X-Men: Der letzte Widerstand

X-Men: The Last Stand, USA 2006, Regie: Brett Ratner, Hauptdarsteller: Patrick Stewart (Professor Charles Xavier), Ian McKellen (Eric Lehnsherr / Magneto), Hugh Jackman (Logan / Wolverine), Halle Bery (Ororo Munroe / Storm), Famke Janssen (Jean Grey / Phoenix), Kelsey Grammer (Dr. Henry "Hank" McCoy / Beast), Rebecca Romijn (Raven Darkholme / Mystique)

Im dritten (und letzten?) Teil der Reihe spaltet ein "Heilmittel" die Gemeinschaft der Mutanten, mit dem die gesellschaftlichen Außenseiter angeblich wieder zu "normalen" Menschen werden können. Aber wollen sie das überhaupt?

Mit dem ersten X-Men-Film begann im Jahr 2000 die bis heute anhaltende Welle von Comicverfilmungen. Dank fortgeschrittener Tricktechnik, aber auch dank guter Besetzung, realistischen Kostümen (Lederkluft statt Strumpfhosen) und gelungenem Drehbuch gelang es Regisseur Bryan Singer, Superheldencomics fürs Kino umzusetzen, ohne dass sie peinlich wirkten. X-Men und X-Men 2 waren zwar nicht unbedingt realistisch, aber glaubwürdig. Stan Lees Prinzip der Mutanten mit besonderen Fähigkeiten, aber sehr menschlichen Nöten und Problemen, das seit über 40 Jahren im Comic funktionierte, klappte auch auf der Leinwand. Beide Filme, besonders der zweite Teil, boten actionreiches Popcorn-Entertainment, erzählten aber auch brauchbare Geschichten, die sich sogar - wenn man wollte - politisch und gesellschaftlich interpretieren ließen.

Die Erwartungen an X-Men: The Last Stand, der am 24. Mai 2006 weltweit in die Kinos kommt, sind also nicht gering. Bryan Singer ist beim dritten Teil nicht dabei, er widmet sich derzeit einem anderen Superhelden (dem mit dem großen S auf der Brust, kommt auch noch diesen Sommer in die Kinos), obwohl er ursprünglich auch für X3 zugesagt hatte. Aber nicht nur der Regisseur, sondern auch viele von Singers Mitarbeitern (Kameramann, Drehbuchautoren, Soundtrack-Komponist u.a.) wanderten von den X-Men zu Superman. Auch Ersatz-Regisseur Matthew Vaughn sprang kurz vor Beginn der Dreharbeiten wieder ab, so dass am Ende ein ironischer Rollentausch zu stande kam: Der neue Regisseur Brett Ratner war ursprünglich dafür vorgesehen, Superman Returns zu drehen. Das Drehbuch stammt von Simon Kinberg, der zuletzt die Skripts für Mr. & Mrs Smith und die Fortsetzung von xXx geschrieben hatte, und von Zak Penn, der u.a. die eher mittelprächtigen Marvel-Filme Elektra und Fantastic Four auf dem Kerbholz hat. Naja...

Etwas Skepsis ist also durchaus angebracht - Bryan Singer hat mit X-Men und noch mehr mit X-Men 2 die Latte recht hoch gehängt. Ist Teil 3 ein würdiger Nachfolger? Die Antwort lautet: fast. Ratner und sein Team versuchen nicht, der Serie ihren eigenen Stempel aufzudrücken, sondern bleiben stilistisch und stimmungsmäßig den Vorgängerfilmen treu. Wie gewohnt halten sich Actionszenen, charmante Charaktermomente und ein (verglichen mit anderen Sommerblockbustern) ziemlich plausibler Plot die Waage.

Das sympathische an den X-Men ist ja die Tatsache, dass es keine eindeutige Hauptfigur, sondern immer ein Ensemble gibt, dessen einzelne Mitglieder mehr oder weniger gewichtige Rollen im Film spielen. Von der Kerntruppe aus den ersten beiden Filmen sind alle wieder dabei, keine Rolle musste durch einen anderen Schauspieler ersetzt werden. So fühlt sich der Film als echte Fortsetzung an, auch weil einige Handlungsfäden aus dem Vorgänger wieder aufgegriffen werden. Halle Berry als Storm bekommt diesmal etwas mehr Screentime, während z.B. Anna Paquin als Rogue eine kleinere Rolle spielt. Manche Nebenfiguren sind verschwunden (leider gehört der Nightcrawler dazu, den ich in X-Men 2 klasse fand), dafür wurden natürlich wieder neue Charaktere aus Marvels schier unendlichem Mutantenvorrat geholt: Neu dabei sind z.B. Kelsey Grammer als Hank McCoy (Beast), Ben Foster als Angel, die schnucklige Ellen Page als Kitty Pryde und, auf der Seite der Bösen, Vinnie Jones als Juggernaut. Eine wirklich tragende Hauptrolle aber spielt keiner von ihnen.

Die Handlung von X3 besteht aus zwei zentralen Elementen: Zum einen die Wiederkehr der tot geglaubten Jean Grey als Dark Phoenix (basierend auf der legendären Dark-Phoenix-Saga von Chris Claremont), zum anderen die Entdeckung eines Medikaments, das angeblich alle Mutanten von ihrer "Krankheit" heilen könne. Während einige aus der gesellschaftlichen Randgruppe der Mutanten sich nichts sehnlicher wünschen als "normal" zu sein, sieht v.a. Magneto, den Ian McKellen wieder mit großer Lust am Schurkentum verkörpert, das Heilmittel als ultimative Provokation und ruft einmal mehr den Krieg der Mutanten gegen die Menschen aus. Dabei will er die extremen Kräfte der Dark Phoenix für seine Zwecke nutzen. Und Charles Xavier (Patrick Stewart) und seine Schüler wollen dies natürlich verhindern.

Am meisten Spaß macht Der letzte Widerstand jedoch in den kleinen Szenen, die nicht zur Haupthandlung gehören. Wortgefechte zwischen Beast und Wolverine, eine kleine Romanze zwischen Shadowcat und Iceman, die Fiesheiten von Mystique. Und auch der Juggernaut mit seinem klobigen Helm, bei dem sich die Filmemacher getraut haben, die Figur als tumben Dämlack darzustellen, sorgt für unterhaltsame Momente. Und die Geeks unter uns dürfen natürlich wieder Ausschau nach Stan Lee halten, der (wie in fast allen Marvel-Filmen) wieder einen kleinen Cameo-Auftritt hat.

Zu einem Film wie X-Men gehören natürlich Spezialeffekte und Action wie der Senf aufs Leberwurstbrot. Und auch hier kommen die Fans auf ihre Kosten. Zu Beginn werden die Effekte eher sparsam, aber durchaus sehr wirkungsvoll eingesetzt, z.B. wenn sich die Wandlung Jean Greys zum finsteren Dark Phoenix in ihrem Gesicht spiegelt. Die richtig große Action-Keule wird erst im letzten Drittel des Films rausgeholt, dann aber gibt es eine spektakuläre, ausgiebige und sehenswerte Schlacht, bei der die Golden Gate Bridge eine tragende (haha) Rolle spielt.

X-Men 3 ist als Fortsetzung auf alle Fälle gelungen und dürfte denjenigen, die die ersten beiden Teile mochten, gut gefallen. Und das will bei der Schwemme von Sequels, die Hollywood Jahr für Jahr raushaut, schon etwas heißen. Als eigenständiger Film funktioniert The Last Stand zwar auch, macht aber mit etwas Vorwissen viel mehr Spaß. Das Figurenensemble ist für Neulinge nicht leicht zu überblicken und die Hauptpersonen werden nicht mehr groß eingeführt. Stellenweise wirkt die Geschichte in ihrem Streben nach Ernsthaftigkeit und Relevanz etwas zu bemüht. Vor allem Magnetos bedeutungsschwangere Reden wirken teilweise eher unfreiwillig komisch, was das Vergnügen aber nur wenig schmälert. Ein Meisterwerk ist X-Men: Der letzte Widerstand zwar nicht geworden, aber als Popcornfilm und Nachschub für Fans funktioniert der Film hervorragend.

Ein Hinweis noch: Es lohnt sich, beim Abspann bis ganz zum Schluss sitzen zu bleiben. Da kommt noch was! tk



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Offizielle Film-Website
Siebenminütiger Clip aus X-Men: The Last Stand (englisch)
X-Men in der CMDB
X-Men 2 in der CMDB