- und gesichtlosen Gegner, die ich in den letzten
anderthalb Wochen in Scarface: The World is Yours niedergemacht
habe. Die Videospielmethodik passt auch dazu, wie die Gegner auflaufen:
Level 1 - Fußtruppen. Level 2 - Reiter. Level 3 - Die Unsterblichen und
ihr Monster (der im Abspann total käsig Uber Immortal heißt… vgl. auch “das Ubersoldat” aus Return to Castle Wolfenstein). Level 4 - Das LotR-Killernashorn.
Die Story ist, auch das fiel mir im Comic gar nicht so sehr auf, nicht nur dünn, die Story ist Nicole Ritchie.
Hier wieder mal eine der beliebten Zusammenfassungen, die unser
Agitpop-Mitarbeiter Friedrich Merz extra für ihren
Steuererklärungs-Bierdeckel verfasst hat: “Perser wollen
Griechenland erobern. Stolze Spartaner wollen das nicht. Schreien!
Metzeln! Sterben! Derweil in der Heimat: Intriganter Politiker versucht
den Persern zu helfen.”
Aber, okay, ich hatte hier ja storytechnisch nichts “episches”
erwartet, sondern mir war klar, dass die Geschichte ein Konstrukt sein
muss, das gerade stabil genug sein sollte um das zu tragen, worum es
hier geht: Blutrünstiges Geschlachte! Problem Zwei ist, dass die
unterernährte Story zudem unter etwas leidet, das ich auch schon in Sin City kritisiert habe: Total überzogene Dialoge. Und 300 leidet darunter weit stärker als Sin City, wo ich das locker wegstecken konnte.
Auch das war schon im Comic zu finden, fiel mir da aber nicht so
auf. Was auf zwei Möglichkeiten schließen lässt: Entweder bin ich ein
extrem dämlicher Comicleser, oder Comic und Film haben größere
Unterschiede in der Wirkung von Bild und Dialog auf den Leser/Zuschauer
als man annehmen sollte. Anyway, die Dialoge: Entweder es wird gebölkt,
oder es ist pathetisch (geradezu peri-pathetisch… sehr kleiner,
althistorischer Kalauer)… oder beides.
Wenn nicht gerade gemetzelt wird, dann wird… nennen wir es in
Ermangelung eines besseren Wortes “philosophiert”. Wenn sich das
nächste Mal ein Jugendlicher mit ein paar hundert Tequila ins Koma
säuft, dann sollte man herausfinden ob er auf einer Flatrate-Party war
oder nur an einem 300-Trinkspiel teilgenommen hat: “Trinke
einen Kurzen für jedes Mal wo die Worte Frieden, Freiheit, Tyrannei,
Sklaven, Anstand, Ruhm oder Ehre fallen.” Jesses, sowas kann der
US-Präsident in einer State of the Union von sich geben, aber sowas
kann man doch nicht ernsthaft so ins Kino transportieren. Selbst wenn
es schon im Comic zu finden war.
300 ist nun kein sonderlich dialoglastiger Film, aber trotzdem ist fast jeder gesprochene Satz schmerzhaft. Weil 300
jedwede Ironie fehlt um zu erkennen, wie lächerlich das Kriegspalaver
auf den neutralen Zuschauer wirken sollte. Im vierbändigen Lexikon Sätze die man nie ironiefrei ins Kino bringen darf füllt 300
trotzdem locker die Bände 1 bis 3. Und, sorry, immer wenn die
Spartiaten zustimmend gegrunzt haben, suchte ich die Leinwand ab: Ich
bin mir ganz sicher, dass irgendwo unter den 300 Spartanern Al Borland
und Tim Taylor zu finden sind.
(Der beste Satz des Films (”Unsere Pfeile werden die Sonne
verdunkeln.” - “Dann kämpfen wir eben im Schatten.”) ist übrigens weder
auf Millers, noch auf Zack Snyders Mist gewachsen, sondern lässt sich
schon in Herodots Historien VII, 226 nachlesen.)
Fraglich ist, wie stark man das historische Argument bei 300
nutzen kann. Weder der Comic, noch der Film sind historisch (auch wenn
Miller Anspruch darauf erhebt, dass der Comic historisch wäre), sondern
sie nutzen ein historisches Ereignis um einen Grund zu haben ihre
opulente Schlachtplatte anzubieten. Das ist hier halt die Schlacht um
die Thermopylen, es könnte aber eben so gut Japans Abwehr des
Mogolenheers, Mark Aurels Kampf gegen die Markomannen oder Caesars
Invasion Galliens und Britanniens sein. Mit vielen Details hält sich
der Film nicht auf, Spartaner und Perser werden nur so weit
dargestellt, wie es nötig ist um ihnen einen Grund zu geben sich
gegenseitig Körperteile abzusäbeln.
Aber gut, einige der Kritikpunkte kann man trotzdem anschneiden. Man sollte sie nur nicht unbedingt daran festmachen, dass 300
hier unhistorisch ist. Oder zumindest sollte man sie nicht
ausschließlich daran festmachen. Da ist beispielsweise Leonidas
Schwinger gegen die Athener, die “Knabenliebhaber” sind. Wie in den
Leserbriefen des vierten 300-Hefts schon 1998 angemerkt wurde:
Das ist verlogen. Jeder spartanische Krieger bekam einen Jungen zur
Seite gestellt, den er ausbildete, dem er Geschenke machte und mit dem
er auch den Geschlechtsakt vollzog.
Dass Miller das ignoriert passt zu seinem Gesamtwerk: Homosexuelle
kommen bei Miller fast nie gut weg und päderastische Homosexualität
(auch wenn sie damals normal und akzeptiert war), würde natürlich das
von ihm geschaffene Bild der “echten Männer” aus Sparta ruinieren.
Darum lässt sich im Film auch nicht die Stelle finden, an der ein
persischer Späher die Spartaner erstmals erblickt und erstaunt
feststellt, dass sie sich gerade die Haare kämmen (Herodot VII, 208).
Ironisch, da der Film natürlich durch die haarlosen, geölten
Muskelkloppse aus Sparta sich doch einer eher homo-erotischen
Bildsprache bedient. Und nächste Woche spielen wir: 300 oder Gayporn? Ganz so leicht ist das nicht auseinander zu halten.
Und natürlich wird Xerxes hier als extrem tuntig dargestellt. (Im
Kontrast zur markant-männlich homosexuellen Ausstrahlung der Griechen.)
Hier bin ich aber gewillt Frank Miller und Zack Snyder den Hauch eines
Zweifels einzuräumen und zu glauben, dass sie den Bling-Bling-behängten
Xerxes primär so dargestellt hat, weil das ein hübscher visueller
Effekt war. So wie es eben auch der Perser mit den Messerarmen ist.
(Der so auch nicht im Comic zu finden war, wenn ich mich richtig
erinnere. Der aber auch zeigt, wie historisch ernst dieser Film zu
nehmen ist. Ein Kerl mit Messerarmen. Eat your heart out, Baraka.)
Trotzdem akzeptiere ich, dass die Spartaner für die “Freiheit”
kämpfen. Auf der filmischen Ebene tun sie nämlich genau das: Sie als
Spartaner kämpfen für ihre Freiheit auch zukünftig andere Staaten
unterdrücken zu können, statt selbst von einer fremden Macht (dem
persischen Großreich) unterdrückt zu werden. Hey, die amerikanischen
Kolonien haben auch für ihre Freiheit gekämpft und die Sklaverei
trotzdem 1776 nicht abgeschafft. Dass die spartanischen Krieger keine
bürgerrechtlichen Bedenken haben, damit kann ich leben. Alles andere
erschiene mir unwahrscheinlicher. Trotzdem ist es natürlich legitim zu
erwähnen, dass der Film die Sklaverei komplett außen vor lässt.
Kritisch wird es wenn man dem Film vorwirft, dass er “nie einen Zweifel daran [lässt], dass die 300 Spartaner, die hier ein beispielloses Gemetzel veranstalten, “die Guten” sind“.
Da erwarte ich, dass der Zuschauer etwas mitdenkt und nicht blind alles
frisst, was ihm vorgesetzt wird. Dass der Zuschauer sich eben nicht von
all dem Freiheit-HRRRAAAGGHHH-Gebell komplett blenden lässt. Die Perser
mögen ihre Opfer an einen Baum binden, die Spartaner bauen eine Mauer
aus persischen Leichen. Und selbst wenn man ignoriert, dass Sparta eine
Despotie ist: Die Spartaner töten Babies. Schmeißen sie, wie ihre
historischen Vorbilder, den Berg Taygetos hinab wenn die Säuglinge
deformiert oder zu schwach sind. Wer das gut findet oder akzeptiert,
dem ist eh nicht mehr zu helfen.
Damit der Kontrast Sparta gegen Persien noch krasser wirkt, baut
Miller zudem die Leistung der Spartaner natürlich stark auf: Die 4.900
Griechen die nicht aus Sparta kamen, aber mit den Spartiaten an den
Thermopylen gekämpft haben (Herodot VII, 202-203) ignoriert Miller
geflissentlich. Auch wurde man laut Herodot (VII, 213-214) nicht von
einem spartanischen Krüppel verraten. Und wenn man die meisten anderen
Griechen (mit Ausnahme eines guten Dutzend Arkadier) ignoriert, dann
muss man natürlich auch nicht darauf eingehen, dass es Leonidas war,
der die anderen Griechen wegschickte, damit sie nicht fallen. Mit
Ausnahme der Thespier, die freiwillig blieben, und der Thebaner, die
von Sparta abhängig waren und denen Leonidas befahl, dass sie mit ihnen
zusammen sterben sollten (Herodot VII, 221-222). Soviel zur
universellen Freiheit, für die Leonidas kämpft.
Dann wiederum: 300 ist optisch derart übertrieben, die
Schlachtszenen sind so gestellt und die Messerarm-Persier sind so
überzogen, dass es einfach falsch wäre an 300 heranzutreten mit
der Erwartung, dass der Film “historisch korrekt” arbeitet. Besonders
da die Hauptquelle für die Schlacht an den Thermopylen von Herodot
verfasst wurde: Einem Mann der auch den Spitznamen “Vater der Lügen”
weg hat und der wohl selbst die historische Realität nie einer guten
Fiktion im Weg stehen ließ. Die Kritikpunkte Homophobie, Faschismus,
Xenophobie kann man immer noch anschneiden wenn man möchte. Vielleicht
sogar besser wenn man sich auf den Film an sich konzentrieren kann und
sich nicht am Rettungsring historischer Halbwahrheiten festklammert.
Und man sollte auch nicht vergessen, dass der “unmenschliche Gegner”
schon seit Jahrzehnten ein Klassiker des Hollywoodfilms ist. Seien es
die Deutschen in Indiana Jones, die Japaner in Pearl Harbour, die mexikanischen Orks in The Alamo, die Sowjets in Red Dawn, die Markomannen in Gladiator oder die Briten in The Patriot. Das entschuldigt möglichen oder realen Rassismus in 300 nicht, es hilft aber die Sache ein wenig in den Kontext zu rücken. Die Frage wie rassistisch 300 ist, ist eng damit verknüpft wie stark politisch man den Film liest.
Das Leitmotiv Sparta gegen Persien sehe ich persönlich nicht als
primär auf den Konflikt Westen gegen arabische Welt, oder sogar auf den
Konflikt USA gegen Iran zugeschnitten (auch wenn ich verstehe warum man
das so lesen kann, warum sich der Vergleich geradezu aufdrängt),
sondern eher als typisches Leitmotiv Millers.
Seine maskulin-kriegerische Idealgesellschaft Sparta, mit ihrer
Kameradschaft und ihrem Heldenethos, steht einem Persien gegenüber,
dessen Bewohner deformiert sind, sich mit viel Flitterkram schmücken
und in dessen Lagern es zugeht wie in Sodom und Gomorrah. Aber genau
dieser Konflikt zwischen echten Männern (die auch mal eine Frau sein
können, siehe Martha Washington oder “deadly, little Miho” in Sin City) und verweichlichten Hedonisten zeichnet fast alle Comics von Miller aus. Er hätte auch für jeden anderen Konflikt, den er als Hintergrund genommen hätte, einen Weg gefunden dieses Element einzubauen.
Der Comic-Leonidas ist sogar noch um einiges unsympathischer als der
Film-Leonidas. Er bietet dem verkrüppelten Spartaner gar nicht erst an,
zumindest als Sanitäter oder Leichensammler tätig zu werden, sondern
schickt ihn einfach fort. Das ist halt Millers Weltbild, dass sich auch
in 300 spiegelt: Krieger - yay! Politiker, Intellektuelle, Künstler, Rest der Welt - buh!
Mögen muss man das nicht, aber ein gewisses Maß an Fairness sollte
man trotzdem walten lassen. Die oben verlinkte Intro-Rezi erkennt etwa
auch:
Dabei ist es bezeichnend, dass der widerlichste
Bösewicht der Geschichte ein liberal wirkender Kriegsgegner ist, der
sich natürlich als korrupter Königinnenschänder entpuppt.
Allerdings: In Millers bisherigen Comics kamen weder Demokraten noch Republikaner gut weg. In The Dark Knight Returns macht er sich über Ronald Reagan, immerhin die Ikone der modernen Konservativen, lustig. In The Dark Knight Strikes Again
spottet er über die Bush-Administration. Miller hat eher ein Problem
mit der Demokratie an sich, als mit irgendeiner Strömung in ihr:
Während Politiker immer nur palavern, handeln echte Männer (wie Batman,
Daredevil oder Leonidas). Und von der Bevölkerung ist auch nichts zu
erwarten: Die wählen in Give Me Liberty wieder und wieder einen Mann der die USA in einen (ungerechten) Polizeistaat verwandelt hat und in The Dark Knight Strikes Again sogar gleich ein Hologramm zum Präsidenten.
Wenn man den Film als Kulturkampfmetapher liest, dann macht der
letzte Aufruf zum Krieg gegen “Tyrannei und Aberglauben” Angst. Denn
dann ist er so wie Ann Coulters Aufforderung “in ihrer Länder einzufallen, ihre Anführer zu töten und sie zum Christentum zu bekehren”. Und ich kann nicht sagen, dass 300 zu dumm ist, um beleidigend zu sein. Denn Rassismus und Xenophobie kommen in ihrer einfachsten Form dumm und bodenständig daher.
Und trotzdem halte ich es auch für ungerecht, den Film nur
auf die Meta-Ebene zu reduzieren und ihm jede filmische Ebene komplett
abzusprechen, auf der die Spartaner, all die oben genannten Probleme
außen vorgelassen, eben wirklich für ihre Freiheit (andere zu unterdrücken) und gegen einen Eindringling kämpfen, der sie versklaven will.
Ich würde es eher mit einem anonymen Leserbrief aus den 300-Heften halten: “It’s Miller again. Gorgeous works, ugly subtext.”
Der Film funktioniert für mich als das, was ich von ihm erwartet habe:
Er ist eine Schlachtplatte ohne Tiefe, sieht dabei aber ungemein schick
aus. Im Grunde genomme ist 300 ein glorifizierter B-Movie. Ein
Film, der eher im Splatter-Regal einer abgewrackten Videothek als im
Feuilleton der FAZ zuhause wäre, wenn er eben nicht das
Blockbuster-Budget hätte.
Was mir gar nicht schmeckt, wenn die mangelnde Tiefe darauf
zurückgeführt wird, dass der Film halt einen Comic als Vorlage hat. Da
verwechseln dann wieder ein paar Experten Medium und Message. Wer einen
tiefgründigen, gut recherchierten und spannend geschriebenen Comic über
die Antike lesen will, dem sei übrigens Eric Shanowers wundervolles Age of Bronze ans Herz gelegt. (Ein Comic mit Literaturverzeichnis!)
Ganz abseits des Politischen: 300 wird nicht das Ende des
klassischen Films sein. Diese totale Überinszenierung, die ständigen
Zeitlupen und vorgespulten Bilder, das künstliche Erscheinungsbild… das
funktioniert einmal oder auch zweimal, so lange es noch neuartig ist.
Danach wird es langweilig und belanglos, so wie die Bullet Time in der
Zeit nach The Matrix. Und dann wird das ästhetische Gemetzel
nicht darüber hinwegtäuschen können, wie armselig und lachhaft die
Dialoge des Films sind.
300 fehlt da genau jene Ironie, die Starship Troopers
mit sich brachte. In Verhoevens Film wurden die militärischen Phrasen
und die schönen Menschen im Krieg dadurch ausgehebelt, dass die
Videoeinspieler (”Wollen Sie mehr wissen…”) die Militärdiktatur auf
Korn nehmen und den Krieg gegen die Bugs als sinnlos entlarven. In Zack
Snyders Film und in Millers Comic allerdings meinen die alles was sie sagen und schreien (primär schreien) ernst. Bierernst.
Wenn man allerdings als Zuschauer exakt den großen Kasten Ironie
mitbringt, der dem Film fehlt, dann kann man hier durchaus unterhalten
werden. Im gleichen Maße wie man mit dieser Notfallration Ironie
wirklich seinen Spaß mit Rambo III oder Red Dawn haben
kann. Das hilft auch sehr bei den Dialogen. (Nur aufpassen: Man wird im
Kino böse angeguckt, wenn andauernd anfängt zu lachen oder kichern
während Leonidas mit viel Gravitas irgendwelche Phrasen drechselt.)
Entpolitisiert und mit dem nötigen Abstand fand ich 300
trotzdem gut: Es ist ein hirnfreies, extrem schön anzusehendes
Gemetzel, umklammert von einer äußerst lächerlich erzählten und
inszenierten Geschichte. Ein Schlockbuster von epischem Ausmaß, mehr
Uwe Boll als Cecil B. DeMille. Aber mein innerer Teenager, der
Reptilienteil meines Gehirns, war mit dem Gemetzel sehr zufrieden und
verspürt jetzt den Drang sich doch den zweiten Teil von God of War
zu kaufen. Mein innerer Teenager ist halt so, auch wenn er mich damit
jetzt als Proto-Nazi und Politically-Incorrect-Leser geoutet haben mag.
Der ultimative Test, wie rassistisch 300 wirklich ist, wird wohl Holy Terror, Batman
sein. Die Darstellung der Amerikaner und Araber in dem Comic dürfte
zeigen, wieviel dieses Films tatsächlicher Rassismus und wieviel
unglücklich gewählte Ästhetik war. DC, wir warten. bw
Bildquelle: warnerbros.de/300 , © Warner Bros. | ![]() |