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 Adèle und das Geheimnis des Pharaos

Les aventures extraordinaires d'Adèle Blanc-Sec
Frankreich 2010, Regie: Luc Besson, Hauptdarsteller: Louise Bourgoin (Adèle Blanc-Sec), Mathieu Amalric (Dieuleveult), Gilles Lellouche (Inspektor Léonce Caponi), Jacky Nercessian (Marie-Joseph Espérandieu), Nicolas Giraud (Andrej Zborowski)
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"Man muss akzeptieren, dass jede Adaption ein Betrug ist – nachdem ich selbst eine Reihe von Romanen in Comics umgeschrieben habe, weiß ich, wovon ich rede."
Jacques Tardi
34 Jahre nach Erscheinen des ersten Albums von Jacques Tardis Comicreihe Adeles ungewöhnliche Abenteuer, die hierzulande leider längst nicht so populär ist wie in Frankreich, läuft nun der Film Adèle und das Geheimnis des Pharaos in den Kinos. Für Drehbuch und Regie ist Luc Besson (Léon der Profi, Das fünfte Element) verantwortlich, der damit nach längerer Pause wieder als Spielfilmregisseur zurückkehrt. Bei der Vorstellung des Films in München erzählte Besson, er habe Tardi sehr lange bearbeiten müssen, bis dieser die Filmrechte herausrückte. Tardi sei sehr skeptisch gewesen, doch nach der Premiere habe er die Hauptdarstellerin Louise Bourgoin geküsst und gefragt, wann der zweite Teil kommt.
Luc Bessons Film basiert auf Motiven aus den ersten vier Adèle-Alben, erzählt aber letztlich seine eigene Geschichte. Im Vergleich zu den Comics hat die Verfilmung eine weniger vertrackte Handlung, stellt ihre Heldin Adèle wesentlich deutlicher in den Mittelpunkt und ist insgesamt ganz klar darauf angelegt, massentaugliche Abenteuer-Unterhaltung für die ganze Familie zu bieten. Wogegen ja erst einmal nichts einzuwenden ist.
Der Film zeigt Adèle Blanc-Sec, die weltreisende Schriftstellerin, zu Beginn als Heldin im Geiste eines Indiana Jones. Wir begleiten sie auf eine Expedition nach Ägypten, wo sie ein Pharaonengrab entdeckt und bei der gleich mal alle Klischees des Genres bedient werden: alte Schatzkarten, tödliche Fallen, habgierige Einheimische, verfluchte Schätze und eine Konfrontation mit einem hässlichen, unsympathsichen Fiesling, der gleichzeitig Erzrivale der Heldin ist.
Luc Besson inszeniert diesen Auftakt souverän, wenn auch nicht besonders originell – wer noch nie von Tardis Comic gehört hat, könnte den Film in dieser Sequenz tatsächlich für einen faden Indiana-Jones-Abklatsch halten. Dies ändert sich mit dem Wechsel des Schauplatzes, denn der Rest des Films spielt im Paris des Jahres 1907. Die Stimmung und die Szenerien der Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind ein wesentlicher Bestandteil des Comics und auch Besson legt viel Wert auf detailreiche Ausstattung, tolle Kostüme und prächtige Kulissen.
Paris steht unter Schock, seit vor ein paar Tagen ein Pterodactylus, ein eigentlich längst ausgestorbener Flugsaurier, die Stadt unsicher macht. Hinter dessen Erweckung steckt der alte Professor Espérandieu, der schließlich von der Polizei ins Gefängnis gesteckt wird. Allerdings wird der Professor dringend von Adèle gebraucht, denn für sie soll er eine Mumie zum Leben erwecken, die sie von ihrem Ausflug nach Ägypten mitgebracht hat.
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Der Film präsentiert diese Handlung als groteske Nummernrevue, die wenig Wert auf einen großen, übergreifenden Handlungsbogen legt, kaum Spannung und Suspense aufbaut, sondern vor allem komisch sein will. Luc Besson ist ständig auf der Suche nach dem nächsten Lacher, was den Film leider sehr klamaukig werden lässt. Dazu tragen auch die Masken bei, die zwar Tardis Vorlage sehr getreu nachempfunden sind, aber auf der Leinwand oft angestrengt übertrieben wirken: enorme Nasen, große Ohren, feinst verzwirbelte Schnauzbärte, dazu weit aufgerissene Augen der Schauspieler – all das wirkt, im negativen Sinne, "comichaft". Wo Tardi auf Atmosphäre setzt und seinen Humor lieber in Form von leiser Ironie unterbringt, will Besson mit der Brechstange lustig sein und lässt den Pterodactlyus seine Notdurft auf den Kopf des Kommissars verrichten.
In Sachen Action und Effekte kann sich Adèle durchaus sehen lassen. Der fliegende Dino und die wiederbelebten Mumien sind ansprechend animiert und es gibt genug rasante Sequenzen, die für Tempo sorgen. Dass sich Luc Besson jedoch nicht zu schade ist, den abgestandenen Bullet-Time-Effekt wieder aus der Mottenkiste zu holen (und das gleich zweimal!), ist genauso ärgerlich wie die tricktechnisch völlig missratene Sequenz, in der der Pterodactylus zum Reittier wird.
Unbedingt loben muss man dagegen Louise Bourgoin, die in der Rolle der Adèle wirklich überzeugt. Sie ist ein wichtiger Ruhepol in der oft überkandidelten Story und wirkt exakt so, wie Tardi die Figur auch in seinen Comics angelegt hat: als souveräne, moderne und intelligente Frau, die jederzeit die Fäden in der Hand hält.
Insgesamt ist Adèle und das Geheimnis des Pharaos ein leidlich amüsanter, familientauglicher Abenteuerfilm – selten spannend, immer wieder lustig, oft einfach nur albern. Das macht durchaus Spaß, aber trotz des großen Aufwands gelingt es dem Film nicht, den spezifischen Charme einzufangen, der die Comics ausmacht. Wahrscheinlich liegt dieser Charme nicht zuletzt in dem besonderen Stil von Jacques Tardis Zeichnungen. Und so schafft der Film immerhin eines: man bekommt richtig Lust, zu den Adèle-Alben zu greifen. Die ersten beiden Geschichten wurden rechtzeitig zum Filmstart von Edition Moderne in einem Doppelalbum neu veröffentlicht. tk
    
Links:
Offizielle Film-Website (französisch)
Offizielle Film-Website (deutsch)
Adeles ungewöhnliche Abenteuer in der Wikipedia
Adele und das Ungeheuer bei Edition Moderne
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